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Verbraucherservice Schlechte Zeiten für neue Ideen? Marktlücken Technische Durchbrüche in der Fotografie werden oft von Außenseitern initiiert, die sich eine ausreichende Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit erhalten konnten. Daß es diese Außenseiter mit der zunehmenden Kompliziertheit der Technik immer schwer haben, ist eine Binsenweisheit und die eigentliche Ursache für den insgesamt defensiven Stand bei den europäischen und insbesondere auch deutschen Herstellern fotografischer Erzeugnisse. Eine Rückblende in die Glanzzeiten deutscher Fotogeschichte soll das illustrieren: Als Oskar Barnack die erste Leica konstruierte, war dies noch die Tat eines Einzelgängers, der freilich Glück hatte, bei einem weitsichtigen und klugen Chef beschäftigt zu sein. Der hatte es allerdings auch noch relativ leicht, Entscheidungen ganz alleine zu treffen. Ähnlich war es zur fast gleichen Zeit Ende der 20er Jahre bei Franke & Heidecke, der nochmaligen Firma Rollei, die mit ihrer zweiäugigen Spiegelreflex den Weltruf der deutschen Kameraindustrie mitbegründen half. Bekanntlich versuchte es Rollei zuletzt ebenfalls noch mit einer mutigen, richtungsweisenden Neuschöpfung auf dem Kamerasektor; sie war zum Scheitern verurteilt, nicht aus technischen Gründen. Vergleichbare Beispiele ließen sich anführen. Warum das hier erzählt wird? Diese Beispiele sollen zeigen, wie schwer es geworden ist, etwas grundsätzlich Neues auf den Markt zu bringen. Ist es denn wirklich so, daß der Fotomarkt so übersättigt, so vollgesogen ist mit Produkten für alle erdenklichen Wünsche, so daß kein Raum mehr bleibt für Innovationen, die als solche auf Anhieb erkannt werden können? Wer die Bedürfnisse der Hobby- und Profifotografen kennt, weiß natürlich, daß dem nicht so ist. Es könnte eine große Zahl wichtiger Erzeugnisse geben, die dem Fotofreund weiterhelfen würden, aber niemals realisiert werden. Dafür gibt es mehrere Gründe. Wer die einschlägige Patentliteratur halbwegs kennt, kann leicht feststellen, daß nur ein sehr geringer Prozentsatz von Schutzrechtsanmeldungen realisiert wird. Das ist grundsätzlich nicht verwunderlich, trotzdem bleiben zu viele gute Vorschläge unverwertet. Die Relation von angemeldeten und verwerteten Schutzrechten hat sich auch im Vergleich zur schon erwähnten fotografischen Pionierzeit vor etwa 50 Jahren deutlich zu Ungunsten der unausgewerteten Anmeldungen verlagert. Viele gute Ideen verkümmern in den Archiven und nicht nur bei den Patentämtern. Neue Ideen allein, auch wenn sie noch so gut sind, können Hersteller kaum noch stimulieren. Wenn aber wirklich einmal etwas Neues auf den Markt kommt, kann man auch sicher sein, daß es in kurzer Zeit von mehreren Herstellern angeboten wird. Der Erfinderschutz - ursprünglich als wirksame Maßnahme für die Rechte des Erfinders gedacht - funktioniert heute meist nur noch als Tauschobjekt zwischen Geschäftspartnern vergleichbarer Größenordnung oder zum Zweck der Verbreitungssperre einer Erfindung. Das geschieht viel öfter als man denkt, wenn eine Erfindung angemeldet, bezahlt und in der Schublade "vergessen" wird. So kann der technische Fortschritt wirksam unter Kontrolle, d. h. in Zaum gehalten werden. Doch zurück zu den Marktlücken. Sie hängen oft genug mit der gerade geschilderten Problematik zusammen. Nachfolgend eine mehr oder weniger willkürliche Auswahl von Beispielen, die uns in Form von Geräten sehr wohl die Arbeit erleichtern könnten. Jedermann kennt das leidige Problem des "Poppens" von unverglasten Diapositiven beim Projizieren. Das Verglasen von Kleinbilddias ist heute keine zumutbare Alternative mehr. Die bekannten Lösungen Verkleinerung des Brennfleckes, Reduzierung des Öffnungsverhätnisses, Fokusautomatik - packen das Problem nicht an der Wurzel. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Ursachen dieser störenden Erscheinung zu beseitigen: durch elastisches Einspannen der Diapositive in den Rahmen oder durch eine Flachrahmung, die ein automatisches Einspannen des Bildes zwischen Glasflächen beim Projizieren möglich machen. Wer immer Dia-Direkt-Vergrößerungen anfertigt, kennt die oft sehr störende Gradationsaufsteilung bei diesem Verfahren, die sich insbesondere bei Porträt- und Menschenaufnahmen unangenehm bemerkbar macht. Ich habe noch keine überzeugende Porträtaufnahme nach diesen Verfahren gesehen, es sei denn, daß künstliche Eingriffe in den Bildaufbau vorgenommen wurden. Das geht bei kontinuierlichen Hell-Dunkei-Übergängen eigentlich nur mit einer Ultrakurzzeit-Vorbelichtung. Dazu benötigt man ein kleines Blitzgerät mit Thyristorabregelung mit eingebautem Filterrevolver in den 3 Grundfarben bei ausreichenden Filterdichten (bis zu mehreren hundert densitometrischen Dichten). Für die Selbstverarbeitung von Farbbildern im Hobbylabor und den kleinen Profibetrieb gibt es immer noch keine universell einsetzbare Entwicklungsmaschine, mit der man automatisch Farbbilder sowohl vom Negativ als auch vom Diapositiv verarbeiten kann. Wer mit beiden Verfahren umgeht, muß entweder einen der bekannten und in ihren Spitzenprodukten sehr ausgereiften Trommelprozessoren benutzen und damit ein ständiges Manipulieren oder eine komplizierte und teuere Mechanik in Kauf nehmen oder aber eine Durchlaufschiene vom Typ Durst RCP benutzen, die allerdings nur für Positivprozesse einsetzbar ist. Erst die großen professionellen Entwicklungsmaschinen lassen sich universell verwenden. Wenn man an Stelle einer drehbaren eine feste Trommel einsetzt und in dieser eine Sprühvorrichtung rotieren läßt, erzielt man den gleichen Effekt bei leicht anzubringenden Festanschlüssen für Zu- und Ablauf von Chemikalien und Wasser. Außerdem lassen sich diese Anschlüsse mit einer individuell einstellbaren Programmautomatik kombinieren. In dieser Richtung ist inzwischen ein erster Durchbruch erfolgt. Perfektionierung und Diversifizierung der Belichtungsautomatiksysteme bei den SLR-Kameras sind wohl kaum noch weiter zu steigern. Mit den soviel hervorgehobenen Vorteilen der Mehrfachautomatiken kann man die Belichtung grundsätzlich auch nicht feiner steuern als mit einem soliden Nachführzeigersystem. Wichtiger als dieser Schnickschnack wäre beispielsweise eine wahlweise selektive oder Punktmessung, deren Meßwerte per Knopfdruck gespeichert werden können, so daß der Kontrastumfang eines Motives auf Anhieb festgestellt werden kann. Zusätzlich wäre eine automatische Mittel- und Drittelwertbildung der eingespeisten Meßwerte vorteilhaft, um optimale Belichtung bei Negativen und Diapositiven und hohen Objektumfängen automatisch zu ermöglichen. Vergleichbare Lösungen gibt es ja schon bei Spotbelichtungsmessern der Spitzenklasse. Warum hat man bei den SLR-Kameras der gehobenen Preisklasse keinen kontinuierlich veränderbaren Dioptrienausgleich bei den Suchereinblicken? Eine Kamera wird doch nicht immer nur von einer Person benutzt. Aus der Hand gegeben, steht der Partner mit einer anderen Sehleistung ziemlich hilflos da. Elektronische Verschlüsse sind gut, wenn die Batterien intakt sind und auch sonst keine Defekte auftreten. Es ist ein Segen, daß einige Spitzenkameras wieder zu mechanischen Verschlüssen zurückfinden, zumindest für den Bereich der wichtigsten Kurzzeiten. Es wäre an der Zeit, daß diese Beispiele Schule machten. Wer die Vorteile präziser Meßsucher-Systemkameras zu schätzen weiß, muß bei seiner alten Leica M bleiben oder sie am Gebrauchtmarkt zu horrend teuren Preisen erstehen. Ich sehe keinen Grund, warum das von Leitz schon vor 40 Jahren eingeführte duale Prinzip Meßsucherkamera mit ansetzbarem Spiegelkasten nicht in einer neuen, dem Stand der Technik entsprechenden Variante wieder aktuell werden sollte. Bei den heutigen Möglichkeiten sind hier der Phantasie nahezu keine Grenzen mehr gesetzt Hans Bortsch in Color Foto 12/1982 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}