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Artikel

1998

TEST & TECHNIK Praxisbericht

Die Minolta Dynax 600si Classic in der Praxis

Stimmiges Gesamtkonzept

Während andere Kamerahersteller die Zeichen bescheidener Zeiten erkannt haben und zurückhaltend agieren, baut Minolta die si-Modellreihe mit Hochdruck aus. Die technische Verwandtschaft der neuen Dynax 600si Classic mit dem Schwestermodell 700si begründet hohe Erwartungen - ebenso wie die übersichtliche Gestaltung der Bedienungselemente.

Leider gibt es immer noch sehr viele Kameras, die es ablehnen, übersichtlich zu sein. Die neue Minolta Dynax 600si Classic zählt mit Sicherheit nicht dazu. Zum Glück haben die Entwicklungsingenieure aus Osaka diesmal nicht übersehen, daß Menschen mit der Kamera fotografieren sollen. Die Anwesenheit von konventionellen Bedienungselementen, wie Einstellräder und Hebel, wirkt vertraut, beruhigend und bewährt sich bereits beim ersten Kontakt mit der Kamera, der ohne Lektüre der Bedienungsanleitung erfolgt. Sämtliche Funktionen erschließen sich auf Anhieb, und die aktivierten Kameraeinstellungen sind auch bei ausgeschalteter Kamera sichtbar. Der Datenmonitor auf der Gehäuseoberseite ist geschrumpft und macht einem großen, griffigen Programmeinstellrad Platz. Unter dem an die Minolta 9000 AF angelehnten Einstellrad befindet sich ein Hebel für folgende Funktionen: Selbstauslöser, Serienbildschaltung, Einzelbildschaltung, Belichtungsreihenautomatik und Mehrfachbelichtungen. Zwei kleine Einstellräder, die mit dem Zeigefinger beziehungsweise mit dem Daumen zu bedienen sind, dienen der Einstellung von Verschlußzeit und Blende. Die manuelle Belichtungskorrektur und die Blitzbelichtungskorrektur erfolgen über zwei übereinander plazierte, aber gut zugängliche Einstellräder auf der linken Gehäuseoberseite. Problemlos mit dem rechten Daumen zu bedienen sind die Schalter für die Umschaltung der AF-Meßfelder und der Belichtungsmeßmethode sowie die Belichtungsspeichertaste. Die Bedienungselemente für die nur selten gebrauchten Funktionen sind so angebracht, daß sie die Ergonomie nicht stören, aber dennoch gut zu bedienen sind. Es ist überhaupt erfreulich, daß endlich mal ein Bedienungskonzept auf der Unterscheidung zwischen wichtigen, oft genutzten und weniger wichtigen, selten gebrauchten Funktionen aufgebaut ist.

Interessant sind auch bestimmte individuell programmierbare Funktionen, wie zum Beispiel die dauerhafte Anzeige des Wertes der manuellen Belichtungskorrektur (ISO- und Abblendtaste gleichzeitig drücken und Hauptschalter betätigen) oder die dauerhafte Belichtungsspeicherung nach Antippen der AEL-Taste (ISO- und AEL-Taste gleichzeitig drücken und Hauptschalter betätigen). In der Praxis haben wir mit der Dynax 600si Classic sehr gut arbeiten können. An der Arbeitsauffassung der neuen Kamera gibt es nichts auszusetzen. Im Detail freilich haben wir ein Programmshift und ein AF-Kreuzsensor in der Bildmitte etwas vermißt. Das fällt aber angesichts der Vorzüge der Dynax 600si Classic und des stimmigen Gesamtkonzeptes nicht weiter ins Gewicht. Die Minolta Dynax 600si Classic erhält das COLOR FOTO Prüfsiegel Praxisbericht hervorragend*****. 

PRO

einfache Bedienung

gute Grundausstattung

drei Belichtungsmeßmethoden

eingebaute Belichtungsreihenautomatik

gutes Preis-/Leistungsverhältnis

Belichtungsindikator für Differenzmessung

KONTRA

kein Programmshift

Programme

Mit Programm-, Zeit- und Blendenautomatik sowie manueller Belichtungseinstellung ist die Minolta Dynax 600si Classic gut ausgestattet. Zu bemängeln ist jedoch das Fehlen des Programmshifts (Verschiebung der Zeit-Blenden-Kombination bei gleichbleibendem Belichtungswert). Vermutlich ist ein gewisses "Klassendenken" dafür verantwortlich die Dynax 700si hat nämlich als in der hauseigenen Hierarchie höher angesiedelte Kamera ein Programmshift. Die Programme können mit jeder Belichtungsmeßmethode und AF-Betriebsart beliebig kombiniert werden, was sehr praxisnahe ist.

Sucher

Im Sucher sind 92 Prozent (vertikal) beziehungsweise 94 Prozent (horizontal) des Aufnahmeformats zu sehen. Der Abstand von 18,4 mm zwischen Austrittspupille und Schutzglas des Okulars soll Brillenträgern den "Durchblick" erleichtern, wobei leichte Vignettierungen in den oberen Ecken dennoch festzustellen sind. Vorbildlich die Sucheranzeigen (wenn man den Belichtungsindikator dauerhaft eingestellt hat).

Filmtransport

An den Filmtransportfunktionen der Dynax 600si Classic gibt es nichts auszusetzen. Vielleicht würde sich so mancher Fotograf eine Programmiermöglichkeit wünschen, um die Filmlasche nicht in die Patrone zurückzuspulen, doch das ist in dieser Preisklasse wohl nicht unbedingt zu erwarten. Die Umschaltung zwischen Einzelbild- und Serienbildschaltung erfolgt mit dem Schalter unterhalb des Programmrades. Selbstverständlich ist auch der vorzeitige, manuelle Start der Filmrückspulung möglich.

Belichtungsmessung

Vorbildlich die Belichtungsmeßmethoden: Die Dynax 600si Classic ist mit drei Meßmethoden ausgestattet, mit denen auch jede noch so schwierige Lichtsituation in den Griff zu bekommen ist (siehe Bild), nämlich Mehrfeldmessung, mittenbetonte Integralmessung und Spotmessung (2,7% des Sucherbildes). Die AF-gekoppelte Mehrfeldmessung arbeitet mit 14 Meßsegmenten (13 wabenförmige Segmente, der Hintergrund gilt als 14. Segment). Hohe Motivkontraste, Streif- oder Gegenlicht können aber auch die Mehrfeldmessung irreführen. Hilfreich ist der sogenannte Belichtungsindikator, der auch für Differenzmessungen eingesetzt werden kann.

Blitztechnik 

Die Blitztechnik der Dynax 600si Classic bietet dem Fotografen alles, was zum bequemen und sicheren TTL-Blitzbetrieb notwendig ist. Das Programmblitzgerät Minolta 5400 HS ermöglicht sogar Kurzzeitsynchronisation mit Verschlußzeiten zwischen 1/200 S und 1/4000 S. Natürlich ist mit systemkonformen Blitzgeräten auch drahtlose TTL-Blitzsteuerung möglich (einschließlich Verhältnissteuerung).

Manuelle Einstellungen

Blende und Verschlußzeit lassen sich in halben Stufen einstellen was sogar bei manchen "Edelmarken" und Profikameras nicht möglich ist. Die manuelle Scharfeinstellung kann wahlweise nach Sicht auf der Einstellscheibe oder mit elektronischer Fokussierhilfe erfolgen. Bei angetipptem Auslöser leuchtet das Fokussiersignal im Sucher (grüne LED) konstant auf, sobald das anvisierte Objekt in der Schärfe liegt. Die Umschaltung auf manuelle Fokussierung erfolgt mit einer Taste am Gehäuse.

Autofokus

Der Autofokus der Dynax 600si Classic arbeitet mit drei AF-Sensoren. Zwei senkrecht angeordnete AF-Sensoren flankieren den zentralen AF-Sensor Der AF-Sensor kann mit dem Schalter auf der Rückwand auch einzeln eingeschaltet werden. Hilfreich wäre in diesem Fall ein Kreuzsensor, denn der waagerecht angeordnete AF-Sensor kann nicht auf Strukturen fokussieren, die parallel zu seiner Ausrichtung verlaufen. Mit einem Schalter auf der rechten Gehäuseseite (s. Bild) kann die AF-Betriebsart eingestellt werden: Schärfenachführung (Prädiktionsautofokus), statischer AF, automatische Umschaltung zwischen beiden Methoden.

Lautstärke

Die Betriebsgeräusche der Minolta Dynax 600si Classic sind nicht sehr laut. Recht laut sind die Geräusche beim Abblenden (vor allem das Öffnen der Blendenlamellen). Sehr leise ist dagegen die Filmrückspulung; die Modellpflege macht sich eben bemerkbar.

Stromversorgung 

Die Dynax 600si Classic wird mit einer 6V-Lithiumbatterie des Typs 2CR5 gespeist. Der Batteriewechsel kann schnell und ohne die obligatorische Münze erfolgen. Für besondere Situationen: Der Funktionshandgriff VC-600 nimmt drei verschiedene Energiequellen auf.

Verarbeitung/Material

Die Verarbeitung und das Material machen einen guten Eindruck, und wer nicht gerade als Kriegsberichterstatter unterwegs ist, braucht sich keine Sorgen um die Robustheit der Kamera machen. Ein Metallbajonett sichert das Auflagemaß auch bei häufigem Objektivwechsel.

Ergonomie

Die Rückbesinnung auf herkömmliche Bedienelemente und die sogenannte "eingängige" Bedienung, bei der das Umschalten in verschiedene Menüebenen entfällt, erleichtert die Arbeit mit der neuen Kamera enorm. Die jeweiligen Einstellungen sind auch bei ausgeschalteter Kamera sichtbar. Die Schalter und Einstellräder auf der Gehäuseoberseite sind so angeordnet, daß die Indikatoren eine Linie bilden, wenn die vollautomatischen Funktionen eingestellt sind. Auf der Rückwand stehen dann die Indikatoren in einer horizontalen Linie. Insgesamt logische und gut übersichtliche Bedienung. Empfehlenswert auch der Funktionshandgriff VC-600.

Grundausstattung

Die Grundausstattung der Dynax 600si Classic ist als üppig zu bezeichnen. Es wäre hilfreich gewesen, wenn die Programmautomatik shiftbar gewesen wäre, doch das ist in dieser Preisklasse nicht als selbstverständlich vorauszusetzen. Die zahlreichen sinnvollen Funktionen führen zu einem guten Preis-Leistungsverhältnis und machen die Dynax 600si Classic, auch angesichts des überzeugenden Bedienungskonzeptes, zu einer der attraktivsten AF-SLR-Kameras auf dem Markt.

Systemausbau

Das Dynax-System bietet insgesamt eine gute Auswahl an Objektiven und Zubehör, selbst wenn im Detail das eine oder andere fehlt. Man kann sich aber auf jeden Fall als reichlich versorgt fühlen.

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