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Thema des Monats Luftbildfotografie Luxus für Jedermann Gehen Sie mal in die Luft. ja, das ist wörtlich gemeint: chartern Sie sich eine kleine Maschine und entdecken Sie Ihr Urlaubsdomiziel oder Ihren Heimatort aus der dritten Dimension. Denn entgegen weitverbreiteter Vorurteile muß die Luftbildfotografie auch für Hobbyfotografen heute kein Luxus mehr sein. Welcher Reisende hat im Verkehrsflugzeug nicht schon geflucht, daß er das Fenster nicht einfach aufklappen kann, um die schneebedeckten Alpen oder die kalkweißen Kykladen in der türkisblauen Ägäis senkrecht von oben zu fotografieren? Wer hätte den Piloten nicht am liebsten gebeten, ein paar hundert Meter tiefer zu gehen oder nochmals eine bestimmte Schleife zu fliegen? Der Wissenschaftsjournalist Georg Gerster erfüllte sich diesen Traum: "Da ich nie die richtigen Illustrationen für meine Artikel auftreiben konnte, machte ich meine Bilder kurzerhand selbst. Durch ständiges Probieren lernte ich schnell. Das war vor 20 Jahren. Heute ist der 57jährige Schweizer ein anerkannter Luftbildfotograf, dessen Arbeiten regelmäßig in Geo, National Geographic und auch in zahlreichen eigenen Büchern publiziert werden. Sein exklusives Archiv, jedes neue Foto hat einen Wer von rund 10.000 Mark, verwaltet Gerster am liebsten selber; in Deutschland wird er von der Agentur Anne Hamann vertreten. Was den Luftbildkünstler und Hobbyarchäologen immer wieder aufs Neue herausfordert sind ebenso die vielfältigen geologischen Formationen in der Natur wie die von Menschenhand geschaffenen Kulturen. Gerster verwandelt Wald und Wiesenlandschaften in abstrakte Ordnungsmuster, gerade gepflügte Acker in eine moderne Grafik oder das Gerümpel eines Autofriedhofes zu einem ästhetischen Farbenspiel. Um zu solchen unverwechselbaren Kunstwerken zu kommen, ist luftfotografisches Know-how unabdingbar. Grundsätzlich fliegt Georg Gerster nie selbst. Aus Sicherheitsgründen engagiert er möglichst erfahrene und landeskundige Piloten und konzentriert seine Aufmerksamkeit voll auf die Motive. Um schnell reagieren zu können, hat der Schweizer bei jedem Ausflug zehn Nikons, bestückt mit verschiedenen Objektiven und Filmen, parat liegen. Allein schon von der Menge der Kameras her, verbietet es sich für ihn aus Kosten- und Gewichtsgründen mit Mittelformat zu arbeiten. Die Handlichkeit überzeugte den Vollprofi vom Kleinbildformat, die Nachbarschaft zu einem Schweizer Reparaturservice von der Marke. Gersters Verschleiß an Kameras ist nämlich groß, der Verlust übrigens auch: "Vom Winde verweht wurden ein Gehäuse über der Sahara, ein Belichtungsmesser über dem Barriere Riff, ein Weitwinkel über dem Kap der Guten Hoffnung." Flugminuten sind kostbar. Da ist es günstiger, eine filmbestückte Kamera zu schnappen als ein Stück Zelluloid in die Spule zu friemeln. Des hohen Auflösungsvermögen wegen bevoruzugt Gerster den Kodachrome 25, gelegentlich den 64er. Bestückt sind seine Kameras auch mit verschiedenen Brennweiten. Zum Standardequipment gehören Teleobjektive von 85 bis 180 mm. Wind und Vibration verbieten noch längere "Tüten". Wegen der großen Verwacklungsgefahr pendeln sich die Verschlußzeiten zwischen 1/500 und 1/1000 Sek. ein. Extreme Weitwinkel setzt der Ästhet Gerster ungern ein, denn dann zerstören Flügelspitzen und Streben die Bildwirkung. Unverzichtbar sind Motoren oder Winder in der Lufbildfotografie. Dazu der Spezialist: "Ein Motiv muß in Sekundenschnelle aufgezeichnet werden, schließlich kann ich nicht einfach am nächsten Tag wiederkommen!" Gerster arbeitet mit manueller Einstellung: "Automatische Kameras bringen nur Fehlbelichtungen." Filter lehnt er auch ab, denn "sie richten gegen den Hauptfeind Dunst" nichts aus". Nützlich dagegen sind Klebeband, Seidenfingerhandschuhe, eine Gesichtsmaske und ein Kreuzschraubenzieher. Das Werkzeug hilft die Seitenfenster der Maschinen öffnen, das Band klebt selbiges fest. Außerdem fixiert es die Objektive in Unendlich-Stellung sinnvoll, da die Flughöhe immer über 300 Meter liegt. Die vermeintliche Tarnung dient als Kälteschutz. Gersters Erfahrungsschatz, den er in über 2000 Flugstunden zusammengetragen hat, ist unbezahlbar. Doch seine Kameraausrüstung und die fototechnischen Grundlagen sind für jeden Hobbyfotografen nachvollziehbar - sei es im Urlaub oder zu Hause. Zwei manuell einstellbare Bodies mit Motor bzw. Winder und Teleobjektive sind die materiellen Voraussetzungen, Neugierde, schnelles Reaktionsvermögen und ein geschultes Auge die ideellen. Fotoflüge für Freizeitfotografen Wie sieht es mit Fluggelegenheiten aus? Von Kiel bis Kempten gibt es über 500 private Flugplätze, auf denen sich rund 1200 Vereine tummeln. Unter dem Stichwort - Flugschulen im Branchenbuch werden häufig Fotoflüge offeriert. Generell gilt, daß sich Flugschulen, die Maschinen mit Piloten verchartern, sich gerne in der Nähe von größeren Flughäfen ansiedeln. Gegenüber Privatflugunternehmen sind die sogenannten Ein-Mann-Betriebe wesentlich preiswerter. Da letztere nur am Wochenende oder nach Vereinbarung arbeiten, können sie knapper kalkulieren. Systematisch nach Adressen fahnden kann man im Reuss-Handbuch, das auf allen Landeplätzen und in der Niederlassungen des Deutschen Aero Clubs ausliegt. Die Charterunternehmen in dieser Tabelle stammen aus der "Flieger-Bibel". Ein Hochdecker muß es sein Der Preis für eine Maschine, für viele die Gretchenfrage, hängt vom Typ ab: Am ruhigsten durch die Lüfte gleiten Segelflieger. Aber sie sind nur begrenzt steuerbar. Flugenthusiasten schonen den Geldbeutel, müssen sich jedoch mit Schnappschüssen zufriedengeben. Hubschrauber sind ideal: sie können jederzeit und überall in der Luft stehenbleiben. Doch ein Tausender pro Flugstunde läßt wohl auch den großzügigsten Privatmann erblassen. Realistisch für den Amateurflieger ist die Fläche, wie der Jargon alle Motormaschinen mit Tragflächen nennt. Für Fotoflüge, und darauf sollte jeder Flugaspirant achten, eignen sich ausschließlich Hochdecker. Alleinfliegende Fotofans sind mit zweisitzigen Typen, wie die Cessna 150 und die etwas luxuriösere Schwester 152, mit ihrem Tempo von 120 km/h bestens bedient. Bei beiden Modellen ist das linke Seitenfenster hochklappbar, was Spiegelungen im Fenster vermeidet, und manchmal sogar die Tür aushängbar. Bei der Wahl des Flugzeugtyps und beim Preisvergleich ist gründliche Information angesagt. denn die Angebote schwanken ganz enorm. In touristisch attraktiven Gebieten werden Rundflüge angeboten, deren Kosten mit 30 Mark für 10 Minuten und jede Person beginnen. Zum Fotografieren sind jedoch individuelle Arrangements günstiger. Für einen Zweisitzer muß man pro Stunde einen Hunderter "naß" (ohne Landegebühr und Mehrwertsteuer) hinblättern. Der Pilot kostet um die 50 Mark extra. Abgerechnet wird nach tatsächlich geflogenen Minuten. Vorheriges Anmelden ist in der Regel bei größeren Flugunternehmen nicht nötig, wohl aber ratsam wegen des Wetters. Ein Riesenproblem ist die sich ständig verschlechternde Luftverschmutzung. Ein bißchen Glück kann der Fotograf haben, wenn er direkt nach einer Kaltregenfront in die Lüfte steigt, denn durch den Niederschlag wird die Atmosphäre kurzfristig gereinigt. Die Flugschulen und Piloten sind über die aktuellen Wetterlagen informiert. Außerdem geben der Segelwetterdienst im Radio und die Wetterkarte in der Tagespresse dem Hobbyfotografen Auskunft. Über den Sinn einer Luftbildgenehmigung Jetzt gibt es nur noch eine Hürde, bevor der kamerabestückte Passagier in die Luft gehen kann: er braucht eine Luftbildgenehmigung. Ohne diese "Genehmigung", meldet der Piloten- und Flugplatzeigner Zusammenschluß AOPA, "wird kein Fotograf mitgenommen." Obwohl manche Piloten ein Auge zudrücken, sollte der Fotofan keine Strafe riskieren. Zwei Wochen vor dem geplanten Start sollte jeder Luftfotograf einen formlosen Antrag an die zuständige Luftbehörde in seinem Bundesland (siehe Liste) richten. Dieser "Antrag auf Erteilung der besonderen Erlaubnis" muß Namen, Wohnsitz, Beruf und Staatsangehörigkeit, die mit einer Kopie der Bildseite im Personalausweis belegt wird, enthalten. Außerdem müssen das geplante Gebiet und der vorgesehene Zeitraum genannt werden. Die Regelungen werden in jedem Bundesland individuell gehandhabt. Im (diesbezüglich) kulanten Bayern ist die Genehmigung für ein Gebiet wie Oberbayern und ein Wochenende ab 15 Mark zu haben. 25 Mark muß man aufwenden, wenn die Erlaubnis zwei Wochen gelten soll. Die Summen staffeln sich bis zum Maximum von 150 DM fürs ganze Jahr bundesweit. Daß dies eine Farce ist, darüber sind sich alle einig "Das Ziel, militärische Anlagen vor Spionage zu schützen, ist im Satellitenzeitalter Unsinn". Trotzdem müssen die Bilder, laut deutschem Luftrecht bevor sie einem Dritten zugänglich gemacht werden, freigegeben werden. Falls Sperrgebiete drauf sein sollten, werden die Fotos eingezogen, sonst gegen eine minimale Gebühr (ca. 10 Mark für 10 Bilder) mit einer Freigabenummer versehen. Wie ertappte Schwarzbildfotografen bestraft werden, liegt im Ermessensspielraum der Behörden: von der telefonischen Verwarnung bis zur Geldbuße von 500 Mark bei wiederholter Vorsätzlichkeit. Auf solche Regelungen muß der Urlauber im Ausland übrigens auch achten. Völlig ohne bürokratischen Ballast läßt sich aus Verkehrsmaschinen fotografieren. Wenn man vor den Tragflächen sitzt (wegen der Hitze durch die Triebwerksabgase) und auf saubere Scheiben achtet, sind die Bilder brauchbar. Petra Dietzel in Color Foto 7/1985 {ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}