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SERVICE Photographica Aktuell
Die kleinen Rollfilmformate
Ungeheure Vielfalt
Wer erinnert sich noch an die vielen Miniatur-Rollfilmformate, die bis in die sechziger Jahre hinein Anwendung fanden? Den Kameras dazu ist gemeinsam, daß sie entzückend aussehen und, gemessen an ihrem Bildformat, unwahrscheinlich klein sind, da die Filme sehr wenig Platz beanspruchen.
Der bekannte 35-Millimeter-Kleinbildfilm wird zwar auch gerollt, aber mit dem Namen "Rollfilm" werden traditionsgemäß nur solche Filme bezeichnet, die nicht in Patronen, sondern auf einfachen Spulen angeboten werden. Vor Lichteinfall schützt diese Filme ein Papierstreifen. Der bekannteste ist der 120er Rollfilm (62 mm breit) für das Mittelformat. Vereinzelt wird noch der 127er Film (46 mm breit) für die Formate 3x4 bis 4,2 x 6,3 cm angeboten. Einige Apparate für diese Formate werden hier vorgestellt.
Was diese Kameras unterscheidet, ist ihr Bildformat. Für uns ist es heute schwer vorstellbar, aber jede der gezeigten Kameras hat ihre eigene Spulengröße. So verwundert es nicht, daß keiner der Filme heute noch zu kaufen ist. Die Gemeinsamkeit all dieser Kameras: weil das Filmschutzpapier mit Nummern versehen ist, die man an der Kamerarückseite durch ein rotes Fenster sehen kann, entfällt ein gesondertes Zählwerk, und der Transportmechanismus braucht nur ein Aufzugsrad.
Die Vorkriegsmodelle
Die Eljy ist von den hier besprochenen Kameras die raffinierteste. Hergestellt wurde sie 1937 von Lumiere in Frankreich. Das dreiteilige Objektiv "Lypar" hat die Lichtstärke 1:3,5. Die Belichtungszeiten (1/25-1/125 Sekunde, T, B) werden wie bei einer "ausgewachsenen" Kamera am großen Ring eingestellt. Das Objektiv sitzt, wie bei der zeitgenössischen Leica, an einem einschiebbaren Tubus. Der zusammenklappbare Sucher verfügt über einen Parallaxenausgleich für Nahaufnahmen. Das Gehäuse besteht zwar nur aus Blech, aber die Kamera ist mit Liebe zum Detail gebaut und gut verarbeitet. Überraschend: trotz ihrer Winzigkeit (7,7 cm Gesamtlänge) bietet sie das volle 24x36-mm-Filmformat.
Die Sida (mit dem Negativformat 25x25 mm) aus Berlin-Charlottenburg stammt etwa aus dem Jahre 1938 und wirkt recht urtümlich. Einstellbar ist nur der Verschluß (T und M), der zudem so einfach konstruiert ist, daß der Auslöser abwechselnd nach oben und unten zu bewegen ist. Verwacklungsfreie Aufnahmen verlangen also besonderes Geschick. Die Angabe der Objektivdaten (1:8/35 mm) kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich um einen simplen Meniskus handelt. Das Besondere an der Sida ist zweifellos ihr schweres Gehäuse aus Zinkdruckguß, das in bizarrem Gegensatz zur primitiven Ausstattung steht.
Der große Objektivtubus der Juka suggeriert mehr Technik als drin ist: sie bietet mit den zwei Blenden und dem Drahtauslöseranschluß mittleres Box-Niveau. Aber die Juka hat Stil. Die Kamera ist liebevoll gemacht und bietet trotz ihrer geringen Außenmaße ein Negativformat von 30x38 mm. Sie wurde vor dem Zweiten Weltkrieg von den Junka-Werken in Zirndorf konstruiert und nach dem Krieg von der Firma Adox mit verkürztem Namen angeboten.
Die Mycro IIIA aus Japan (zirka 1950 gebaut) markiert sehr schön den Übergang von der Kamera zum Spielzeug. Daß hier das Design großer Kameras übernommen und miniaturisiert wurde, macht die Mycro nicht gerade handlich, aber dafür um so niedlicher. Es gab in den fünfziger und sechziger Jahren eine Unzahl ähnlicher Apparate für das Format 14x14 mm auf 16-mm-Film, meist grob verarbeitet und mit einfachster Technik, mit Namen wie Hit, Lucky, Marvel, Tiny und vielen anderen. Die Mycro IIIA ist eines von den besseren Modellen. Das Objektiv, ein Dreilinser mit den Daten 1:4,5/20 mm, ist vergütet, die Linsen sind verschraubt, und schon die Gravuren verraten eine gewisse Präzision. Drei Belichtungszeiten und eine richtige Irisblende ergänzen das Bild. Das Gehäuse mit der Filmführung ist aber offenbar den Billigmodellen entlehnt.
An deutschen Rollfilmapparaten im Miniformat sind vor allem die Kameras der Firma Kunik aus den fünfziger und sechziger Jahren zu erwähnen.
Kamerakonstrukteure mit viel Phantasie
Die bekannteste ist die Petie (14 x 14 mm) mit einfachster Ausstattung, aber gut verarbeitet. Sie war auch mit Feuerzeug oder Make-up-Dose erhältlich.
Kein Zweifel: die Vielseitigkeit in der Kameralandschaft ist geringer geworden. Für den Anwender ist das sicher kein Nachteil, denn in der Praxis konnten die gezeigten Apparate keinen dauerhaften Ruhm erwerben. Auch Meilensteine der Kamerageschichte sind sie nicht, aber Hinweise auf die große Phantasie der Konstrukteure.
Volker Horstmann in Color Foto 1/1996
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