← Zurück
Artikel
1998
SERVICE Praxisbericht
Profifotografen und ihre Ausrüstung
Agenturfotografie mit der Canon EOS-1
Wolfgang Rattay ist als Fotojournalist und Redakteur für die Nachrichtenagentur Reuters unterwegs. Sein bevorzugtes Werkzeug in Fußballarenen, auf Tennisplätzen und bei Bundespressekonferenzen ist die Canon EOS-1 mit Booster E1.
Jeder kennt sie: Kurz vor der Bundesliga-Winterpause kauern sie bei eisigen Temperaturen dicht an dicht hinter der Torlinie. Politikern sind sie oft näher als deren Leibwächter. Was sie sehen, geht um die ganze Welt. Die Rede ist von Agenturfotografen. Ohne sie wäre die Berichterstattung über Papstbesuche und Sportereignisse wie Fotografieren ohne Film. Einer von ihnen ist Wolfgang Rattay. Seit einigen Jahren arbeitet Rattay mit Canon EOS-1-Kameras. Seine anfängliche Skepsis wegen der elektronischen Datenübertragung von Kamera zu Objektiv war bald verflogen. Canon hatte beim neuen EOS-System das Bajonett vergrößert und statt der herkömmlichen Stifte und Schieber elektrische Kontakte für Blendenregelung und Autofocus nutzbar gemacht. ,.Aus den Objektiven ragt nichts raus, was abbrechen könnte. Die Dinger sind unempfindlicher. Anfangs war das Objektivprogramm natürlich schmaler als das der Konkurrenz. Aber das hat sich deutlich gebessert. Canon bietet mittlerweile nahezu alles an, was ich brauche", faßt Rattay zusammen. "Canon hat '92 zur Olympiade in Barcelona Konstrukteure geschickt, die die Fotografen nach ihren Wünschen und Vorschlägen befragen sollten. Als Ergebnis kommt jetzt die EOS- I N. Ich habe sie beim Grand-Slam-Cup in München getestet und muß sagen: Die Kamera ist mir unheimlich. Mit der kann jetzt jeder Depp Tennis fotografieren."
Vier entscheidende Technikfelder
Tatsächlich scheint es so, als würde sich das EOS-1-System zum Standard bei Agenturprofis entwickeln. Gefragt nach den Gründen antwortet Wolfgang Rattay: "Schauen Sie sich die vier Technikfelder an, die bei meiner Arbeit wichtig sind: Objektivtechnik, manuelle Fokussierung, Blitztechnik und Verschlußzeitendrittelung. Canon hat auf zweien dieser Felder die Nase vorn, beim Blitzen haben sie mittlerweile gleichgezogen. Beispiel Objektive: Die Motoren für Autofokus und Blendenregelung in das Objektiv zu bauen und über ist genial. Keine mechanischen Ubertragungsprobleme mehr. Die Konstrukteure können die Blende an die beste Stelle setzen und müssen keine Rücksicht auf die mechanische Übertragbarkeit nehmen. Was bringt mir das, wenn ein Kamerahersteller verspricht, man könne heute noch ein Objektiv von 1957 an die Kamera setzen? Das will ich gar nicht mehr. Die Drittelung der Verschlußzeiten hat Canon lange Zeit allein angeboten. Grundsätzlich wünsche ich mir eine Verbesserung der manuellen Fokussierbarkeit bei Canon. Ein 80-200-mm-Einringzoom würde das Objektivprogramm abschließen. Zufrieden bin ich an diesem Punkt mit Canon noch nicht."
Die teuerste Autofokuskamera auf dem Markt und manuell fokussieren? "Ich habe die Kamera immer auf manuell gestellt und versuche, den Autofokus intelligent einzusetzen oder als Notnagel im Weitwinkelbereich. Läuft ein Stürmer am Strafraum direkt auf mich zu, schalte ich den Autofocus ein. Der fährt mit, und das ist präziser als manuell. Aber wenn ich das 600er in Richtung Mittelfeld halte, bin ich mit der Hand noch besser dran."
Zuverlässigkeit und Praxisnähe?
Rattay erzählt von seiner Arbeit bei der Winterolympiade in Lillehammer. "Früh am Morgen gehst du raus, stehst den halben Tag im Schnee bei -28xGRADxC. Wenn du dann irgendwo zum Filmentwickeln reinkommst, läuft das Zeug natürlich erst mal an. Kondenswasser in den Optiken, überall. Trotzdem konnte ich die Kameras weiter benutzen, es ist nie eine ausgefallen."
Wie sieht es aus in puncto Gehäusestabilität? "Die Teile sind mir zwei-, dreimal runtergefallen, auch auf das Prisma. Aber es ist nichts passiert, nicht mal eine Delle war dran."
Den Sinn eines "Boosters", der immerhin 5,5 Aufnahmen pro Sekunde durch die Kamera zieht, erklärt Rattay folgendermaßen: "Stellen Sie sich einen 100-Meter-Lauf vor. Du hältst die Kamera mit einer 1/500 Sekunde auf Carl Lewis. In einer Sekunde machst du fünf Bilder, fotografierst also von dieser Sekunde gerade mal 1 Prozent. Es ist völlig offen, ob da ein gutes Bild drin ist. Der Motor macht es nicht. Sinn macht er, wenn ich eine relativ lange Verschlußzeit brauche. Dann laß ich den Finger drauf. Das erste Bild ist wegen der Fingerbewegung vielleicht unscharf, aber Nummer 2 oder 3 ist okay." Einstellrad und Beibehaltung der Blende beim Objektivwechsel sind für Rattay zwei weitere wichtige Vorteile. "Im Fußballstadion brauchst du oft schnell einen Konverter. Die EOS stellt dann beim Wiederaufsetzen des Teles die vorher benutzte Blende automatisch ein, damit entfällt ein Handgriff."
Technisch ist die Pressefotografie von heute nicht mehr vergleichbar mit früher. Rattay grinst und zitiert einen alten Merksatz: "f8 and be there." Wenn du nicht rechtzeitig dagewesen bist, hilft die beste Technik nichts.
{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}