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SERVICE PHOTOGRAPHICA Aktuell Westdeutsche Kameras nach 1945 Große Auswahl Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg galten die Produkte der deutschen Kameraindustrie als Weltspitze. So konnte diese Industrie nach Kriegsende auch wie Phönix aus der Asche neu entstehen, obwohl von ihr teilweise erst einmal wieder Vorkriegsmodelle angeboten wurden. Die etablierten Kamerafabriken starteten allerdings zum Teil auch schon mit Neukonstruktionen, die während des Krieges entwickelt, aber nicht gefertigt worden waren. Von Agfa bis Zeiss waren alle wieder dabei. Agfa mit der alten und neuen Karat, den Billys, den Isoletten und den Boxen, Zeiss Ikon mit der Contax, der Nettar und den Ikontas. Die Rolleiflex war ebenso wieder auf dem Markt wie Voigtländers Bessa und Brillant und von Kodak die Retina. Adox übergab das Werk wieder an seine früheren Besitzer Gebrüder Wirgin, die neben ihren Edinex und Edixa auch für Adox und andere Handelsketten produzierten. Leica, Linhof, Robot und Plaubel montierten ihre bewährten Präzisionskameras und die Firma Balda machte einen Neustart im Werk Bünde, nachdem das Stammwerk in Dresden enteignet worden war. Natürlich tauchten auch neue Namen auf. W. Kerkmann listet zum Beispiel in seinem Katalog "Deutsche Kameras 1945-1986" insgesamt 104 westdeutsche Kamerafirmen auf. Zu den wenigen überlebenden Marken gehört Carl Braun in Nürnberg. Ob Imperial-Boxen oder Norica-Faltkameras im Mittelformat - Braun war dabei. Gloriette, Colorette und Gloria waren übliche KB-Kameras, die man so auch bei Agfa oder Regula-King hätte finden können. Nimmt man aber eine der verschiedenen Paxetten in die Hand, spürt man sofort die massive Feinmechanik der fünfziger Jahre, zuletzt gepaart mit Selenbelichtungsmesser und Automatik. Herstellervielfalt Die Spiegelreflexkamera Paxette Reflex konnte sich damals gegen ihre Mitbewerber nicht durchsetzen und wird bei den Sammlern noch unterbewertet. Eine interessante Konstruktion war die Braun Nizo 1000 für den 126er Kassettenfilm. Dabei handelte es sich um eine absolut moderne Kamera mit CdS-Automatik! Bauer-Bosch plante 1981/82 einen Start ins Fotogeschäft mit der RX-1 und der RX-2 als schöne und leichte Spiegelreflexkamera, die aber in die Crash-Zeit der deutschen Fotoindustrie hineinplatzte. Die damals auch erschienene Scout-35-Kleinbildkamera suche ich übrigens noch... Weniger rar, aber bekannter: die Firma Kürbi & Niggeloh in Radevormwald baute Bilora-Kameras für Einsteiger und Knipser, meist Boxen verschiedenster Art, die auch unter anderen Firmennamen in der ganzen Welt verkauft wurden. Die King KG in Bad Liebenzell stellte bis zuletzt eine Vielzahl von verschiedenen KB- und 110er-Modellen unter dem Namen Regula her - diese waren immer auf der Höhe der technischen Entwicklung. Dr. Hensold baute 1953 in Wetzlar eine hochinteressante, heute seltene Kamera: die Hensold-Reporter. Rein äußerlich war sie eine Art moderne Leica mit gekoppeltem Entfernungsmesser, Wechseloptik und dazu passenden Wechsel-Sucherokularen, verfügte über einen Schlitzverschluß und alles, was man sonst noch so brauchte. Sie wurde auch von ISO in Mailand als ISO-Reporter verkauft, aber es wurden nicht mehr als 2000 Stück produziert (ihr Preis, egal ob nun Standard oder Reporter, liegt heute zwischen 1500 und 2500 DM. In die gleiche Kategorie der Begehrlichkeit fällt die Casca von Steinheil aus München. Casca I und Casca II sind zwei mit der Hensold-Reporter vergleichbare Kameras mit Wechseloptik, Schlitzverschluß und bei der Casca II auch Entfernungsmesser. Sie verfügen über ein klassisches Design. Erfreulicherweise wurden sie damals häufiger verkauft und sind darum heute schon für 350 bzw. 550 Mark zu haben. Die Firma Metz in Fürth versuchte sich 1954 auch im Kamerabau mit der Mecaflex als SLR im KB-Design. Man muß erst das ganze Oberteil aufklappen, dann hat man eine System-SLR mit allen Schikanen in der Hand. Damals für 298,50 Mark über die Firma Kilfitt verkauft, muß man für ein solches Stück heute etwa 1500 Mark bezahlen. Mecaflex und Mec 16 Nicht zu verwechseln ist diese Mecaflex mit der Mec 16 von Feinwerktechnik Lahr für 10xl4-Millimeter-Negative auf 16-Millimeter-Film. Sie ist zwar größer als eine Minox, aber eine recht außergewöhnliche Taschenkamera, sogar schon mit TTL-Messung. Die Mec 16 ist ein seltenes Stück - aber für etwa 200 Mark zu haben! Ende der siebziger Jahre kam das Aus für die meisten deutschen Kamerawerke. Verschlafene Chancen, aber auch Preis- und Marktdruck aus Fernost waren die Ursachen dafür. Was übrig blieb, waren Edelschmieden wie Leica, Minox und Rollei. Sie boten hochwertige Produkte an und verfügten über eine Kundschaft, die dafür auch hohe Preise zu zahlen bereit war (und noch ist). Günther Kadlubek in Color Foto 11/1995 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}