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Reflextechnik
BELICHTUNGSWERT
EV = Einstellverwirrung?
Eigentlich heißt EV "Exposure Value", zu deutsch "Belichtungswert". Tatsächlich begegnet man dem EV heute fast nur in Angaben über Belichtungsmeßgrenzen einer Kamera. Etwa als "EV 1 bis EV 18 bei 100 ASA". Nun reagieren aber Lichtmeßgeräte, darunter auch Belichtungsmesser, auf Leuchtdichten, die der Physiker heutzutage mit cd/m2 (Candela pro Quadratmeter; "candle" engl. = Kerze) mißt. Das klingt etwas nach einer von einer Kerze beleuchteten Fläche. Viel weiter bringt uns das nicht, denn wer leuchtet heute schon seine Aufnahmen mit Kerzenlicht aus. Für die Praxis will man also einen Wert, der einer bestimmten Belichtung entspricht. Wie hängt nun der EV oder Belichtungswert damit zusammen?
Wer sich heute auf im Sucher gesehene Leuchtdiodensignale einer Automatikkamera verläßt, kann sich kaum die Komplikationen der Belichtungsrechnung vor 30 Jahren vorstellen, als der Fotograf einen Meßwert (meist eines Handbelichtungsmessers) in Blenden und Verschlußzeiten umzurechnen hatte. Wollte er für größere oder kleinere Schärfentiefe eine andere Blende, mußte er neu rechnen oder mindestens Einstellintervalle (die auch nicht immer gleich waren) an den Fingern nachzählen. Damals kam man auf den Gedanken, unterschiedlichen Blenden und Zeiten leicht summierbare Werte zuzuordnen, so daß Blenden-/Zeitenkombinationen gleicher effektiver Belichtung stets auch einen gleichen Summenwert hatten. Mathematisch sah das so aus: Bv + Zv = EV.
Bv sind hier Blendenwerte (aber nicht die bekannten Blendenzahlen), Zv sind Zeitenwerte (auch wieder nicht die Zeiten selbst) und EV ist etwas, was damals Lichtwert hieß, aber inzwischen auf Belichtungswert und im englischen auf "Exposure Value" umgetauft wurde. Bleiben wir nun beim EV, denn so nennen es auch die Japaner, die heute in der Welt die meisten Spiegelreflexkameras bauen. Die Bv-, Zv- und EV-Werte sind logarithmische Werte zur Basis 2, was im Klartext bedeutet, daß ein Wertunterschied von 1 jeweils eine Verdopplung oder Halbierung der Belichtungszeit oder effektiven Blende entspricht. Blendenzahl 2 ist dabei auch Bv = 2. Daraus ergibt sich Blende 2,8 = Bv 3, Blende 4 = Bv 4, Blende 5,6 = Bv 5 usw. Bei der Zeit kann man sich merken, daß 1 Sekunde = Zv 0. Daraus folgt 1/2 = ZV 1, 1/4 S = Zv 2 usw. Stellt man das zusammen, so kann man beweisen, daß z. B. die Summe der Bv- und Zv-Werte von 1/15 s bei Blende 11, von 1/125 S mit Blende 4 oder 1/4 S mit Blende 22 jeweils einen EV von 11 ergaben, also eine gleiche Belichtung.
Dieses Rechnen blieb glücklicherweise den Fotografen der 50er Jahre erspart, denn die deutschen Verschlußfabrikanten Compur und Prontor kamen auf den glücklichen Gedanken, ihre Verschlüsse mit EV-Skalen (damals: "Lichtwert-Skalen") zu versehen und dazu noch die Blenden- und Zeiteinstellungen zu kuppeln. Der Besitzer brauchte also nur noch einen EV einstellen und konnte dann nach Belieben Zeit oder Blende ändern, während sich der Gegenwert immer automatisch anpaßte. Daß diese sogenannten Lichtwertverschlüsse binnen 10 Jahren praktisch wieder verschwanden, beruhte darauf, daß die Belichtungswertskala mit dem Erscheinen von Kameras mit gekuppelten Belichtungsmessern (und erst recht mit Belichtungsautomatik) überflüssig wurde. (In einigen Sonderfällen gibt es sie noch - z. B. in der Hasselblad.)
EV als Lichtmeßgröße
Sozusagen als Erbe dieser Entwicklung blieb aber der Begriff des EV als universelle Belichtungsangabe. Anstatt zu sagen, daß eine Lichtmessung einer Belichtung von 1/250 S bei Blende 5,6 entspricht (und noch hinzuzusetzen, daß es auch 1/1000 s bei Blende 2,8 oder 1/30 S bei Blende 16 sein könnte), gibt man einfach EV 13 an. Nun hängt aber die für gegebene Verhältnisse erforderliche Belichtung von der Leuchtdichte und auch von der Filmempfindlichkeit ab. Diese beiden lassen sich nun ebenfalls in einem einfachen Summenverhältnis darstellen:
IV + Fv = EV
dabei ist EV wieder der gleiche EV der Blenden- und Zeitwertsummierung. Als Bezugswerte kann man wieder 12 ASA = Fv 0 und 1 cd/m2 = Iv 0 festsetzen; die übrigen Werte verdoppeln sich bzw. halbieren sich dann in der schon bekannten Weise. Das ganze ist in der nebenstehenden Tabelle zusammengestellt.
Damit sind wir nun bei den Angaben der Meßbereiche für Automatikkameras bzw. deren Belichtungsmessern angelangt - z. B. Bereich EV1 bis EV18 bei 100 ASA. Das heißt nämlich, daß man EV 1 bzw. EV 18 erhält, wenn man den Fv der Filmempfindlichkeit 100 ASA (Fv 3) zum Iv der entsprechenden Leuchtdichte zuzählt. Will man also wissen, welche Leuchtdichten der Belichtungsmesser mißt, muß man diese arithmetische Verrenkung umdrehen: Vom EV wird 3 (Fv von 100 ASA) abgezogen. Damit erhält man Iv -2 bis Iv 15. In der obigen Tabelle kann man direkt die Leuchtdichten aufsuchen (also 0,25 bis 32 000 cd/m2). Davon ist also die Rede bei Meßangaben. Sie lassen sich auch direkt in Belichtungskombinationen umrechnen, wobei meistens die größte Blende für den untersten Wert zugrunde gelegt wird - z. B. EV 1 = 1 s bei Blende 1,4. Die Blendenangabe ist auch schon deshalb wichtig, weil die untere Meßgrenze (bei Kameras mit TTL- bzw. Innenmessung) mit lichtschwächeren Objektiven auch in die Höhe geht - die interne Meßzelle erhält weniger Licht. Wichtig ist ferner, daß EV nur dann einer Leuchtdichte bzw. einem (buchstäblichen) Lichtwert zugeordnet werden kann, wenn auch die Filmempfindlichkeit mit angegeben ist. Die Zv-, Bv-, Fv- und Iv-Werte, die paarweise einen EV ausmachen, müssen nicht unbedingt in der herkömmlichen Weise gepaart bleiben. Kombiniert man aber einen Zeitwert Zv mit einem Filmwert Fv, so muß der Unterschied dieser beiden dem Unterschied zwischen Iv und Bv entsprechen. Praktisch gilt das z. B. bei Blitzaufnahmen, wenn man von einer Kombination von Blende und Filmempfindlichkeit ausgeht. Z. B. hat man bei Blende 5,6 und 100 ASA einen Unterschied von Bv - 5 und Fv = 3, also einen Differenzwert 2. Für eine : richtige Belichtung muß dann der , Unterschied zwischen Iv und Zv ebenfalls 2 betragen. Bei einer Leuchtdichte von ca. 33 000 cd/m2 (durchaus wirklichkeitsnah bei einem Gruppenbild, das mit einem durchschnittlichen Blitz ausgeleuchtet wird), so kommt man von Iv - Zv = 2 auf einen erforderlichen Zv = 13, was einer Belichtungszeit (Blitzdauer) von ca. 1/8000 S entspricht. Glücklicherweise erledigt aber der Computerblitz die Messung der Leuchtdichte und die Steuerung der Blitzdauer.
Zum Schluß noch eine schnelle Faustregel zur Ermittlung einer filmempfindlichkeitsunabhängigen Meßgrenze bzw. Meßangabe eines Belichtungsmessers ausgehend von einer bekannten EV bei 100 ASA: Von dieser EV-Zahl zieht man 3 ab und setzt das Resultat als eine Potenz von 2 ein, was sich am leichtesten an einem Taschenrechner mit Potenzfunktion ausrechnen läßt.
Beispiel: Was ist die Leuchtdichte für EV 7 bei 100 ASA? Antwort: EV 7-3 = 4. Dann 24 = 16 cd/m2. Ähnlich mit negativen EV-Zahlen: Meßempfindlichkeit EV0 (100 ASA) wird zu 2 3 = 0,125 cd/m2.
Praktisch ist die Angabe von Lichtmeßwerten (EV), wenn man gleich auf reelle Belichtungskombinationen schließen will. Aber für den rein zahlenmäßigen Leistungsvergleich ist die Leuchtdichte eindeutiger.
L. Andrew Mannheim in Color Foto 12/1983
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