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Kameras
Minox
Renaissance in 8x11 Millimeter
Durch den Boom der Kompaktkameras ist die Minox 8x11-Kleinstbildkamera-Konzeption ein wenig in den Hintergrund getreten. COLOR FOTO-Autor Joachim Giebelhausen meint: zu unrecht. Sein Beitrag zeigt, wie faszinierend Kleinstbildfotografie mit der Minox sein kann. Lassen Sie sich anstecken!
Es gibt sie noch, oder richtiger, es gibt sie wieder, die Minox 8x11-Kleinstbildkamera, das kleine fotografische Wunder en miniature - mit all ihrem Charme. Seit die 8 cm lange und 56 g leichte Minox EC wieder im Gespräch ist, seit eine moderne Filmtechnologie immer vollkommenere Bildqualität ermöglicht, ist der Startschuß für eine faszinierende 8x11-Renaissance gefallen. Noch führt nicht jeder Fachhändler das komplette Sortiment an 8x11-Filmen, noch muß er bei Bedarf diesen oder jenen Filmtyp erst bestellen - beispielsweise den hochauflösenden Ektar 25 oder den neuen Minocolor 100 auf APS-Basis. Aber dies ist nur eine Frage der Zeit.
Die Minox-Philosophie. Bei der Vorkriegs-Minox ging man davon aus, nicht einfach noch eine weitere zu den damaligen Minikonstruktionen hinzufügen zu wollen, sondern mit einem abgerundeten eigenen System einen ganz neuen Fotostil zu kreieren. Den Ruf als "Geheimkamera" hatte der Konstrukteur niemals im Auge. Vielmehr war es damals seine Absicht, dem modernen Menschen unserer schnellebigen Zeit einfach ein optisches "Notizbuch" in die Hand - und in die Westentasche - zu geben.
Die optische Rechnung der Minox-Spezialobjektive für das 8x11-Format stammt von dem ehemaligen Leitz-Konstrukteur E. Seibert. Die Minox-Kriterien hier noch einmal in Stichworten: schützendes, völlig geschlossenes Gehäuse in Ruhestellung, Teleskopschaltung für Verschluß und Filmtransport, Spezialobjektiv mit 15 mm Brennweite und fester Öffnung 1:3,5 bzw. 1:5,6 bei der EC (Fixfokus), Kassettensystem mit zwei lichtdichten Kammern ohne Rückspulung und geeignet zur Entnahme teilbelichteter Filme (Filmaustausch), abstandskorrekte Bildschaltung ohne Perforation (macht die Minidimensionen möglich).
Fairerweise sollen auch die Probleme aufgeführt werden, die sich zwangsläufig aus dem Miniformat ergeben: Vergrößerungen in Farbe sind derzeit etwa bis 13x18 cm möglich, wenn man Kleinbildansprüche zugrundelegt; bei Schwarzweiß sind - je nach Filmtyp bis 18x24 cm möglich. Für die Diaprojektion ist augenblicklich kein Minox-Projektor auf dem Markt. Alternative: Diakopien von 8x11 auf 24x36 mm. Wer selbst vergrößert, sollte sich zum KB-Vergrößerer ein kurzbrennweitiges Makroobjektiv anschaffen und in den Vergrößerer einsetzen (z.B. das Apo-Rodagon 28 mm).
Die Minox ist nicht nur immer da, sie ist auch die Schnellste - wenn andere noch zoomen, hat sie schon geschossen. Minox-Motive sind schließlich vor allem jene Augenblicke, die bisher nicht fotografiert wurden. "Tagebuch-Notizen", wie das Einkaufen im Supermarkt, Szenen im Büro, in der Werkstatt, in der Boutique, beim abendlichen Essen, Schnappschüsse im Sportverein, im Theater oder bei Freunden. Die Minox gehört eben zu den alltäglichen Requisiten, wie sonst zum Beispiel der Schlüsselbund.
Die Minox-Fotografen. Mittlerweile hat sich herausgestellt, daß man grundsätzlich zwei Typen unter den Minox-Fans unterscheiden kann: zunächst die völlig sorglosen, unbekümmerten "Tagebuch"-Schreiber mit ihren Minox-Illustrationen. Für diese Leute ist die Minox ja eigentlich auch gedacht. Wenn dabei als Nebeneffekt noch ein gewisses Statussymbol herausspringt - um so besser.
Nun der andere Minox-Typ: der Tüftler, der ehrgeizige Foto-Experimentator, der es den anderen zeigen will mit seiner erstaunlichen Minox-Leistung. Und tatsächlich gelingt es solchen Fanatikern des Kleinstbilds auch oft, Fotos vorzuweisen, die von denen größerer Negativformate nicht zu unterscheiden sind. Sie vergrößern ihre selbstentwickelten Negative mit allen optischen und chemischen Erkenntnissen unserer modernen Labortechnik.
Über beide Kleinstbildfreunde freuen sich natürlich das Herstellerwerk, der Fachhändler, der Filmchemiker und schließlich auch das bemühte Speziallabor. Apropos Labor. Bei gewohnt hoher Qualität wird in Kürze mit schnellerer Lieferung zu rechnen sein. Der Service wird erweitert, die Abwicklung beschleunigt und vereinfacht.
Nun noch einige Praxistips aus langer eigener Minox-Erfahrung: Die Qualität beim Kleinstbild ist - wie bei keinem anderen Verfahren - abhängig vom Filmmaterial und seiner Bearbeitung. Wenn man beispielsweise von einer Motivgruppe (Landschaft) auf eine andere (Theater) - konkret: von ISO 25/15xGRADx auf400/27xGRADx-wechselt, so verbessern sich die Resultate mit dem jeweils passenden Film. Minox-Kassetten erlauben bequemes Auswechseln der teilbelichteten Filme mit einem Bildverlust von höchstens drei Feldern. Mit einiger Übung erfaßt man den Bildausschnitt auch über die Schulter, aus der Hüfte oder seitlich aus dem Unterarm. Mit der Minox EC und mit telempfindlichem Film bei schlechtem Licht fotografieren? Den Blitz ankoppeln ist hier oft nur eine Lösung, "available light" die andere. Oft müssen wir ja nur 1/20 Sekunde verwacklungsfrei meistern. Also: Aufstützen der Kamera, Anlehnen an eine feste Geländer-, Buch-, Gitterstütze - der Phantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Besser jedenfalls ein leicht verbitterter Schnappschuß als gar keiner.
Tips für die Praxis. Langzeitbelichtungen - etwa bei Dämmerung, in Räumen oder bei Nacht macht die Kamera mit ihrer Meßelektronik automatisch. Das rote Warnlicht verlischt, wenn die Zeitbelichtung abgeschaltet wird - und das automatisch bis zu 8 bzw. 16 Sekunden. Durch gezielte DIN/ASA-Einstellung kann man die Kamera leicht der Motivsituation anpassen oder effektiv steuern. Helle Objekte im dunklen Umfeld erfordern eine höhere Empfindlichkeitseinstellung. Und sehr helle Gesamtmotive (Schnee) sollten mittels der DIN/ASA-Skala nach "niedrig" korrigiert werden. Nahaufnahmen, Blüten, Schmuck, Uhren, Eisenbahnmodelle, Insekten, Edelsteine kann die Minox TLX bis auf 20 cm Abstand erfassen und sodann gegebenfalls in der Projektion metergroß auf die Leinwand strahlen.
Joachim Giebelhausen in Color Foto 12/1997
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