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Test & Technik Report
Contax S2, Leica M6, Minox MDC, Rolleiflex 2,8 GX
Vornehm und edel
Um von A nach B zu gelangen kann man einen Kleinwagen bemühen, eine Familienkutsche, auch einen Sportwagen. Oder man entscheidet sich für eine Nobelkarosse. Dem Fotografen bieten sich bei der Wahl seiner Kamera vergleichbare Möglichkeiten. Wir präsentieren Ihnen vier Nobel-Kameras, die Fotografenherzen höher schlagen lassen.
Sie verströmen ein Hauch von Luxus, lassen durch edle Erscheinung das Fotografenherz höher schlagen - das aber ist es nicht allein, was die Nobelmodelle der Kamerabauer so attraktiv macht. Sind ihre Bilder besser als die anderer Spiegelreflexkameras? Das ganz gewiß nicht - für die Qualität der Aufnahme ist immer noch der Fotograf zuständig. Daß die auf diesen Seiten gezeigten Kameras und ihre Objektive richtig belichtete, scharfe Aufnahmen möglich machen, versteht sich von selbst.
So besonders reizvoll ist etwas anderes. Die Kameras sind von einer sympathischen, fast anachronistischen Machart. Sie laufen den neuesten Trends nicht nach, ohne deshalb altmodisch zu sein. Sie machen ihren Besitzer sicher, daß er nicht schon wenige Wochen nach dem Kauf eine Kamera besitzt, die vom neuesten Modell bereits wieder überrundet wurde. Sie verschaffen ihrem Käufer zugleich das Gefühl, sein Geld gut angelegt zu haben für Kamera, die durchaus dem Fotoalltag standhält, die er nicht als reine Wertanlage in die gesicherte Vitrine verbannen müßte. Schon auf dem Gebiet der Kompaktkameras läßt sich etwas finden, das dem oben angesprochenen Anforderungsprofil entspricht.
Die gediegene Kompakte
Die Minox MDC ist eine wirkliche Kompaktkamera. Sie ist etwa 10 Zentimeter breit, knapp 6,5 Zentimeter hoch und knapp 3,5 Zentimeter tief - zumindest, solange sie in der Tasche steckt, die sie mit ihren 215 Gramm (plus Film) nicht sehr ausbeult. Bei der Aufnahme ist die MDC etwas tiefer, denn nach guter alter Minox-Manier wird die kompakte Kamera aufnahmebereit gemacht, indem man eine zugbrückenähnliche Klappe öffnet und damit das versenkte Objektiv ans Tageslicht holt. Es handelt sich dabei um ein Minoxar mit der Kompakt-Standardbrennweite 35 Millimeter und einer Lichtstärke von 1:2,8. Dieses Objektiv wird von Hand scharfgestellt. Der Fokussierbereich erstreckt sich von 90 Zentimeter bis unendlich.
Um die richtige Entfernung zu finden, braucht der Benutzer der Minox ein gutes Augenmaß, denn es fehlt nicht nur der Autofokus, sondern auch jede Scharfstellhilfe. Die bewährte Schnappschußeinstellung kommt hier wieder zu ihrem Recht, und die Schärfenzonenskala mit Markierungen für alle Blenden hilft, sie zu benutzen.
In Sachen Belichtung ist die MDC schon fortschrittlicher und bietet immerhin Programm- und Zeitautomatik. Letztere setzt voraus, daß eine Blende zwischen 2,8 und 16 am Blendenring des Objektivs vorgewählt wird, was wegen der geringen Breite des Rings nicht immer ganz einfach ist. Wer große Hände hat, sollte es bei der Programmautomatik bewenden lassen, die gut und sauber arbeitet. Sie hat, wie auch die Zeitautomatik, Zugriff auf Verschlußzeiten von einer bis 1/500 Sekunde. Die Zeiten von 1/30 bis 1/500 Sekunde werden im Sucher angezeigt. Welche dieser Zeiten zum Einsatz kommt, hängt außer von der Helligkeit des Objekts von der Empfindlichkeit des eingesetzten Films ab, die sich von ISO 25/15xGRADx bis ISO 1600/33xGRADx in Drittelstufen einstellen läßt. Die Belichtungsmessung erfolgt nicht durch das Objektiv (TTL), aber immerhin sehr nah an der optischen Achse. Um sie in schwierigen Situationen zu entlasten, steht dem Fotografen die Meßwertspeicherung sowie eine Gegenlichtschaltung zur Verfügung, die die Belichtungszeit verdoppelt. (Achtung: Verdoppeln bedeutet, um eine Stufe zu verlängern, und wenn im Sucher 1/30 Sekunde angezeigt wird, kommt die verwacklungsgefährdete 1/15 Sekunde zum Einsatz!) Ein Stativanschluß ist vorhanden und ein Drahtauslöseranschluß ebenfalls, wodurch unverwackelte Aufnahmen auch in der Dämmerung und in dunkleren Räumen möglich sind. Wird es auch für ISO 1600/33xGRADx, Blende 2,8 und eine Sekunde Belichtungszeit zu dunkel, kann ein Blitz in den Blitzschuh gesteckt werden - die Minox-Blitzgeräte MF 35 ST und MT 35 passen in ihrer Form genau zur MDC, jedoch nicht in ihrer schwarzen Farbe. Das Aluminium-Gehäuse der MDC schimmert dank einer Beschichtung aus Titanal-Eloxat matt silbrig. Die Minox MDC kostet etwa 1100 Mark.
Der Tradition verpflichtet
Mit der Rolleiflex 2,8 GX hält Rollei die Tradition des Hauses aufrecht, allerdings nicht ohne Zugeständnisse an die Anforderungen heutiger Fotografen. Das hat zwar nicht so weit geführt, daß man dieser Kamera Wechselobjektive spendiert hätte, aber immerhin wurde ein TTL-Belichtungsmesser eingebaut, und wenn der Rollei-Fotograf sich gezwungen sieht, einen Blitz zu benutzen, steht ihm die TTL-Technik zur Verfügung.
Die Rolleiflex 2,8 GX ist eine zweiäugige Spiegelreflexkamera mit einem fest eingebauten Rollei HFT Planar 2,8/80 mm als Aufnahmeobjektiv und einem fest eingebauten Heidosmat 2,8/80 mm als Sucherobjektiv. Die Scharfstellung erfolgt über ein Einstellrad auf der linken Kameraseite. Die Naheinstellgrenze liegt bei einem Meter, ohne daß die Parallaxe zwischen dem Sucher- und dem Aufnahmeobjektiv sich störend bemerkbar machen würde. Zwischen den beiden Objektiven sind zwei Rändelräder untergebracht. Am linken ist die Blende zu wählen (kleinster Wert ist 22), am rechten die Verschlußzeit. Die Zeitenskala reicht von einer bis zu 1/500 Sekunde. Beide Werte können in einem kleinen Fenster in dem Fassung des Sucherobjektivs von oben abgelesen werden. Das paßt zur typischen Aufnahmehaltung, die vom Lichtschachtsucher vorgeschrieben wird. Es stehen auch Prismensucher zur Verfügung, die aber nicht so recht zum Charakter dieser Kamera passen wollen.
Die Verschlußzeiten bildet ein sehr leiser Zentralverschluß. Für das Verschlußspannen und den Filmtransport ist eine Kurbel zuständig, die mit jenem Vor- und Rückschwung bewegt wird, der typisch für die Rolleiflex-Kameras ist. Untypisch ist hingegen der TTL-Belichtungsmesser, der seine Energie aus einer 6-Volt-Batterie (Typ PX 28) bezieht. Ein Platz für diese Batterie ließ sich offenbar nur im Fokussierrad finden. Doch mußte dieses Rad deshalb so unpassend modern ausfallen? Es wirkt wie ein Fremdkörper und zerstört die klassische Linie einer zweiäugigen Rolleiflex.
Der Belichtungsmesser funktioniert sehr gut. Er ist stark mittenbetont ausgelegt, bietet aber einen etwas weiteren Meßwinkel als Leica M6 und Contax S2. Die Belichtungsmessung erfolgt durch das Sucherobjektiv. Das weckt den Verdacht, daß Fremdlicht durch die große Einstellscheibe fallen und die Messung verfälschen könnte. In der Praxis genügt jedoch der über den Lichtschacht gebeugte Kopf des Fotografen, um das Fremdlicht abzuschirmen.
Oberhalb beziehungsweise vor der Mattscheibe weist eine Kette aus fünf LEDs den Weg zur richtigen Belichtung. Daß zwei gelbe LEDs Über- und Unterbelichtung um eine halbe Stufe signalisieren, macht es leicht, Belichtungskorrekturen durchzuführen. Um generell reichlicher oder knapper zu belichten, kann man das Filmempfindlichkeitsrad bemühen, an dem Werte von ISO 25/15' bis 6400/39' eingestellt werden können. Die TTL-Blitzlichtmessung läßt sich über den Blitzadapter SCA 356 realisieren, wobei der Adapter seinen Platz im Blitzschuh auf der linken Seite findet. Der Preis für diese moderne Variante der guten alten Rolleiflex liegt bei etwa 3500 Mark.
Solide, leise und zeitlos elegant
Die Leica M6 schwimmt als manuelle, mechanische Meßsucher-Systemkamera deutlich gegen den Strom der automatischen, elektronischen Spiegelreflex- und kompakten "All in One"-Kameras. Das Gehäuse der M6 ist schlicht und übersichtlich. Der Verschlußzeitenknopf ist ein bißchen zu klein und befindet sich ein wenig zu weit hinten, was sich aber wegen des Entfernungsmesser-Fensters nicht ändern läßt. Das Einstellrad rastet bei allen vollen Werten von einer bis 1/1000 Sekunde. Diese Zeiten bildet der Schlitzverschluß, der immer noch der leiseste seiner Zunft ist. Im Gegensatz zu Verschlüssen früherer Leicas ist bei diesem der erste Vorhang mit einem Punkt versehen, der aussieht, als hätte die weiße Farbe nicht so recht auf dem Gummituch gehalten. Doch dieser Eindruck täuscht - der Punkt muß so sein, um die Beweglichkeit des Vorhangs nicht zu beeinträchtigen. Nötig ist der Punkt, um Licht zur Meßzelle zu reflektieren, die ins Gehäuse eingebaut ist und die M6 zur Kamera mit TM-Punktmessung macht. Wer sich darauf einläßt, mit einer Präzisionsmaschine vom Schlage der Leica M6 zu fotografieren, sollte sich die Zeit nehmen und lernen, mit der Punktmessung genau umzugehen. Da die Zelle im Gehäuseboden sitzt und das Licht aus der Filmebene bekommt, ist die M6 mit allen Leica-M-Objektiven für den Belichtungsmessereinsatz zu gebrauchen. Um die Belichtung messen zu können, ist die Eingabe der Filmempfindlichkeit notwendig. Zu diesem Zweck wurde die Filmmerkscheibe auf der Rückwand entsprechend modifiziert. Nun können alle Empfindlichkeiten von ISO 6/9xGRADx bis 6400/39xGRADx in Drittelschritten eingegeben werden.
Neben der Belichtungsmessung, deren Ergebnis manuell umzusetzen ist, ist die Entfernungsmessung die zweite wichtige Hilfe, die dem Leica-Benutzer gewährt wird. Der Mischbildmesser ist für den Umsteiger von der Spiegelreflexkamera auf das Meßsuchermodell etwas gewöhnungsbedürftig, überzeugt dann aber durch seine Sicherheit - auch bei wenig Licht. Die Entfernungsmessung funktioniert außerdem - anders als bei einer Spiegelreflexkamera - unabhängig vom angesetzten Objektiv, dessen Lichtstärke und Brennweite in diesem Zusarnmenhang also belanglos sind.
Die Auswahl an Objektiven für die Leica M6 ist nicht eben groß, umfaßt aber alle wichtigen Brennweiten von 21 bis 135 Millimeter. Da das Sucherbild immer gleich bleibt und der jeweilige Bildausschnitt nur durch eingespiegelte Leuchtrahmen angezeigt wird, sind die Objektive mit 35, 50 und 90 Millimetern eine hervorragende Kombination, denn ihre Bildfelder sind gut zu überblicken und zu beurteilen. Diese Brennweitenkombination steht mit drei Objektiven zur Verfügung, die nicht nur als Summicron-Typen die Lichtstärke von 1:2 gemeinsam haben, sondern auch die verchromten Gehäuse, die hervorragend zur Leica M6 passen. Das Kameragehäuse kostet zirka 4400 Mark, die genannten Objektive runden den Preis auf gute 1 1000 Mark auf.
Rückblick und Fortschritt
Die Contax S2 ist auf den ersten Griff eine kompakte, leichte und handliche Kamera - ein Eindruck, zu dem auch die weiche, aber griffige Belederung ihren Teil beiträgt. Die Ausstattung der S2 ist sehr übersichtlich, um nicht zu sagen karg. Was hat die S2 zu bieten? Die Belichtungsmessung erfolgt, wie bei der Leica, ausschließlich per Punktmessung, der Belichtungsabgleich wird per Hand vorgenommen. Allerdings wird bei der Contax S2 im Sucher nur die Verschlußzeit angezeigt, nicht aber die Blende. Außerdem wird die Verschlußzeitenanzeige für die Nachführsteuerung herangezogen. Die am Verschlußzeitenrad eingestellte Zeit blinkt in der Kette der numerischen LEDs, die vom Belichtungsmesser für richtig befundene Zeit leuchtet stetig. Dem Fotografen obliegt es nun, durch Verändern von Zeit oder Blende dafür zu sorgen, daß nur noch ein Wert blinkend angezeigt wird.
Wechselt die Vorgabe des Belichtungsmessers rasch, zum Beispiel weil man die Kamera nicht ganz ruhig hält, und werden dabei auch noch Zwischenwerte durch das Aufleuchten zweier benachbarter Ziffern angezeigt, so ist der Belichtungsabgleich nicht eben einfach. Eine einfache Lichtwaage hätte hier bessere Dienste geleistet ganz abgesehen davon, daß Meßnadel und Nachführkeile dem Charakter dieser Kamera besser entsprochen hätten.
Untypisch für eine Contax ist das Verschlußzeitenrad mit Rastungen für eine bis 1/4000 Sekunde in ganzen Stufen sowie "B", das rechts vom Prismendach zu finden ist, während links davon das Filmempfindlichkeitsrad untergebracht wurde. Es stehen alle Werte von ISO 12/12' bis ISO 6400/39' zur Wahl. Die sonstige Ausstattung: Blitzschuh mit Extrakontakt für die Blitzbereitschaftsanzeige, Hauptschalter, Drahtauslöseranschluß und Abblendtaste. Außerdem - und das erscheint angesichts der Tatsache, daß nicht einmal ein Winderanschluß vorgesehen ist, recht merkwürdig - gibt es einen Selbstauslöser und einen Mehrfachbelichtungshebel. Die Contax S2 hat, es wurde bereits erwähnt, als kürzeste Zeit 1/4000 Sekunde zu bieten. Möglich macht dies ein vertikal ablaufender Verschluß mit leichten Lamellen. Bei den längeren Zeiten ist lediglich das leise Surren zu hören, mit dem das mechanische Hemmwerk seine Arbeit vernichtet. Auch der Spiegelschlag ist gut gedämpft, und so ist die S2 insgesamt eine recht leise Kamera.
"Jubiläumsobjektiv" von Carl Zeiss
Um eine Contax S2 zu benutzen, braucht man keine Objektive mit MM-Charakteristik, da ja weder Programm- noch Blendenautomatik zur Debatte stehen. Dennoch sind MM-Objektive die bessere Wahl, denn irgendwann kommt vielleicht eine ST oder auch eine RTS III hinzu. Da die S2 mit ihrem Namen auf die erste Contax-SLR - die Contax S von 1948 - verweisen soll, ist es vielleicht angebracht, ihr auch ein "Jubiläumsobjektiv" zu spendieren - etwa das Carl Zeiss Planar T* 1,2/85 mm, das mit dem Schriftzug "Contax 60 Years" versehen ist. Für die S2 sind etwa 2100 Mark zu bezahlen, für das 1,2/85-mm-Jubiläumsobjektiv schlagen rund 5700 Mark zu Buche.
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