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1998
photographica AKTUELL
Die ersten Spiegelreflexkameras von Hasselblad
Die Hasselblad ist exklusiv und teuer, aber nicht gerade selten... Das stimmt nicht immer. Die Modelle Hasselblad 1600F und 1000F tauchen in deutschen Annoncen ausgesprochen selten auf. Kein Wunder: Sie wurden nur 3000mal beziehungsweise 10000mal hergestellt.
Auf den ersten Blick sehen sie aus wie die derzeit gängigen Modelle: die Hasselblad 1600F und die 1000F. Auf den zweiten Blick fallen aber die etwas anderen Objektive auf: ein Kodak Ektar und ein Zeiss Tessar. Beide sind Vierlinser und dadurch kleiner als das heute übliche siebenlinsige Planar von Zeiss. Die Hasselblad 1600F wurde in den Jahren 1948 bis 1952 gebaut, die 1000F von 1952 bis 1956. Beim Gehäuse müssen Sie allerdings schon sehr genau hinsehen, um die Unterschiede zu bemerken. Wichtigster Unterschied zu den späteren Modellen ist der Objektivanschluß, ein Gewinde mit hoher Steigung und Einrastung nach einer Vierteldrehung. Im Vergleich zum späteren Bajonett ist es nicht so dauerhaft, und der Objektivwechsel geht nicht so geschmeidig vonstatten.
Die Bezeichnungen der Kameras verraten weitere Einzelheiten: Das "F" steht für "focal plane shutter" (Schlitzverschluß), die Zahl gibt die kürzeste Belichtungszeit an (also 1/1600 Sekunde bei der 1600F bzw. 1/1000 Sekunde bei der 1000F).
Die Hasselblad 2000F hatte also Vorfahren mit Schlitzverschluß, der schon damals aus Metallfolie bestand. Sogar die Innereien der jüngsten und der ältesten Hasselblad-Spiegelreflexkamera zeigen an manchen Stellen eine deutliche Ähnlichkeit. Aber natürlich funktionieren die älteren Hasselblad-Modelle rein mechanisch.
Der Grund für die Modelländerung von der 1600F zur 1000F im Jahre 1952 bestand in Unregelmäßigkeiten bei der kürzesten Verschlußzeit. Da die 1/1600 Sekunde im Laufe der Serie recht ungenau war und zudem die Kamera nicht gerade durch Zuverlässigkeit glänzte, verzichtete man später auf diese Rekordzeit und verbesserte die Technik. Der legendäre Ruf der Hasselblad mußte damals ja erst erworben werden.
Die Belichtungszeiten werden am Transportrad gewählt, das zum Einstellen ein Stück weit herausgezogen wird. Das Kameragehäuse besteht praktisch aus einem Stück; nach Entfernen der Bedienungselemente können Sie das Chassis mit der gesamten Technik nach hinten herausziehen. Das ist sehr viel komplizierter, als es sich hier liest, und mancher Mechaniker hat schon davor kapituliert. Diese ungewöhnliche Lösung ermöglichte aber die extrem kompakte Form und stellte die Grundlage für die späteren Hasselblads dar.
Für jüngere SLR-Enthusiasten ist es wohl kaum vorstellbar, aber die 1600F und 1000F verfügen über keine Springblende. Wenn Sie mit kleiner Blende fotografieren, müssen Sie vor dem Auslösen immer erst den Blendenring am Objektiv betätigen, wodurch dann das Sucherbild abdunkelt.
Ohne Spiegelvorauslösung und ohne Springblende
Ein deutlicher Nachteil ist auch die Erschütterung beim Auslösen. Der Spiegel kracht ungedämpft nach oben, und eine Vorauslösung ist auch nicht möglich. Langzeitaufnahmen ohne besonders schweres Stativ verwackeln daher gnadenlos.
Allerdings findet sich bei diesen frühen Modellen ein Kunstgriff, der erst später bei der 2000F wieder auftauchte: Der Spiegel vollführt beim Hochklappen eine S-förmige Bewegung; so kann er groß dimensioniert sein, ohne bei weit in die Kamera ragenden Objektiven anzustoßen. Dies sind also die wesentlichen Besonderheiten der Hasselblad 1600F und der 1000F. Wer sich näher für die Technik interessiert, aber kein Anschauungsstück findet, kann auch die Kiev 88 zur Hand nehmen: Sie ist eine "schamlose" Kopie der Hasselblad 1000F - nur haben die Konstrukteure ihr im Laufe der Zeit eine Abblendvorrichtung spendiert und die Belichtungszeitenreihe modernisiert. Allerdings kann die Kiev auf keinen Fall das "feeling" vermitteln, mit dem schon die ersten Hasselblads aufwarten. Was diese Hasselblads mit den heutigen gemeinsam haben, ist die hervorragende Verarbeitung, die Kompatibilität des Magazins, die Kompaktheit und ein Design, das auch nach fast 50 Jahren nichts von seiner Faszination eingebüßt hat.
Für den praktischen Gebrauch ist die Hasselblad 1000F durchaus geeignet, wenn Sie das Handicap der fehlenden Springblende in Kauf nehmen - und darauf gefaßt sind, daß sich in Deutschland für Reparaturen niemand zuständig fühlt. Das Tessar kann nicht mit dem Planar konkurrieren, taugt aber allemal für gute Fotos. Außerdem gab es das Distagon 5,6/60 mm, das Sonnar 3,5/135 mm und ein 250er Tele. Ein ähnliches Objektivprogramm existierte anfangs von Kodak für die 1600F. Die heutigen Kiev-Objektive sind nur nach Modifikationen am Gewinde und am Auflagemaß an diesen Hasselblads verwendbar.
Wer mit der 1000F liebäugelt, wird in Deutschland kaum Glück haben. In den USA wird sie eher angeboten. Auch in Schweden werden Sie vielleicht fündig. Gute Stücke sind auch dort sehr rar. Für "abgewirtschaftete", aber noch funktionsfähige Apparate zahlen Sie umgerechnet 800 bis 1000 Mark.
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