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Fotopraxis
Die Formatfrage
Von Minox bis Großbild
Die meisten Fotografen auf der Welt - ob Amateure oder Profis - haben diese Formatfrage schon für sich beantwortet. Sie entschieden sich für das Kleinbildformat 24x36 mm. Ein riesiges Kameraangebot, verbunden mit einem großen Filmrepertoire, wiegt eben schwer. Doch auch die anderen Formate von Minox bis Großbild sind eine Betrachtung wert.
Mitte der dreißiger Jahre wollte ein gewisser Walter Zapp die kleinste Kamera der Welt bauen. Seinen Ehrgeiz motivierte dabei nicht das Guiness Book of Records, sondern lediglich deutscher Tüftlergeist trieb ihn im fernen Riga dazu an, die Minox auf die Zahnrädchen zu stellen. Eine Miniaturkamera just um die winzige Filmkassette für 52 Bilder im Format 8x11 mm herumgebaut. Nach dem Krieg wurde Idee und Produkt in Heuchelheim bei Gießen wieder aufgegriffen, und in den sechziger Jahren entwickelte sich ein regelrechter Nachfrageboom nach den Minox-Kleinstbildkameras.
Schlagendes Verkaufs- und Benutzerargument war, wie kann es anders sein, die Kompaktheit der kleinen aber feinen Kamera. Sie fand und findet auch heute noch in der Form der LX als fotografisches Notizbuch Verwendung.
Minox: Aus 8x11 mm gute Bilder bis 9x13 cm
Slogan: Die Kamera, die nie zuhause bleibt. Noch vor zehn Jahren fochten Kleinbildfotografen und Minox-Anhänger wahre Glaubenskriege über die Brauchbarkeit von Minox-Bildern aus. Die einen behaupteten, ein 8x11-mm-Negativ sei einfach zu klein, um einen gescheiten Abzug zu ergeben, der das Format 7x10 cm überschreitet. Die anderen holten mit 15 DIN-Film und Spezialentwickler brauchbare 18x24-cm-VergröBerungen aus dem Däumling-Format heraus. Die Waffen zwischen beiden Lagern schweigen inzwischen. Den Heuchelheimern ist es gelungen, mit großem technischem und feinmechanischem Aufwand gute Qualität zumindest bis zur 9xl3-cm-Vergrößerung zu gewährleisten.
Der Minox-Weltrekord wurde erst 1981 vom gelben Riesen Kodak eingestellt. "Disc" hieß die neue Dimension unter den Amateurkameras, die Pocket ablösen sollte und dank einer neuer Filmemulsion ausgezeichnete Resultate aus den nur 8x10,5 mm großen Negativen versprach.
Disc: Keine Wachablösung für Kassettenformate
Doch die tatsächliche Leistung blieb hinter den Erwartungen zurück. Die Pocket-Kassette war nicht kleinzukriegen. Immerhin bot sie das Bildformat 13x17 mm in der sogenannten 110er Kassette. Kodak brachte dieses Format 1972 heraus und krönte es sogar mit einer Kodachrome-Version. Der entscheidende Vorteil der 110er Kassette gegenüber der älteren 126er Konfektionierung (Instamatic) ist in erster Linie die viel größere Kompaktheit und die bessere Planlage des Films in der Kassette. Allerdings muß bei höherer Empfindlichkeit mit deutlichem Korn gerechnet werden.
Der nächste Schritt aufwärts bei den Filmformaten führt uns zur besagten 126er Kassette. Sie enthält zwanzig Bilder im beachtlichen Format 28x28 mm. Auflösungsvermögen und Feinkörnigkeit reichen durchaus an ein 24x36-mm-Negativ oder -Dia heran, lediglich die Filmplanlage in der Kassette verhindert die letzte Schärfe.
Vom Kinofilm zum Kleinbild 24x36 mm
Oscar Barnack konstruierte anno 1913 ein Gehäuse, mit dem er Belichtungsproben auf Cinefilm machte. Quasi als Abfallprodukt seiner Untersuchungen entstand die Kleinbildkamera, die Leica. Der Siegeszug des perforierten 35-mm-Films begann. Das Format 24x36 mit dem ausgewogenen Seitenverhältnis von 2:3 überzeugte nach und nach viele Skeptiker. Kleine handliche Kameras mit Objektiven hoher Lichtstärke fand man zuerst in Reporterhänden. Allmählich bildeten sich zwei Synonyme für die 24x36-mm-Kleinbildfotografte heraus: Leica und Contax. Der Kleinbildfilm hieß im Volksmund ganz einfach Leicafilm. Heute kann man das 24x36-mm-Format getrost als Standardformat bezeichnen. Selbst Profis benutzen es als solches. Reinhart Wolf, weltbekannter Fotograf aus Hamburg, macht seine Gourmetaufnahmen für den "Stern" in erster Linie mit der Kleinbildkamera Nikon F3. Auf Kodachrome 25 erzielt er dabei eine beachtliche Schärfe. Die Entwicklung der Fotochemie hat dem Kleinbildformat entschieden auf die Sprünge geholfen. Der letzte Schritt in diese Richtung ging von den neuen VR- und HR-Emulsionen von Kodak und Fuji aus. Auch Agfa schuf inzwischen eine neue Filmgeneration, die viel kann. Ein weiteres Plus ist die Wirtschaftlichkeit des Kleinbildfilms. Auch die Auswahl an Empfindlichkeiten und teilweise exotischen Materialien wie Schwarzweiß-Diafilm oder Infrarotfilm ist unschlagbar.
Eine interessante Abart des klassischen Kleinbildformats 24x36 mm stellt das Halbformat dar. Die 18x24 mm großen Bilder stammen direkt vom Kinofilm ab, wo jedes Einzelbild exakt die gleichen Maße hat. Olympus mit der Pen EF und Konica mit der AA bieten eine Kamera für dieses Format an.
Als großer Bruder des Kleinbildfilms kann der perforierte 70mm-Film gelten. Sein Bildformat beträgt 56x72 mm. Für einige Kameras (Hasselblad, Zenza Bronica) gibt es Spezialmagazine für seine Verwendung, ebenso bei Großbildkameras.
Rollfilm: Fünf Formate unter einem Dach
Die Gattung Rollfilm beinhaltet nicht weniger als fünf verschiedene Bildformate. Als das klassische Mittelformat kann 6x6 cm gelten. Die Kamerahersteller Rollei und Hasselblad gehören zu den Pionieren dieser Bildgröße, die in Profikreisen hohes Ansehen genießt, weil sie durch Beschnitt variabel ist, ohne Qualität zu verlieren und sich für Ausschnittsvergrößerungen eignet. Früher war auch 4x4 cm sehr beliebt. Es ließ sich als sogenanntes Super-Slide in Kleinbildprojektoren verwenden. Ein 4x4-Magazin gibt es noch zur Hasselblad. In seinen besten Tagen, zur Zeit der Baby Rollei vor etwa dreißig Jahren, besaß das 4x4-Format sogar mit dem 127er-Rollfilm seine eigene Konfektion.
Das Format 4,5x6 cm erlebte durch die Einführung der Pentax 645 eine Renaissance. Es erlaubt kompakte Dimensionen bei den Kameras, die die Abmessungen üblicher Mittelformatapparate für 6x6 cm deutlich unterschreiten, wie beispielsweise die Mamiya 645. Für alle Kameras des 6x6-cm-Formates, die mit Wechselmagazin ausgerüstet sind, gibt es eine Kassette 4,5x6 cm, weil das quadratische Ausgangsformat vielfach als zu statisch empfunden wird. Querformat eignet sich zum Beispiel für Landschaftsaufnahmen ungleich besser als Quadratformat.
Das Idealformat 6x7 cm kommt aufgrund seiner rechteckigen Auslegung und seiner großen Bildfläche den Magazingestaltern für den doppelseitigen Aufmacher entgegen. Außerdem entspricht sein Seitenverhältnis von 1:1,21 den allgemein gängigen Papierformaten.
Das Format 6x9 cm ist selten geworden. In den fünfziger Jahren gehörte es zu vielen Knipserkameras, die genau die entgegensetzte Philosophie verfolgten wie beispielsweise die Minox: Hier reichte das große Ausgangsformat für zufriedenstellende Ergebnisse, trotz simpler Technik. 6x9 gibt es heute noch bei einigen Fuji-Sucherkameras und bei der modernen Linhof Technikardan sowie im speziellen Magazin für Großbildkameras. Alle Rollfilmformate profitieren von der reichhaltigen Auswahl an Empfindlichkeiten und von der modernen Filmtechnologie, die vom Kleinbild schnell auf sie überwechselt.
Anders bei den Planfilmgrößen 9x12 cm, 13x18 cm, 18x24 cm für Großbildkameras. Die Filmemulsionen bleiben wegen geringer Nachfrage oft lange im Programm, das Material ist teuer. Es kommt quasi nur für Profis in Frage, welche die überragende Auslösung und Feinkörnigkeit des Planfilms für Auftragsarbeiten benötigen können. In den USA trifft man zudem auf die Formate 4x5 inch und 8x10 inch. Letzteres ist das größte seriengefertigte Bildformat für fotografische Zwecke.
Fazit
Die Antwort auf die Formatfrage ist eng mit dem jeweiligen Aufgabenbereich des Fotografen verbunden. Will er in erster Linie Handlichkeit und winzige Ausmaße für Albumbilder, kann er getrost zur Minox greifen, will er semiprofessionell arbeiten, so führt das Mittelformat in allen Variationen zu guten Ergebnissen. Der gemeinsame Nenner für alle Aufgabenbereiche lautet schlicht Kleinbild. Das Format 24x36 mm paart Handlichkeit mit Vielseitigkeit. Große Filmauswahl und günstige Kosten tun ein übriges, sich auf diesen Kompromiß zu einigen, der immerhin von der Kompaktkamera bis zur Profi-Spiegelreflex oder Meßsucherkamera reicht.
Alf Cremers in Color Foto 9/1985
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