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Spezialreport
Wohin mit den Porno-Negativen?
Zwischen Kunst und purer Ferkelei ist die Fotografie Mittel zum Zweck, wenn das Thema Pornografie heißt. Unser Amerika-Korrespondent Ed Hirsch befragte Großlabors zu diesen Auftragsarbeiten, die manches Mal auch hartgesottene Laboranten im Dunkeln ihres Farblabors den Appetit verderben.
Daß die Ausarbeitung der "Schlafstubenknipserei" in den Schoß der großen Bilderfabriken fällt, ist fast zwangsläufig. Dort aber sitzen junge Mädchen und Frauen an den Printern und trotz allgemeiner Aufgeschlossenheit erotischen Themen gegenüber fühlen sich doch allerlei Sittenwächter aufgerufen, über das Seelenwohl eben dieser Printerinnen Tugendwache zu halten und haben deshalb Gesetze geschaffen, mit denen zwar auch keine Tugend mehr geschaffen wohl aber den Bilderfabriken großer legaler Arger bereitet werden kann. Besonders bei Begriffen wie "Tugend" und "Moral", die sich sowieso einer sachlichen Bemessung entziehen und ganz den jeweiligen Zeitströmungen und gesellschaftlichen Interpretationen unterliegen, hält sich der Gesetzgeber lieber an die Stellen, die er mit rechtlicher Drohung und Erpressung zum moralischen Aufpassertum zwingen kann. Und das sind die Bilderfabriken. Denen drohen nun diverse Strafen, wenn der Gesetzgeber sie bei der "Verbreitung" pornografischer Bilder ertappt. Dieses Dilemma ist weder lokal noch national begrenzt und so dürfte es interessant sein, wie verschiedene Verarbeiter hier in den USA dem begegnen. Es ist noch sehr einfach, gewisse Richtlinien aufzustellen: "Wir verarbeiten keine pornografischen Filme".
Wer Weiß, ob's Porno ist?
In der Praxis sieht es schon anders aus. Der Kundenfilm kommt herein und niemand weiß, ob Pornografie im Spiel ist. Frühestens beim Betrachten der Negative am Printer wird es evident. Dort aber sitzen ja die jungen Mädchen und Frauen, um deren Tugenderhaltung es dem Gesetzgeber scheinbar so sehr geht. Sollen also diese Printerinnen sich selbst vor moralischer Korrosion schützen, indem sie besonders auf das Auftauchen etwaiger schweinischer Negative achten, um sofort schamhaft ihre Blicke zu senken und dann Moralalarm zu schlagen? Es wäre dem Gesetzgeber sicher recht, wenn der Bilderfabrikant einen Moralwächter zur Negativinspektion zwischen Filmentwicklungstrockenschrank und Printerkabine postieren würde. Spätestens an dieser Stelle wird aus dem moralischen Thema ein kommerzielles Problem, denn dieser zusätzliche Arbeits(?!)-platz (Vergnügungssteuer?) muß ja bezahlt werden. Es bleibt also alles beim alten, die Printerinnen wachen über ihre eigene Moral, drücken je nach persönlicher Neigung schnell mal auf den Printerknopf, um ihre Privatsammlung erotischer Exotika aufzustocken oder sie lösen entrüstet den Moralalarm aus und der Kunde bekommt seine Pornonegative ungeprintert zurück.
Und schon wieder drückt sich die Moralwacht am Negativ im kommerziellen Negativum aus: Kein Geschäft mit den Prints. Dem Kunden wird mit seinen ungeprinteten Negativen auch noch eine gehörige Portion Beklommenheit zurückgereicht. Nun kann der Kunde sehen, wo er sich seine Schweinereien vergrößern läßt. Im Zweifelsfalle jedoch bei einem anderen Finisher. Kann man es da einem Bilderfabrikanten überhaupt zumuten, sich auf dieses kitzlige Thema einzulassen?
Ich befragte Tom Dotschay, 39, Mitinhaber von Sunset Photo, Inc. in Miami, Florida: "Ungefähr fünf Prozent unserer Umsätze entfallen auf Prints, die irgendwelche erotischen Darstellungen zum Inhalt haben. Regelrechte Schweinereien geben wir ungeprintet zurück. Die Interpretation zwischen den Begriffen ist unsere eigene. Die Zeiten wandeln sich: was vor einigen Jahren noch als anstößig empfunden wurde, ist heute bereits akzeptabel, wo wollen Sie da feste Grenzen ziehen?
Und wer erfüllt Ihren Wunsch nach Beratung?
Interessant ist auch das Kundenverhalten. Unsere Kunden, ca. 300 pro Tag, alles "over-the-counter" Direktverbraucher, sehen sich ihre Fotoarbeiten beim Abholen genau an. Da kommt es auch schon öfter vor, daß junge, gutaussehende Damen sich beraten lassen, ganz sachlich, ganz cool, was sie besser machen können bei den Aufnahmen - nur eben, daß es sich um Bilder vom Geschlechtsverkehr, um Fotos vom zärtlichen Rencontre mit einem Sexpartner handelt. Anfangs nahm ich an, daß sich diese Kundinnen lieber von meinen weiblichen Angestellten bedienen lassen würden. Aber wir haben bald bemerkt, daß diese emanzipierten Kundinnen sich doch lieber von einem Mann beraten lassen.
Dabei sehen ihn diese Damen mit dergleichen neutralen Distanz, wie vielleicht ihren Arzt. Können wir solchen Kunden unsere Dienste versagen? Für diese Kunden sind wir Vertrauensperson in der Intimsphäre und wir wissen dieses Vertrauen zu wahren und zu schätzen. Und schließlich, nachdem die Prints im Arbeitsbeutel und in der Tasche des Kunden aus meinem Geschäft herausgehen, sind sie ja auch wieder in der privaten Obhut des Kunden. Der Kreis ist geschlossen und die Sache bleibt privat. Und meine Printdamen sind keine dummen Gänse mehr, die wegen ein paar gewagten Fotos von Liebesszenen aus dem seelischen Gleichgewicht geraten. Und damit die fraglichen Fotos auch während der Verarbeitung nicht frei zu sehen sind, habe ich eine Abdeckrolle am Ende meiner Papierentwicklungsmaschine, die die Bilder diskret bis zum Arbeitsbeutel vor neugierigen Blicken schützt.
Wie steht es mit "Pornos im Labor" in Deutschland?
Hierzulande ist Pornografie frei, d. h. nur der Vertrieb an Minderjährige ist verboten.
Für die Fotolabore heißt dies, es darf alles gemacht werden. Wie ich mir von Mitarbeiterinnen zweier Münchner Fotolabors versichern ließ, werden auch tatsächlich Unmengen nackter Tatsachen kopiert. Abgesehen von großen Mengen meist sommerlicher FKK-Fotos, gibt es auch einen gewissen Prozentsatz Sexfotos, die oft mehr zeigen als den (ehelichen) Geschlechtsverkehr.
Wie wohl bekannt, steht in der Bundesrepublik die "Unzucht mit Minderjährigen", die "Unzucht mit Tieren" und "sexuelle Gewalttätigkeit" unter Strafe.
Sind solche Straftatbestände auf Fotos zu sehen, besteht für das Fotolabor die Pflicht zur Anzeige. So wurde neulich die sexuelle Mißhandlung einer jungen Frau durch Rocker in einem Münchner Freizeitheim nur durch die Anzeige eines Fotolabors aufgedeckt.
Natürlich gibt es auch Zweifelsfälle, z. B. wenn Pornomodelle jünger aussehen als sie sind. Ein gutes Labor wird in solchen Fällen, um sich und dem Kunden Arger mit der Justiz zu ersparen, zur Absicherung eine persönliche Rücksprache anstreben.
Alles in allem ist hierzulande dem Hobbypornografen also nichts in den Weg gelegt. Weder ist er auf mehr oder weniger schlechte Polaroidbilder, noch auf das in Fotozeitschriften inserierende "Diskrete Labor für ihre intimen Fotos" angewiesen. Allerdings ist auf dem Lande oder in der Kleinstadt, durchaus Indiskretion zu befürchten, denn der Auftrag läuft ja hierzulande über den Fotohändler und nicht direkt zum Endkunden.
Ed Hirsch in Color Foto 10/1983
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