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COLOR FOTO SPEZIAL SPIEGELREFLEXKAMERAS Auf der Suche nach der idealen Kamera No Body Is Perfect Moderne Kleinbild-SLR-Kameras sind kleine Wunderwerke der Technik. Aber: Kein Kamera-Body ist perfekt. Immer gibt es Kleinigkeiten, über die man sich ärgert - die aber anderswo schon sehr gut gelöst sind. Wie sähe eine Kamera aus, wenn man all die guten Detaillösungen auf eine Kamera übertragen könnte? Ein subjektiv eingerichteter Baukasten von COLOR FOTO-Mitarbeiter Herbert Kaspar. Gehäuse Wie eine Kamera aussehen soll, ist zum einen Geschmackssache, zum anderen eine Frage der Handlichkeit. Handlich sind viele Kameras, und ich komme mit einer Minolta Dynax 7000i ebenso gut zurecht wie mit einer Olympus OM-4 Ti Black. Aber ein Gehäuse ist eben doch am meisten nach meinem Geschmack: Es wirkt bullig, die abgerundete Sucherkappe ragt n nur wenig über die hochgezogenen, leicht nach hinten abfallennden Gehäuseschultern, der ausgeprägte Handgriff verspricht nicht nur festen Halt, sondern gewährt ihn auch. und der schräg angeordnete Auslöser paßt genau unter den Zeigefinger. Die Rede ist vom Gehäuse der Canon EOS-1 (das jedoch, wie die Canon T90, gleich mit dem Hochformatauslöser versehen sein sollte und nicht erst, wenn der Motor-Booster angesetzt ist). Mit dem Gehäuse sollte auch die Widerstandsfähigkeit gegen Feuchtigkeit, Staub und extreme Temperaturen von der Canon EOS- 1 übernommen werden. Belichtung Die beiden wichtigsten Funktionen der Kamera sind die Belichtungsmessung und die Belichtungssteuerung. Was sollte eine Kamera hier bieten können? Eine schöne Belichtungsmeß-Kombination wäre: mittenbetonte Integralmessung a la Nikon, das heißt mit definierter Mittenbetonung, plus Selektivmessung plus Spotmessung plus Multispotmessung mit automatischer Mittelwertbildung a la Canon T90. Und natürlich möchte ich jede Meßcharakteristik selbst wählen können und nicht von der Kamera vorgeschrieben bekommen, zu welchem Motiv welche Art der Belichtungsmessung paßt. Zur Umsetzung der Meßergebnisse wünsche ich mir Zeitautomatik und Blendenautomatik - beide mit automatischer Korrektur, sobald mit dem von mit vorgegebenen Wert keine ordentliche Belichtung mehr zustande gebracht werden kann. Das ergibt in der Praxis eine Kamera mit zwei Programmautomatiken, deren "Knickpunkte", von denen an nur noch über die Verschlußzeit beziehungsweise über die Blende geregelt werden soll, von Fall zu Fall von mir vorgegeben werden. Die Canon T90 hat so etwas; die Yashica 270 AF wird so etwas haben, sollte sie - mit Verspätung - doch noch auf den Markt kommen. Auf die Programmautomatik kann in diesem Fall gut verzichtet werden. Belichtungskorrektur Durch Vielfalt frei unanwählbarerwählbarer Methoden der Belichtungsmessung lassen sich zwar viele Motive in den Griff bekommen, aber sicher nicht alle. Ganz abgesehen davon, daß der Fotograf nicht immer genug Zeit hat, von der aktuell wirksamen Methode auf die passende umzuschalten. Deshalb sollte die Kamera meiner Wünsche mir Gelegenheit geben, rasch Belichtungskorrekturen in einem Bereich von + 3 Belichtungsstufen durchzuführen - was mit dem großen zweiten Einstellrad der Canon EOS-1 ganz hervorragend zu machen ist. Außerdem wünsche ich mir, den Belichtungsmeßwert bei allen Meßmethoden auf Knopfdruck getrennt vom Ergebnis der automatischen Schärfeneinstellung speichern zu können wie es beispielsweise mit der Minolta Dynax 7xi der Fall ist. Warum bei allen Meßmethoden? Bei mittenbetonter Integralmessung kann ein leichter Schwenk dazu führen, daß die Belichtung um eine halbe Stufe reichlicher oder knapper ausfällt, was aus einer guten Landschaftsaufnahme eine bessere Landschaftsaufnahme machen kann. Bei Selektiv- und Spotmessung erleichtert ein schärfenunabhängiger Meßwertspeicher die Abstimmung der Belichtung auf ein neutralgraues Feld oder das bildwichtigste Detail, dessen Helligkeit dann vom Belichtungsmesser als Neutralgrau angesehen wird. Außerdem wünschenswert: eine Belichtungsreihenautomatik, die einem nicht nur ein richtig belichtetes Dia, sondern auch gleich noch ein oder zwei brauchbare Varianten bringt, die sich etwa in Überblendschauen gut verwenden lassen. Wichtig ist, daß die Varianten in großem Belichtungsumfang zwischen gerade noch merkbar 1/3 Stufe) bis sehr deutlich (2 Stufen) gewählt werden können, und daß es möglich ist, zwischen Plus/Minus-, reinen Plus- und reinen Minus-Reihen zu wählen. Autofokus Als mit der Minolta 7000 die erste wirkliche Autofokus-Systemkamera auf den Markt kam, wußte ich sofort, daß der Siegeszug der Schärfenautomatik nicht mehr aufzuhalten war aber ich war mir nicht im Klaren darüber, ob diese Entwicklung sinnvoll sei. Nach den ersten Versuchen wußte ich jedoch, daß Autofokus tatsächlich eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen Kameraausstattung darstellte - vorausgesetzt, man konnte ihn gegebenfalls schnell genug manuell überlisten. Inzwischen ist die Entwicklung der AF-Systeme weit gediehen, und man kann sich viel mehr von einer solchen Automatik wünschen, als sie schnell abstellen zu können. Da ich gern auf ein bestimmtes Motivdetail scharfstellen und mir dieses Detail auch gern selbst aussuche, genügt mir ein kleines, präzises Meßfeld in der Suchermitte. Es sollte allerdings auf senkrechte und waagerechte Strukturen ansprechen, und das bei allen Blendenöffnungen bis 1,4 und bis zum Lichtwert -2. Das gibt es so noch nicht ganz, aber das System der Canon EOS- 1 könnte hier als Ausgangspunkt dienen. Natürlich muß es möglich sein, die Schärfe auf Knopfdruck zu speichern (wie oben schon erwähnt: gegebenenfalls unabhängig vom Belichtungsmeßwert). Was ist noch vom Autofokussystem zu wünschen? Daß es sich, wie etwa das der Canon EOS 600, manuell auf Schärfenpriorität und Auslösepriorität einstellen läßt, wobei erstere ruhig mit Schärfenspeicher, letztere mit Schärfennachführung gepaart sein darf. Aber ich möchte auf jeden Fall die Möglichkeit haben, Unschärfe zugunsten eines Schnappschusses in Kauf nehmen zu können. Zur Nachführung wünsche ich mir die Schärfenvorausberechnung der Minolta Dynax 7xi. Sie berücksichtigt die Entfernung, die das Motiv zwischen Auslösen und Aufnahme zurücklegt- auch dann, wenn die Bewegung nicht auf die Kamera zu erfolgt. Als Ergänzung zum Autofokus sollte ein AF-Illuminator nicht fehlen, der die automatische Fokussierung auch im Dunkeln beziehungsweise bei wenig Licht und wenig Kontrast möglich macht. Trotz Autofokus muß manuelles Scharfstellen schnell und jederzeit möglich sein, wie bei den neuen Canon-USM-Objektiven, die aber mit so breiten Fokussierringen versehen sein sollten wie die AF-Nikkore von Nikon. Verschluß Schon die 1/4000 Sekunde wird sicher nicht oft gebraucht (von der 1/8000 ganz zu schweigen). Auch die vollen dreißig Sekunden führen oft ein Schattendasein, obwohl Aufnahmen in der Dunkelheit nicht so selten sind wie Kurzzeitbelichtungen. Dennoch wäre mein Wunschverschluß eine Kombination aus dem mechanisch gesteuerten Verschluß der Nikon FM-2, der außer der 1/4000 Sekunde eine Synchronisationszeit von 1/200 Sekunde bietet, und dem elektronisch gesteuerten Verschluß der Olympus OM-4 Ti, der bis zu 240 Sekunden lange offenbleibt, wenn es sein muß. Der Übergang sollte etwa bei 1/30 Sekunde stattfinden. Sucher Wechselsucher mögen aus der Mode sein - aber ein ordentlicher Lichtschachtsucher ist in vielen Situationen nicht zu verachten. Deshalb plädiere ich bei meiner Wunschkamera für den Wechselsucher. Stilistisch sollte er natürlich dem Wunschgehäuse angepaßt sein. Von der Vielfalt der Auswahlmöglichkeiten her gibt es bei den Suchern zur Pentax LX nichts auszusetzen. Besonders der Sportsucher, der - je nach Einstellung, die durch eine kurze Drehung zu ändern ist - den Blick von hinten oder von oben auf die Einstellscheibe gewährt, kann die Entscheidung s für dieses Suchersystem tragen. Obwohl ich die Brille zum Fotografieren lieber aufgesetzt lasse, sollte eine Okularverstellung nicht fehlen - allerdings mit einer deutlichen Raste für die Nullstellung, damit jede Korrektur für Aufnahmen mit Brille sofort und eindeutig wieder rückgängig gemacht werden kann. Zum Wechselsucher gehören wechselbare Einstellscheiben zumindest eine mit Gitternetz und eine ganz ohne Einstellhilfe sollte angeboten werden. Natürlich wäre auch eine Lösung a la Minolta Dynax 7xi akzeptabel: Was gebraucht wird, erscheint durch LCD-Projektion im Sucherbild und läßt ein ungestörtes Sucherbild zurück, sobald man den Auslöser wieder losläßt. Trendmeldungsanzeigen wie "mehr oder weniger unscharf" können wegbleiben. Auch die richtige Sucherinformation wünsche ich mir in den Wechselsucher. Im Zusammenhang mit den angestrebten Methoden der Belichtungsmessung und -steuerung wäre die Kombination aus alphanumerischer Anzeige und Quasi-Analog-Anzeige (vergleiche Canon T90) sicher nicht fehl am Platze. Blitz Ein eingebauter Blitz hat zwar viele Vorteile - aber die, die es schon gibt, sind doch recht schwach auf der Brust, und in eine Kamera MIT Wechselsucher dürfte er schwer zu integrieren sein. Also lasse ich ihn weg und wünsche mir statt dessen eine TTL-Blitzsteuerung, die das Blitzlicht in der Zone der Selektivmessung mißt und das Umgebungslicht über die mittenbetonte Integralmessung bestimmt. Auf Wunsch kann sie dann beide Meßergebnisse berücksichtigen und ein ausgewogenes Bild bringen; wenn es anders gewünscht wird, bringt sie aber auch ein Blitzbild mit hellem Hauptmotiv und dunkler Umgebung zustande. Ein Vorblitz und entsprechende Anzeigen im Sucher müssen mir die Entscheidung leicht machen die Canon T90 oder die Contax RTS III stehen Pate. Ausstattung Die Abblendtaste sollte immer die Blende auf den aktuellen Wert schließen, auch wenn der Blendenwert von der Kamera bestimmt wird. Obwohl meine Wunschkamera die TTL-Blitzsteuerung und den entsprechend mit den Kontakten belegten Blitzschuh aufweist, möchte ich auf eine ganz normale Blitzbuchse nicht verzichten, an die gegebenenfalls ein Studioblitzgerät anzuschließen ist. Die Contax RTS III ist in dieser Hinsicht angenehm konservativ. Auch eine TTL-Blitzbuchse, wie sie bei Olympus gang und gäbe ist, darf an einer perfekten Kamera nicht fehlen, denn mit einem entfesselten Blitz machen das TTL-gesteuerte Aufhellblitzen und das indirekte Blitzen erst so richtig Spaß. Eine Dateneinrichtung in der regulären Rückwand kann das Einordnen von Bildern in einen bestimmten zeitlichen Zusammenhang erleichtern. Es genügt mir vollkommen, wenn nur Tag-Monat-Jahr (am liebsten in dieser Reihenfolge) einbelichtet werden. Großartige Verstell- und Wahlmöglichkeiten sollten dem Einsatz einer Datier- und Steuerrückwand überlassen werden. Schon die Contax RTS III geht mir hier ein bißchen zu weit. Die Einstellelemente müssen nicht unbedingt dem modernsten Standard entsprechen. Das heißt: Drucktasten, mehrfach belegte Drucktasten, Schiebe- und Wippschalter haben an diesem "perfect body" nichts zu suchen. Vorbilder sind hier ganz klar die Nikon F4. Ein eingebauter Empfänger für einen drahtlosen Fernauslöser ist gut (wie ihn die Canon EOS 10 aufweist), noch besser ist es aber, wenn der Sender auch immer gleich dabei ist. Die Lösung mit dem Objektivdeckel (wie sie Olympus mit der AZ-4 vorführt) ist zwar sehr gut, bei einer Kamera mit Wechselobjektiven aber nicht zu realisieren. Praktischer wäre es in diesem Fall, den Sender im annehmbaren Handgriff unterzubringen - was gleich wieder dazu führt, daß die Batterie nicht im Handgriff, sondern im Kameraboden untergebracht wird. Für unverwackelte Auslösungen über geringe Entfernungen kann natürlich ein ganz normaler Drahtauslöser verwendet werden. Daß das aus mit modernen Kameras geht, beweisen zum Beispiel die beiden Nikon F-601-Modelle. Das Stichwort Batterie führt gleich zur Energieversorgung: Die 6-Volt-Lithium-Blocks haben zwar ihre Vorteile. Ideal sind sie aber schon wegen des Preises nicht, ganz abgesehen davon, daß sie doch nicht so verbreitet sind wie die 1,5-Volt-Mignon-Zellen. Deshalb gibt es für eine Kamera, die alle Wünsche erfüllen soll, nur eins: Der Strombedarf kann, wie bei der Chinon CP-7m, wahlweise aus einer Lithium-Batterie oder aus vier Alkali-Mangan-Batterien gedeckt werden. Die Chinon CP-7m hat auch etwas anders zu bieten, was übernehmenswert ist: Ohne weiteres Zubehör können Aufnahme-Intervalle bis neunzig Minuten vorgegeben werden; zum verzögerten Starten der Intervallfunktion empfiehlt sich der Selbstauslöser, dessen Ablaufzeit von zehn Sekunden bis neunzig Minuten zu variieren ist. Der eingebaute Motor des Wunschmodells ist für Einzelbild- und Serienbildschaltung mit etwa drei Bildern pro Sekunde zu nutzen. was Für die meisten Aufnahmeserien ausreicht. Sollen einmal geschwindere Motive eingefangen werden, läßt sich der eingebaute Motor durch einen ansetzbaren Booster - den man kaufen kann, aber nicht muß - auf etwa fünf Bilder pro Sekunde bringen. Vorbild ist hier die Canon EOS- 1, aber auch das System der Nikon F4 kann in diesem Zusammenhang Pate stehen. Jedoch können beide Modelle nicht einfach so übernommen werden. Mein Motor ist nämlich sehr leise (wie der in der Canon EOS 100 oder an einer R-Leica), und er spult den Film nach dem Einlegen ganz vor, um ihn nach jeder Aufnahme um eine Bildbreite zurück in die Patrone zu spulen. Wenn, aus welchem Grund auch immer, die Rückwand zu früh geöffnet wird, ist der belichtete Filmstreifen in Sicherheit. Leider habe ich noch keine Kamera gefunden, die alle Vorzüge in sich vereint. Herbert Kaspar in Color Foto 12/1991 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}