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COLOR FOTO SPEZIAL SPIEGELREFLEXKAMERAS 50 Jahre Hasselblad-Kameras Ich bin die Kamera Das Jahr 1991 spielte eine besondere Rolle in der Geschichte des renommierten Kameraherstellers Hasselblad. Dem schwedischen Mittelformat-Kameraproduzenten gelang mit der neuen Hasselblad 205 TCC nicht nur der Anschluß an die technologische Weltspitze, es galt auch ein besonderes Jubiläum zu feiern: Vor fünfzig Jahren entstand die erste Hasselblad. Als Victor Hasselblad, Kamerapionier und Gründer des wohlbekannten gleichnamigen Unternehmens, in den sechziger Jahren eine USA-Reise unternahm und am New Yorker Kennedy-Airport eintraf, sprach ihn der Beamte bei der Zollkontrolle an: "Sie heißen Hasselblad, wie die berühmte Kamera?" Victor Hasselblad antwortete mit einem wissenden Lächeln: "Ich bin die Kamera." Leider sind die Zeiten der großen Selfmademen vorbei, deren Ideenreichtum und Pioniergeist ein bestimmtes Produkt hervorbringen, das zu produzieren zunächst Mut erfordert, um dann ein Welterfolg zu werden. Männer, die für Marken stehen. Heute lernt der Fortschritt in großen Forschungsabteilungen und unter Aufsicht vielköpfiger Entwicklungsteams das Laufen. Victor Hasselblad war zweifellos einer der alten Pioniere. Er war weder Ingenieur noch Konstrukteur, in der Fotografie Autodidakt, aber mit einem ausgesprochenen Gespür für Kameratechnik behaftet, das er als Volontär unter anderem bei Kodak in Rochester schulte. Victor Hasselblad war der Sproß eines betuchten Göteborger Handelshauses, das F.W. Hasselblad & Co. hieß und bereits vor 150 Jahren, am 15. Mai 1841, gegründet wurde. Zunächst handelte man mit Textilien und importierte Musikinstrumente nach Schweden. Als es Ende des letzten Jahrhunderts mit der Fotografie aufwärts ging, interessierte man sich bei Hasselblads auch für das neue, zukunftsträchtige Geschäft. Dieser unternehmerische Weitblick mündete dann kurze Zeit später in eine Generalvertretung für Kodak. In diese Zeit hinein, man schrieb das Jahr 1906, wurde Victor Hasselblad geboren. Sein Interesse galt von Kindesbeinen an der Ornithologie. Er liebte die Vögel, brachte V sich selbst aus Büchern alles ( Wissenswerte über seine gefiederten Freunde bei und trieb k umfangreiche Studien, indem er u ihr Leben beobachtete, es fotografierte und dokumentierte. Zu diesem Zweck benutzte s er die unterschiedlichsten Kameras, eine Großbild-Speed-Graflex war ebenso darunter wie eine Leica. Mit ihr fotografierte er die Herbstwanderung der Vögel auf der Insel Öland. Doch Victor Hasselblad konnte sich mit keiner Kamera so richtig anfreunden, irgend etwas paßte ihm immer nicht. Mal war das Format zu klein, dann wieder war die Kamera zu groß und zu auffällig. Lange Abende dachte er darüber nach, wie seine ideale Kamera auszusehen hätte. Er entwarf einen neuen Typus von Kamera für ein mittelgroßes Aufnahmeformat, mit Wechselobjektiv und Wechselmagazin versehen. Bei der Verwirklichung seines Traums kam ihm der Zufall zu Hilfe. Ein abgeschossener deutscher Bomberpilot, der im Jahr 1940 über Schweden abstürzte, hatte eine Luftbildkamera bei sich, die das Interesse des schwedischen Verteidigungsministeriums weckte. Man wollte auch so etwas für Auflklärungszwecke zur Verfügung haben und beauftragte Victor Hasselblad mit der Entwicklung. Die HK-7, so hieß das Endprodukt, ähnelte in ihrem Grundprinzip bereits den späteren "zivilen" Hasselblad-Kameras. Nachdem sich die Hasselblad-Kamerawerkstätte nach dem Krieg mit der Poduktion von Uhren und Weckern über Wasser hielt, baute Victor Hasselblad fleißig Prototypen eines neuen, revolutionär anmutenden Modells. Im Oktober 1948 war es dann endlich soweit. Der staunenden Fachpresse wurde die erste 6x6-Zentimeter-Kamera mit wechselbarem Sucher, Objektiv und Magazin vorgestellt. Sie trug den Namen Hasselblad 1600 F und besaß einen Schlitzverschluß, der so schnell war, wie es die Typenbezeichnung vermuten ließ, nämlich 1/1600 Sekunde. Die neue Kamera wurde sofort begeistert aufgenommen und fand reißenden Absatz; die Objektive lieferte Kodak. Aber der Verschluß der Kamera entpuppte sich immer mehr als Sorgenkind. Hasselblad reagierte 1952 mit der langsameren, aber auch zuverlässigeren 1000 nF, verwarf den Schlitzverschluß schließlich und präsentierte 1957 den Grundbaustein des heutigen Hasselblad-Systems, die 500 C. Wie es Name und Nummer schon andeuten, besaß die Kamera einen Compur-Zentralverschluß, voll blitzsynchronisiert, und außerdem ein neues Bajonett für eine neue Palette von Zeiss-Objektiven. Mit dieser Modell-Zäsur war es das erste und letzte Mal, daß ältere und neuere Hasselblad-Produkte nicht zusammenpaßten. Seither gehört die absolute Kompatibilität zu den Grundfesten Hasselbladscher Firmentradition. Die 500 C stellte den Verkauf aller vorherigen Hasselblad-Kameras bei weitem in den Schatten. Sie wurde bis 1970 gebaut und dann von der äußerlich kaum veränderten 500 C/M abgelöst. Trotzdem trennen eine 500 C/M (Classic) von heute und eine 500 C von 1957 über 8000 Detailverbesserungen. Allmählich eroberte die Hasselblad die Studios der Profifotografen in aller Welt. Man schätzte die Qualität und die Konsequenz in der Modellpolitik. 1965 ergänzte die motorisierte 500 EL das Programm, heute existiert sie als 553 ELX weiter. Die Motorkamera war die Basis für die Raumfahrt-Modelle EC, 500 EL 70 und EDC, die bei den Mondlandungen dabei waren. Die nächste Ära in der Geschichte der Hasselbladkameras läutete 1977 die 2000 FC ein. Es erfolgte die späte Rückkehr zu Schlitzverschluß und kürzeren Zeiten ( 1/2000 Sekunde). Lichtstärkere Objektive waren nun möglich. Im Trend der Zeit wurde das Ganze mit viel Elektronik angereichert - zuviel, wie sich nachher bei den Reklamationen herausstellte. Modellpflege kurierte die Leiden. Genial wurde die Systemverträglichkeit zwischen Zentralverschluß- und Schlitzverschlußkamera gelöst. Die C-Objektive paßten auch an die F-Kamera, wenn man sie bei ausgeschaltetem Zentralverschluß einsetzte. In den achtziger Jahren betrieb man bei Hasselblad intensive Modellpflege, doch Sensationelles blieb aus. Dafür konnte man bei der neuen Tochtergesellschaft Hasselblad Electronic Imaging mit Erstaunlichem aufwarten. Das Bildübertragungsgerät Dixel machte als elektronisches Highlight Furore. Erst 1991 ist es dann wieder soweit: Die 205 TCC mit ihrem einzigartigen Belichtungsmeßsystem setzt den Hasselblad-Kurs sinnvoller, für die Fotografie nützlicher Innovation fort. Victor Hasselblad hätte die neue 205 TCC sicher mit Wohlwollen betrachtet. Er starb jedoch bereits am 5. August 1978. Zuvor konnte er sich aber noch einen Traum erfüllen: Seine letzte Expedition führte ihn auf die Galapagos-Inseln - mit der damals neuen 2000 FC fotografierte er die Vögel des Archipels. Noch heute ist die 500 C/M eine wichtige Säule im Hasselblad-Programm. Sie gilt als Klassiker der Moderne und ist für viele Fotografen die Hasselblad schlechthin. Alf Cremers in Color Foto 12/1991 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}