Graflex Combat Graphic
ab 1953
Beschreibung
COMBAT - eine amerikanische 70-mm-Kamera
Die Kameraformat-Frage wird neuerlich durch Nachrichten über eine interessante amerikanische 70-mm-Kamera wieder in den Vordergrund gerückt. Im vergangenen Sommer wurde diese Kamera, die den Namen Combat trägt, von der amerikanischen Fachpresse erstmals beschrieben. Sie ist zwar zunächst für rein militärische Zwecke entwickelt worden, weicht aber in vielen Einzelheiten so erheblich von den bekannten Formen ab, daß sich wohl auch die Allgemeinheit mit ihr beschäftigen dürfte.
Schon während des letzten Krieges sollten in USA balgenlose, strapazierfähige Mittelformat-Kameras eingeführt werden, doch mißlang dieser Versuch. Erst den Konstrukteuren der Graflex Inc., Rochester, blieb es vorbehalten, aus den Wunschzetteln der Frontberichter aller Welt die besten Anregungen zu entnehmen, ihnen eigene Ideen hinzuzufügen und eine Kamera zu schaffen, die in ihrer Art noch nicht vorhanden war.
Den Anstoß gab das Signal-Corps der US-Streitkräfte, das Anregungen und Forderungen zunächst einmal selbst in eigenen Versuchsfeldern und Laboratorien überprüfte und dann auch später das erste Muster der Combat sehr kritisch erprobte.
Im ersten Anblick hat man den Eindruck, es handele sich bei der Combat lediglich um eine etwa viermal vergrößerte Kleinbildkamera, doch enthält das Gehäuse mit den Abmessungen 23,5 X 12,7 X 6,35 cm eine ganze Reihe Einrichtungen, die bisher in keiner normalen Kleinbildkamera zu finden waren. ihr wichtigstes Merkmal ist die Verwendung eines doppelt perforierten 70-mm-Filmes, der hei einer Länge von 4,5 m für 50 Aufnahmen mit dem Format 52 X 74 nun ausreicht. Es ist glaubhaft, daß es hei diesem Format praktisch kein Kornproblem mehr gibt.
Durch ein vom Verschluß getrennt eingebautes Federwerk, das durch eine umklappbare Handhabe an der Unterseite der Kamera gespannt werden kann, wird der Filmtransport und Verschlußaufzug bewerkstelligt. Dadurch ist es möglich, 10 Bilder in 4 bis 6 Sekunden zu schießen.
Der Auslöser befindet sich hinten, oben, rechts „daumengerecht" am Kameragehäuse. Diese Lage des Auslösers korrespondiert mit einer Art Pistolengriff, den die Finger der rechten Hand heim Griff durch den rechts angebrachten Faustriemen umschließen. Die Kamera liegt dadurch bombenfest in der Auslösehand, während die linke Hand ungehindert die Objektiveinstellung vornehmen kann.
Der vollsynchronisierte Schlitzverschluß läuft quer und hat Vorhänge aus Nylontuch. Er umfaßt die Geschwindigkeit von 1 Sekunde bis zu 1/500, ferner T und B. Selbst bei Temperaturen von minus 400 soll er noch einwandfrei arbeiten.
Mit dem 10-cm-Normalobjektiv, das eine Lichtstärke von 1:2,8 besitzt, wiegt die Kamera etwa 2500 g. Das ist weniger als eine ausgerüstete Pressekamera üblicher Bauart wiegt. Außer der Normalbreite gehört zur Ausrüstung ein Teleobjektiv 20 cm mit der Lichtstärke 1:4 und ein 6 cm Weitwinkelobjektiv mit 1:4,5. Alle Objektive sind vom Ektar-Typ und haben, was für die Filterverwendung wichtig ist, gleichen Aufsteckdurchmesser.
Originell ist das Meßsucher-Problem gelöst worden. Der Vergrößungsmaßstab und die Bildfeldbegrenzung stellen sich heim Objektivwechsel automatisch ein. Natürlich ist auch vollautomatischer Parallaxenausgleich vorhanden. Die Einstellgenauigkeit ist durch Verwendung einer sehr langen Entfernungsmesserbasis überaus groß.
Für Aufnahmen rasch verlaufender Vorgänge wird in den Sucherschuh ein Rahmen-Sportsucher eingeschoben, der auf die Normalbrennweite eingestellt ist. Auf eine Rast zusammengeschoben, dient er als Weitwinkelsucher und umgedreht, d. h. Einblick nach vorn, zeigt er den Ausschnitt des Teleobjektivs.
Alle Handgriffe im Innern der Kamera sind leicht vorzunehmen, weil ihre Rückwand abnehmbar ist. Das Filmeinlegen ist durch die Verwendung neuartiger Kassetten einfach, da der Film auf der Aufwickelseite vom Kassettenmaul gefangen und automatisch eingefädelt wird. Ein eingebautes Filmmesser gestattet das Abtrennen beliebiger Filmlängen, die dann sofort, da von Kassette zu Kassette gearbeitet wird, entnommen werden können. Beim öffnen der Kamera springt das Zählwerk auf Null, um dann bei der nächsten Aufnahme mit 1 beginnend auf optischem Wege Bild für Bild weiterzunumerieren. Die Erschöpfung des Filmvorrates wird durch ein in das Sucherfeld springendes rotes Schauzeichen gemeldet. Auf der Kamerarückwand befindet sich außerdem eine Halterung für abwaschbare Kunststoffkarten, die zum Notieren der Aufnahmedaten dienen.
Das mäßige Gewicht der Kamera wurde durch Verwendung besonderer Magnesium-Aluminiumlegierungen erreicht. Alle verwandten Materialien sind in hohem Maße korrosionsfest und sicher gegen Schimmelbildung und Bakterienfraß. Durch geeignete Maßnahmen wurde auch die gefürchtete Fungusbildung auf den Glaskörpern der Objektive unmöglich gemacht, was für die Benutzung der Kamera in tropischem Klima sehr wichtig ist.
Mit Rücksicht auf die nicht immer liebevolle Behandlung, der eine Frontberichterkamera zwangsläufig ausgesetzt ist, sind alle Bohrungen und Durchbrüche im Kamerakörper, besonders aber der Falz für die Rückwand so ausgebildet, daß sie durchaus staub- und spritzwasserdicht sind.
Das gleiche gilt für den Aluminiumkoffer, der die Gesamtausrüstung, bestehend aus Kamera, drei Objektiven, vier Filtern, fünf Kassetten, Filmvorrat und Blitzleuchte mit Zubehör aufnimmt und damit 9,9 kg wiegt. Die Blitzleuchte ist für alle vorkommenden Blitzlampen eingerichtet. Sie wird in eine besondere Aufnahmevorrichtung auf dem Oberteil der Kamera eingesetzt und fest verriegelt. Ohne besonderen Kabelanschluß ist sie dadurch mit der Kontakteinrichtung verbunden. Für Blitzlampen ist eine Vorzündung von 20 msec vorgesehen.
Feldmäßige Reparaturen lassen sich auch von ungelernten Kräften durchführen, da die Bauelemente, für sich in Gruppen zusammengefaßt, ohne Schwierigkeiten gegen neue ausgewechselt werden können, auch die gesamte Elektrik.
Die Kamera soll in nächster Zeit für etwa 580 Dollar (rund 2450 DM) im freien Handel zu haben sein.
In amerikanischen Fachkreisen ist man der Auffassung, daß die Combat keinesfalls den klassischen Kleinbildkameras, wie Leica und Contax, den Rang streitig machen kann. Es sei jedoch wahrscheinlich, daß Fotografen, die sich mit der Aufnahme rasch ablaufender Vorgänge befassen, also etwa Bildreporter, die vorher mit größeren Bildformaten arbeiteten, zu dieser Kamera übergehen werden.
(Otto Sahmel, Foto Prisma, 1954)
Technische Daten
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Info
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