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Photographica Kamera-Spezialmodelle Witzige Kuriositäten Schon um die Jahrhundertwende kamen Kameras im Phantasiedesign auf. Manche verbargen sich in einem Spezialhut, bei anderen schaute das Objektiv wie ein Glasknopf durch ein Knopfloch; sie waren in Büchern versteckt oder sie sahen wie eine Uhr oder ein Revolver aus. Alle diese Kameras sind heute gesuchte Sammlerstücke und außerordentlich rar und teuer. So erzielte eine Lancaster-Taschenuhr-Kamera von 1890 auf einer Auktion vor vier Jahren etwa 70 000 Mark, die Hegelein-Taschenuhr-Kamera kurz darauf rund 40 000 Mark. Aber auch neuere Modelle können interessant sein. Drei Kuriositäten, die auch heute noch hin und wieder auf Börsen und in Anzeigen auftauchen und auch noch bezahlbar sind, stellen wir Ihnen hier vor. Die Stylophot wurde in den fünfziger Jahren von Secam in Frankreich hergestellt beziehungsweise vertrieben. In Deutschland gab es sie, leicht verändert, als "Foto-Füller" von der Firma Kunik. Konstruiert wurde sie von Fritz Kaftanski, der viele ausgefallene Modelle schuf. Dem Namen nach sollte die Stylophot ebenso wie der Foto-Füller wohl aussehen wie ein Schreibgerät. Doch dazu braucht der Betrachter schon sehr viel Phantasie. Das einzige, was an einen Füller erinnert, ist der Clip. In der Spitze befindet sich weder Mine noch Feder, sondern nur ein Stativgewinde. Das Objektiv ist ein Zweilinser mit der Lichtstärke 1:6,3 und zwei Blendeneinstellungen. Die Unterscheidung "Noir - Color" beruht darauf, daß zur Entstehungszeit der Stylophot die gängigen Farbfilme weniger empfindlich waren als Schwarzweißfilme. Der Verschluß ist mit dem Filmtransport gekuppelt und wird durch Herausziehen des Schiebers mit dem roten Fenster gespannt. In Ruhestellung verdunkelt das rote Fenster den Sucher. Die Kamera mit dem Bildformat 10x10 mm ist für 16-mm-Film in Spezialkassetten vorgesehen. Eine Aufwickelachse gibt es nicht. Transportgreifer schieben den Film einfach in eine leere Kassette hinein. Wenn man die Kamera öffnet, dann erkennt man, daß das Design schließlich doch nicht gar so weit hergeholt ist. Bis auf die lange Spitze folgt die Form im wesentlichen der Funktion. Das Gehäuse ist aus Kunststoff, der Deckel aus Blech. Die CamWatch M1 entstand wesentlich später, nämlich in den achtziger Jahren. Man mag zuerst an einen Fernost-Import denken, aber sie ist "Made in Germany"! Großer Erfolg war ihr nicht beschieden. Wie eine Armbanduhr sieht sie nicht aus, aber der Name bezieht sich vor allem darauf, daß am Armband auch eine billige Digitaluhr klemmte. Der wichtigste Vorteil gegenüber vielen anderen Kuriositäten: Man kann mit ihr problemlos fotografieren, da sie den fast überall erhältlichen Minoxfilm aufnimmt. Die Kamera läßt sich auch ohne Armband verwenden. Sie ist dann rekordverdächtig klein. Sie besteht aus Kunststoff und wiegt nur 22 Gramm. Die Technik: Einzeiten-Verschluß (1/200 S), dreilinsiges Objektiv (1:4) mit Zwei-Lamellen-Blende, Bildzählwerk. Der Sucher ist allerdings völlig mißglückt. Er besteht nur aus einem Rahmen, der doppelt so breit wie hoch ist, obwohl das Filmformat 8xll mm beträgt. Ansonsten ist die CamWatch aber gut gemacht. Die Reifenkamera stammt ebenfalls aus den achtziger Jahren, ist aber in Taiwan hergestellt. Sie enthält einfachste Technik mit Plastiklinse und nimmt einen Pocketfilm auf. Sie gehört zu der Spezies von Pocketkameras, die in allen möglichen Formen angeboten wurden und noch werden, unter anderem als Getränkedosen und Walt-Disney-Figuren. Sammler zahlten schon beachtliche Preise für diese netten Spielzeuge. Ein Elektronik-Versender hingegen bot jüngst einen Restposten Reifenkameras für 4,95 Mark an. Für die CamWatch wird meist mehr als 100 Mark verlangt, und die Stylophot wird kaum unter 300 Mark zu bekommen sein. Das ist viel Geld für ein nicht sehr nützliches Gerät - aber ihren eigenen Reiz haben alle diese Kameras. Und welcher Liebhaber fragt schon nach dem Nutzen? Volker Horstmann in Color Foto 10/1996 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}