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Artikel

1998

Service Praxisbericht 

Mittelformatkameras mit Meßsucher: Fuji GS 645 S, Mamiya 6 MF und Fuji GW 690 III

Mamiya besiegt Fuji

Wer eine handliche Mittelformatkamera für unterwegs sucht, findet bei Mamiya und Fuji fünf Suchermodelle. Diese fünf Kameras haben einen Meßsucher zum Scharfstellen. Sie zeichnen sich durch eine kompakte Konstruktion und schnelle Handhabung aus.

Mittelformat-Meßsucherkameras kombinieren das große Filmformat mit einem vergleichsweise kleinen Gehäuse. Statt über eine Mattscheibe stellt bei ihnen der Fotograf das Bild aber in einem Sucher scharf, wie bei der Leica M6.
Derzeit können Sie zwischen fünf Modellen wählen: Die Mamiya 6 MF arbeitet im Format 6x6 und bietet einen eingebauten Belichtungsmesser, Zeitautomatik und drei Wechselobjektive mit 50 mm, 75 mm und 150 mm Brennweite. Die übrigen vier Modelle kommen von Fuji und haben fest eingebaute Objektive. Die Fuji GS 645 S mit 60-mm-Objektiv nutzt den Rollfilm im Format 6x4,5 und hat als einzige dieser Fuji-Kameras einen eingebauten Belichtungsmesser. Bei den drei anderen Fuji-Meßsucherkameras wird eine gemeinsame Grundkonstruktion durch unterschiedliche Formate (6x7 und 6x9) und Objektive (90 und 65 mm) variiert. COLOR FOTO hat hier die Fuji GW 690 III (Format 6x9) mit 90-mm-Objektiv getestet.

Der Meßsucher

Da Sucherkameras ohne voluminösen Spiegelkasten auskommen, kann man die Gehäuse relativ klein halten. Die Sucherkonstruktion hat jedoch gegenüber dem SLR-Prinzip zwei systembedingte Nachteile:
Der Meßsucher zeigt ein entsprechend verschobenes Bild (Parallaxe) da er neben dem Objektiv liegt. Im Nahbereich kann deswegen das Sucherbild vom fotografierten Bild deutlich abweichen. Alle drei Testkameras korrigieren diesen Fehler über einen Parallaxenausgleich.
Ein simpler Sucher zeigt Ihnen immer ein scharfes Bild, auch wenn die Kamera unscharf fotografiert. Meßsucherkameras dagegen blenden in die Suchermitte einen zweiten Bildausschnitt ein (Mischbild), der sich verschiebt, wenn Sie am Schärfering drehen. Sobald sich nun das Objekt des Bildausschnittes, beispielsweise ein Ast, mit demselben Objekt im Sucherbild deckt, haben Sie das Bild scharfgestellt. Sie "fahren" also einen Bildausschnitt über das Sucherbild, bis sich beide Bilder decken.

Mamiya 6 MF

Wer eine Meßsucherkamera ohne unnötige Kompromisse sucht, sollte zur Mamiya 6 MF greifen. Die Kamera ist allerdings relativ teuer und kostet bereits mit einem Zoomobjektiv 4500 Mark. Aber für diese 4500 Mark bekommt der Fotograf eine vielseitige Kamera, die fast keine Wünsche offen läßt. Verarbeitungsqualität, Ausstattung und die drei erhältlichen Wechselobjektive machen die Mamiya zur Testsiegerin.
Ausstattung: Gegenüber den anderen Meßsucherkameras ist die Mamiya wesentlich besser ausgestattet. Nur sie verfügt über eine Zeitautomatik, drei Wechselobjektive mit 50 Millimeter, 75 Millimeter und 150 Millimeter Brennweite sowie einen Panoramaadapter für Kleinbildfilm. Wenn Sie den Kleinbildadapter einsetzen, können Sie Aufnahmen im Format 24x54 Millimeter auf Kleinbildmaterial machen. Zu den praktischen Mamiya-Spezialitäten zählt ferner der versenkbare Objektivtubus, der die Kameratiefe deutlich reduziert.
Im Vergleich zu Spiegelreflexkameras fehlen der Mamiya, und natürlich auch den Fuji-Modellen, Wechselmagazine, Spezialsucher und Motorfunktionen. Dennoch hat gerade der Verzicht auf Wechselmagazine auch Vorteile, denn die einfachere Transportmechanik ist weniger reparaturanfällig. Zudem entfällt die Suche nach dem verlegten Magazinschieber. Insgesamt bieten alle drei Testkandidaten einen sehr einfachen Filmwechsel.
Sucher: Der Mamiya-Sucher ist besonders groß und sehr hell. Auch das Mischbild ist größer als bei den Fuji-Kameras. Zwar fehlt hier die praktische gelbe Einfärbung, doch dafür bleibt das Mischbild auch bei leicht schrägem Einblick sichtbar. Darüber hinaus zeigt der Sucher auch im Nahbereich den korrekten Bildausschnitt. Das heißt, der Parallaxenausgleich des Suchers berücksichtigt sowohl die wegfallenden als auch die hinzukommenden Bildteile. Doch kein Licht ohne Schatten: Wenn Sie auf unendlich fokussieren, zeigt das Sucherbild nur 83 Prozent des Dias. Hier sollte Mamiya eine Modellpflege spendieren und das Sucherbild vergrößern. Als einzige Testkandidatin informiert die Mamiya im Sucher über die eingestellte Belichtungszeit. Aber auch bei ihr fehlt hier eine Blendenangabe.
Technische Qualität: Zu den Stärken der Mamiya gehören ganz sicher ihre Objektive. Der Normtest in COLOR FOTO 2/92 bescheinigt allen drei Mamiya-Objektiven hervorragende Abbildungsqualitäten. Das Mamiya GL 4/50 mm erhielt sogar das Prüfsiegel COLOR FOTO Normtest Note 1. Zu diesen ausgezeichneten optischen Leistungen paßt das solide Gehäuse und die exzellente Verarbeitung. Die Kamera macht einen sehr robusten Eindruck. Im Gegensatz zu den beiden anderen Testkandidaten arbeitete die Mamiya fehlerfrei und kam ohne technische Ausfälle ins Ziel.
Praxiserfahrung: Wie fast alle Meßsucherkameras, so hat auch die Mamiya ihre Stärken bei Reisen oder Reportagen. Gegenüber klassischen Mittelformatkameras zeigt die Mamiya zwei Vorteile: 
Mit der Mamiya 6 MF bleibt der Fotograf sehr beweglich und kann seinem Motiv praktisch wie mit einer Kleinbildkamera folgen.
Wenn für große Ausrüstungen kein Platz ist, dann braucht die Mamiya nicht viel mehr Raum als eine professionelle Kleinbild-Spiegelreflexkamera.
Die praxisgerechte Brennweitenabstufung der Wechselobjektive macht die Kamera darüber hinaus auch studiotauglich, wenn es um Mode- oder ähnliche Aufnahmen geht. Natürlich eignet sie sich nicht für Tabletop-Fotografien.
Die Kamera liegt sehr gut in der Hand und bietet einen guten Zugriff auf alle wesentlichen Bedienelemente. Das Zeitenrad und der Entfernungsring sind allerdings zu schwergängig. Hier hat die Fuji GS 645S einen kleinen Vorsprung, da ihr Entfernungsring wesentlich leicht
gängiger ist. Entsprechend kann man mit der Fuji-Kamera etwas schneller scharfstellen.
Die Mamiya 6 MF ist teuer, aber sie erfüllt auch fast alle Wünsche, die man an eine Meßsucherkamera stellen kann. Zu den systembedingten Nachteilen gehört das kleine Sucherbild bei Brennweite 150 Millimeter. Insgesamt macht die Mamiya einen sehr guten Eindruck mit hoher Praxistauglichkeit.

PRO

sehr gute Verarbeitung

vielfältiges System

einfache Bedienung

KONTRA

hoher Anschaffungspreis

Fuji GS 645S

Die Fuji GS 645S beweist, daß eine Mittelformatkamera nicht größer als eine SLR-Kleinbildkamera sein muß. Wer mit einer Mittelformatkamera liebäugelt, findet hier ein sehr preisgünstiges Modell.
Ausstattung: Angesichts des Preises kann die spartanische Ausstattung nicht verwundern.
Als einziges Extra spendiert Fuji der GS 645 S einen Belichtungsmesser. Da die Kamera im Hochformat arbeitet (nur so passen 15 Bilder auf den Film), hat sie rechts ein zweites Stativgewinde für Querformataufnahmen. Allerdings ist dieses zweite Gewinde aus Kunststoff.
Sucher: Der Sucher ist hinreichend groß und übersichtlich. Jedoch funktioniert sein Parallaxenausgleich im Nahbereich nur unvollständig. Zwar zeigt der Sucher, welche Bildteile im Nahbereich wegfallen, aber die hinzukommenden Motivteile unterschlägt er. Auf der rechten Seite und unten sehen Sie später wesentlich mehr auf dem Dia, als der Sucher zeigt. Darüber hinaus fehlt eine Blenden- und eine Zeitanzeige. Gut funktioniert dagegen das Mischbild des Meßsuchers. Wer sich an den kleinen Fleck gewöhnt hat, kann schnell und präzise scharfstellen. Allerdings muß die Augenpupille exakt in der Mitte des Suchers sein, da sonst das Mischbild verschwindet. Bei hellen Flächen bietet die gelbe Färbung des Mischbildes eine zusätzliche Hilfe.
Technische Qualität: Während die Bildqualität ordentlich ist, entspricht die Verarbeitung nicht den Erwartungen. Die Fuji GS 645 S beunruhigte zunächst mit deutlichen Klappergeräuschen und fiel später mit einem defekten Verschluß ganz aus. Im Vergleich wirkt die Mamiya 6 MF wesentlicl1 robuster.
Praxiserfahrung: Ihre besten Seiten zeigt die Fuji, wenn man sie mit nach draußen nimmt. Die Kamera liegt sehr gut in der Hand und zeichnet sich durch eine einfache Handhabung aus. Die Schärfe-, Blenden- und Zeitenringe sind gut erreichbar und so gestaltet, daß man sie nicht verwechselt.
Besonders der Widerstand des Schärferings ist perfekt abgestimmt und macht die Fuji GS 645 S zur schnellsten Kamera unter den Testmustern. Allerdings trüben einige Details den positiven Gesamteindruck. So muß der Fotograf den Verschluß für Langzeitaufnahmen von Hand über einen kleinen Hebel öffnen. Und natürlich sollte der Parallaxenausgleich auch hinzukommende Bildteile berücksichtigen. Insgesamt ist die Fuji GS 645 S aber ein guter Kauf mit einem ordentlichen Preis-Leistungs-Verhältnis.

PRO 

klein und leicht

preiswert 

sehr einfache Bedienung 

KONTRA

unzureichender Parallaxenausgleich

im Sucher weder Blende noch Zeit angezeigt

Fuji GW 690

Wenn es etwas mehr sein darf, liegen sie mit den Fuji-GW-Kameras genau richtig. Die Fujis verbinden die Handlichkeit einer Meßsucherkamera mit dem Panoramaformat 6x9. In gleicher Ausstattung und beinahe unverändertem Gehäuse bietet Fuji drei Varianten an. Die drei Modelle unterscheiden sich durch ihre Bildformate und Objektivbrennweiten. COLOR FOTO hat sich für das mittlere Modell mit 90 Millimeter Brennweite und dem Format 6x9 entschieden. Natürlich gelten die allgemeinen Testaussagen auch für die beiden anderen Modelle, deren technische Daten Sie im Kasten auf der nächsten Seite finden.
Ausstattung: Die Ausstattung ist ausgesprochen spartanisch und bietet weder einen Belichtungsmesser noch eine Belichtungsautomatik. Nicht einmal ein Selbstauslöser ist vorhanden. Zumindest ein Belichtungsmesser sollte bei 3480 Mark eigentlich schon "drin" sein. Auf der anderen Seite erfreut die Kamera mit zwei sehr nützlichen Details: einer eingebauten Wasserwaage und einem Verschlußzählwerk. Dieses Verschlußzählwerk registriert jeden Auslösevorgang und informiert so den Fotografen über die Zahl der Verschlußbewegungen und entsprechende Wartungsarbeiten. Nach 5000 Auslösevorgängen empfiehlt Fuji eine Überholung. Sucher: Der Sucher ist groß und übersichtlich. Das gelbe Mischbild bleibt auch bei leicht schrägem Einblick sichtbar und ist damit anwendungsfreundlicher als das der GS 645 S. Aber auch dieser Fuji-Sucher korrigiert die Parallaxe im Nahbereich nur unvollständig. Zudem fehlen wiederum Zeit- und Blenden-Anzeige im Sucher.
Technische Qualität: Die optische Leistung der Fuji überzeugt. Auch ihre Verarbeitung kann sich sehen lassen. Die Kamera wirkt robust und solide.
Praxiserfahrung: Natürlich können Sie mit der Fuji GW 690 III vom Stativ aus arbeiten. Aber eigentlich paßt die Fuji viel besser in die Hand. Denn trotz des etwas schwergängigen Entfernungsrings kann man mit der Fuji schnell fotografieren. Allerdings darf sich dann das Licht nicht verändern, da man sonst per Handbelichtungsmesser jeweils weitere Belichtungsmessungen machen muß.
Die GW 690 III eignet sich nicht für jeden Zweck. Aber ihre Stärken Prädestinieren sie geradezu für Landschaftsaufnahmen. Wer mit einer Panoramakamera losziehen will, findet in der Fuji einen idealen Partner. Obwohl am Testgerät das Zählwerk für den Verschluß defekt war, kann man sich auf diese Kamera auch unter widrigen Umständen verlassen.

PRO

großes Format

einfache Bedienung 

KONTRA

kein Belichtungsmesser

unvollständiger Parallaxenausgleich

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