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Artikel

1998

TEST & TECHNIK Praxisreport

Die erste Mittelformatkamera mit Autofokus: Fujifilm GA 645 Professional

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Das Konzept stimmt, aber einige Details mißglückten: Fujifilm hat mit der GA 645 Professional im Prinzip eine ideale Reportage- und Reisekamera für Mittelformatfotografen entworfen. Zur Ausstattung gehören: ein Autofokus, ein eingebauter Blitz, eine automatische Belichtungssteuerung und ein Transportmotor. In der Praxis zeigen jedoch gerade der Autofokus und die Blitzlichtsteuerung Schwächen.

Nur selten wartete die Redaktion so gespannt auf eine Neuheit wie auf die Fujifilm GA 645 Professional. Aber die erste Mittelformatkamera mit Autofokus und eingebautem Blitz war eben nicht irgendeine Neuheit. Als dann jedoch die GA 645 Professional auf dem Tisch stand, machte sich schnell Ernüchterung breit. Diese Kamera hat zu viele Kinderkrankheiten und konnte die Redaktion nicht überzeugen.

Bedienung

Die Fujifilm GA 645 Professional liegt gut in der Hand. Sucher, Auslöser und Blendenrad sind anwenderfreundlich plaziert. Probleme bereiten jedoch die Belichtungskorrektur und die manuelle Zeiteinstellung. Da ein Zeitenrad fehlt, müssen Sie eine Taste drücken und gleichzeitig das Blendenrad drehen, um die Zeit einzustellen. Das gleiche gilt für die Belichtungskorrektur. Statt origineller Lösungen wäre hier eine Kopie moderner Kleinbildlösungen wesentlich praxisgerechter. Zu den weiteren Kritikpunkten zählen der sehr schwergängige Druckknopf für die manuelle Fokussierung und der schmerzhaft schrille Filmtransport. Einen von zwei 220er Filmen hat die Fujifilm zudem nicht vollständig aufgewickelt. Beim Aufmachen lag das Filmende offen im Licht und ließ sich auch nur bei offener Rückwand vollständig aufspulen.
Wer Reportagen fotografiert, wird eine weitere Schwäche feststellen. Denn die Fujifilm löst erst nach einer kurzen "Denkpause" aus. Im Vergleich zu SLR-Kameras braucht sie wesentlich länger, um scharfzustellen und die Aufnahme zu machen. Während SLR-Modelle ihr Objektiv in der zuletzt angesteuerten Position stehen lassen, fährt die Fujifilm ihres immer in die Ausgangsposition zurück. Bei Serienaufnahmen muß sie deswegen vor jedem Bild erneut fokussieren. Kleinbild SLR-Systemen genügt eine wesentlich schnellere Korrektur.
Zu den angenehmen Seiten der Fujifilm gehört der große und helle Sucher mit Parallaxenausgleich und einer AF-Markierung. Unter dem Sucherbild nennt eine Leiste alle wesentlichen technischen Details einer Aufnahme. Der Fotograf erfährt die ungefähre Aufnahmeentfernung, die Blende und die Zeit. Allerdings liegt der tatsächliche Meßpunkt des Autofokus etwas oberhalb des Mittelpunkts der AF-Markierung im Sucher.

Autofokus

Gleich zwei AF-Systeme sollen der Fujifilm zu scharfen Aufnahmen verhelfen: ein aktiver Infrarot-AF und ein externer passiver AF. Zunächst mißt der Infrarot-AF das Objekt an und steuert das Objektiv bis zu Entfernungen von maximal drei Metern. Bei größeren Entfernungen gibt das aktive System an seinen passiven Kollegen weiter. Fuji kombiniert hier zwei AF-Meßprinzipien aus dem Kompaktkamerabereich. Die Japaner ersparen sich so einen aufwendigen TTL-Autofokus, wie er in SLR-Kameras üblich ist. In der Praxis konnte die Lösung nicht überzeugen. Zu oft stellte die Kamera eine falsche Entfernung ein. Zwar zeigt der Sucher grobe Fehler an, doch auch eine Entfernungsanzeige kann einen perfekten Autofokus nicht ersetzen. Im Nahbereich lag die Schärfe oft hinter dem angemessenen Objekt.

Belichtungssteuerung

Die mittenbetonte Belichtungsmessung durch den Sucher, reicht in den meisten Fälle aus. Grundsätzlich kann der Fotograf zwischen einer Programmautomatik, einer Zeitautomatik mit Blendenvorwahl und einem manuellen Belichtungsabgleich wählen. Hier hat Fuji auf überflüssige Motivprogramme und ähnliches verzichtet. Lediglich eine Belichtungsreihenautomatik könnte die vorhandenen Programme sinnvoll ergänzen.

Blitzlichtsteuerung

Wie die Belichtungsmessung, so funktioniert auch die Blitzlichtsteuerung über einen externen Sensor. Wiederum fehlt eine echte TTL-Messung. In der Praxis führen die Programmautomatik und die Zeitautomatik zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Die Programmautomatik entscheidet zunächst, ob der Blitz mitgeht oder nicht. Falls ja, arbeitet die Kamera mit Blende 4 und 1/30 Sekunde unabhängig von der eingestellten Filmempfindlichkeit. Erst bei hochempfindlichen Filmen ab ISO 400/27xGRADx nimmt die Kamera eine kleinere feste Blende. In der Zeitautomatik wählt die Kamera eine Belichtungszeit in Abhängigkeit von der Motivhelligkeit. Aber auch in der Zeitautomatik können Sie je nach Filmempfindlichkeit nur bestimmte Blenden beim Blitzen vorwählen. Oberhalb von ISO 400/27xGRADx akzeptiert die Kamera die offene Blende nicht mehr, und unter ISO 160/22,5xGRADx erreichen Sie Blende 22 nicht mehr .

Fazit

Mit der Fujifilm GA 645 Professional haben die Japaner einen zukunftsweisenden Weg eingeschlagen. Das vorliegende Modell zeigt jedoch zu viele unprofessionelle Schwächen. Hierzu gehören sowohl die teilweise umständliche Bedienung als auch der laute Transportmotor und obendrein die zu lange "Denkpause", bevor die Kamera auslöst. Über diese läßlichen Sünden hinaus mußten wir feststellen, daß weder der Autofokus noch die Blitzlichtsteuerung unseres Testgerätes zufriedenstellend arbeiteten. 

KURZKRITIK

nur externe Meßzellen für Autofokus, Belichtungsmessung und Blitzlichtmessung

Autofokus neigt zu Fehlmessungen besonders im Nahbereich (Schärfe liegt hinter dem angemessenen Punkt)

effektiver Autofokusmeßpunkt etwas oberhalb des Mittelpunkts der Sucheranzeige

primitiv wirkende Blitzlichtautomatik mit deutlich unterschiedlichen Ergebnissen je nach Automatik

zu lange "Denkpause" bis die Fuji auslöst

zu schwergängiger MF-Druckknopf

umständliche manuelle Zeiteinstellung und Belichtungskorrektur

viel zu lauter Filmtransport

Fehler beim Aufspulen eines 220er Films

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