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Hasselblad
Schwedens harte Nuß: Wo bleibt Hasselblad?
Im Mittelformatmarkt tut sich in letzter Zeit einiges. Um so neugieriger war die Fachwelt, als die altehrwürdige Firma Hasselblad eine Pressekonferenz in Göteborg ansagte. Die Erwartungen und das Ergebnis dieser Reise hier als Kommentar.
Daß sich elektronische Steuerungen in Kleinbildkameras durchgesetzt haben, ist Schnee von gestern. Daß Profis konservativ sind, ist ebenfalls bekannt, aber auch bei ihnen ist eine gewisse Elektronik-Freundlichkeit festzustellen, zögernd noch, aber die totale Interesselosigkeit von vorgestern ist vorbei, und selbst hartgesottene Handarbeiter wünschen sich plötzlich "wenigstens eine Blitz-TTL-Messung". Der erste Schritt zur Elektronik!
Die Industrie hat ihn auch im Mittelformat schon längst getan: Allen voran die Japaner. Seit einiger Zeit hat man auch bei Rollei gemerkt, wohin der Hase läuft. Weiß man's bei Hasselblad auch? Gewisse schüchterne Versuche in dieser Richtung erwecken Neugier, und so fliegt man halt mal nach Göteborg und hat irgendwo im Hinterkopf den deutschen Begriff vom "alten Schweden", und schließlich ist die Garbo noch älter als "die Hasselblad".
Steht man vor dem Gebäude der Firma Hasselblad, weht einem etwas vom alten Hanseatengeist entgegen und man zweifelt nicht daran, daß hier schon vor rund 140 Jahren Kameras gebaut worden sind, von einem Herrn Hasselblad. Der letzte Besitzer, Dr. Victor Hasselblad, blieb dabei, aber vor ein paar Jahren mochte er nicht mehr. War es ihm zu langweilig, immer die gleiche Kamera zu bauen oder ärgerte ihn die schwedische Politik zu sehr? Er zog sich aus dem Geschäft zurück und hinterließ - wie alle großen und starken Männer! - einige Lücken in den Schubladen und auf den Reißbrettern.
Der Name allein garantiert kein Überleben
Das spürte man weltweit: man brauchte die Hasselblad, konnte ohne sie nicht leben, aber es gab keine große Liebe mehr bei den Käufern, und schon gar keinen Enthusiasmus. Es sah so aus, als würde man in Göteborg von Nachlieferungen leben: Gehäuse für die zigtausend Objektive in aller Welt. Einige Versuche, neue Kameras nachzuschieben, brachten nicht viel Auftrieb. Das größte Kapital war und blieb der Name und das Ansehen, das diese alte Kamera nahezu unsterblich macht.
Unsterblichkeit aber ist zu wenig in einer industrialisierten Zeit, besonders wenn die Konkurrenz von ständigen "Innovationen" lebt. Zenza Bronica und auch Rollei, zeigen mehr Mut zur Neuzeit, und es kann nicht einmal in Göteborg verborgen geblieben sein, daß manche Hasselblad-Fotografen beginnen, mit den Braunschweigern fremdzugehen.
Fragt man aber die Firmenleitung nach moderner Elektronik in einer neuen Hasselblad, etwa gar zur kommenden photokina, spürt man Ablehnung oder höchstens widerwillige Zugeständnisse, deren eines die - für Göteborg! - sensationelle Tatsache ist, daß es eine Hasselblad mit der SCA-TTL-Blitzmessung geben wird, die praktisch von jedem deutschen Blitzgerätehersteller vertrieben wird. Um diese tolle Neuerung zu würdigen, heißt die betreffende Kamera dann nicht mehr "XLM", sondern "ELX". Und sonst? Ja, es wird auch möglich sein, den Filmtransportknopf abzunehmen und durch einen Motor zu ersetzen. Er ist bestimmt das Häßlichste, was ich bisher von Hasselblad gesehen habe, und auf meine - doch ziemlich berechtigte - Frage, wie man nun auslöse . . ., na, jedenfalls nach wie vor an der Kamera.
Eine Kamera der neunziger Jahre?
Hat jemand alle Räume bis obenhin voll Ware, macht sich das in der Bilanz nicht besonders dekorativ. Wie gut ist es da, diese Lager zu räumen und sie weltweit auf alle Niederlassungen zu verteilen, die werden das schon irgendwie verkaufen. Jedenfalls steht man selber fein da, fein genug, um neue Aktien unter das Volk zu streuen. Sie, lieber Leser und Hasselblad-Fan, können nun Aktionär und Mitbesitzer werden: Hasselblad braucht Geld!
Wir sitzen in dem wundervollen, holzvertäfelten Raum des Hasselblad-Präsidenten, und ganz zum Schluß dieses Gesprächs kommt ein Satz, so ganz nebenbei gesprochen, der wichtiger ist als alles, was es vorher zu sagen und zu sehen gab: "Wir haben fünfzehn Diplomingenieure, Fachrichtung Elektronik, eingestellt".
Natürlich, die kosten Geld. Und ich kann es einfach nicht lassen, ich fange an zu rechnen: vier Jahre für die Entwicklung einer neuen, elektronischen Kamera, zwei Jahre bis sie keine Macken mehr hat; das wäre dann zur photokina 1990. Nun, auch dann wird man noch gelegentlich fotografieren, und man wünscht Hasselblad nichts so sehr, als daß es keine taube Nuß sein möge, an der man da knackt.
Und wenn man wieder einmal von Bayern nach Schweden, von München nach Göteborg fliegt, erwartet der Fachjournalist mehr als den köstlichen schwedischen Fisch und die großartigen Windjammer vor den Fenstern von Hasselblad.
Alexander Borell in Color Foto 10/1984
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