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Artikel
Test & Technik Praxisbericht
Minolta Dynax 700si
Fortschritt als Rückbesinnung
Umdenkprozesse werden gelegentlich auch in Japan in Gang gesetzt - mit Vorliebe dann, wenn der gewünschte Verkaufserfolg ausbleibt. Bei der Minolta Dynax 700si haben statistische Erkenntnisse hinsichtlich der Wünsche der Käufer die nicht immer marktnahen Ideen einiger Topmanager als Konstruktions- und Verkaufsargument ersetzt. Wir haben das Produkt dieses Umdenkprozesses im Rahmen unseres Praxistests ausgiebig geprüft.
Der Fortschritt, den die neue Minolta Dynax 700si gegenüber anderen Dynax-Modellen aufweisen kann, ist evident, auch wenn die Kamera wenig Fortschrittliches, sprich neue Ausstattungsmerkmale, zu bieten hat. Der Fortschritt ist vor allem in der Bedienbarkeit der hinlänglich bekannten Funktionen zu suchen, jener Bedienbarkeit also, die wir bei der Dynax 7xi doch recht heftig vermißt haben. Auch bei der Ausstattung war gegenüber der Dynax 7xi Zurückhaltung geboten.
Im Praxisbericht in COLOR FOTO 8/91 schrieben wir zur Dynax 7xi: "Mit der automatischen Brennweitenvorwahl (ASZ) konnten wir uns nicht so recht anfreunden. Sie ist vielmehr die Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat." Beim Nachfolgemodell, der Dynax 700si, hat man auf diese Funktion erfreulicherweise verzichtet. Im gleichen Bericht haben wir auch auf die Unzulänglichkeiten des Schärfentiefe-Indikators der Dynax 7xi ausdrücklich hingewiesen und zugleich das Fehlen einer herkömmlichen Abblendtaste bemängelt. Die Dynax 700si nun besitzt keinen Schärfentiefen-Indikator, sondern eine konventionelle Abblendtaste. Auch die Eye-Start-Funktion der Dynax 7xi war nicht der Weisheit letzter Schluß. Diese Funktion fehlt bei der neuen Kamera leider nicht, ist jedoch über einen separaten Schieber abschaltbar.
Die Handhabung der neuen Kamera ist für eine Autofokuskamera sehr einfach. Die Bedienungselemente sind gut plaziert, und die zahlreichen Funktionen lassen sich problemlos aktivieren, ohne das Erinnerungsvermögen des Fotografen zu strapazieren. Bei gedruckter Mode-Taste werden die Belichtungsprogramme wahlweise mit dem vorderen oder dem hinteren Einstellrad aktiviert. Auch die Belichtungskorrektur kann bei angetippter Korrekturtaste wahlweise mit dem vorderen oder dem hinteren Einstellrad eingegeben werden. Über die sogenannte "Paniktaste" kann die Programmautomatik mit den Grundeinstellungen per Tastendruck jederzeit aufgerufen werden. Die Belichtungsreihenautomatik ist aktiviert, wenn die Korrekturtaste während des Auslösens gedrückt wird, was sowohl im Quer- als auch im Hochformat ohne weiteres möglich ist.
Die Hochformathaltung wird durch den als Zubehör erhältlichen Funktionshandgriff VC-700 wesentlich erleichtert. Der Funktionshandgriff ist mit den wichtigsten Bedienungselemente ausgestattet. Die Bedienungselemente, wie Einstellräder, Autofokus- und Spottaste, Auslöser und Hauptschalter sind so angebracht, daß sie bei Hochformathaltung der Kamera genauso bedient werden können wie in Querformatlage.
Die drei Belichtungsmeßmethoden der Dynax 700si, nämlich 14-Segment-Mehrfeldmessung, mittenbetonte Integralmessung und Spotmessung, können mit Programm-, Zeit- und Blendenautomatik sowie mit der manuellen Belichtungseinstellung beliebig kombiniert werden.
Flexible Belichtungsmeßfunktionen
Dadurch ist es möglich, sehr genau auf jede Motiv- und Lichtsituation zu reagieren. Der verbesserten Software ist es zu verdanken, daß die AF-gekoppelte Mehrfeldmessung der Dynax 700si auch bei relativ schwierigen Lichtverhältnissen genauer arbeitet als die beim Vorgängermodell. Sehr hilfreich ist auch der sogenannte Belichtungsindikator, der vielfältige Funktionen erfüllt. Wenn beispielsweise bei aktivierter Mehrfeldmessung die Belichtungskorrekturtaste gedrückt wird, erscheint links im Sucher eine Skala (identisch mit der Belichtungskorrekturskala). Die Nullposition des Indikators entspricht dem Meßwert der mittenbetonten Integralmessung, und die Zeigerposition gibt die Abweichung der Mehrfeldmessung von dem integral gemessenen Wert an (in den Automatikprogrammen). Bei der Anzeige der Abweichung wird gegebenenfalls auch die eingegebene Belichtungskorrektur automatisch berücksichtigt. Auf diese Weise kann der erfahrenere Fotograf, der die Wirkung der mittenbetonten Integralmessung kennt, abschätzen, in welchem Maß die motivrelevanten Daten (Größe und Position des Hauptobjekts, Gegenlicht usw.) von der Mehrfeldmessung berücksichtigt worden sind. Maßstab des Vergleichs ist also die Integralmessung, was sehr praxisnah ist. Daß dadurch der Sinn der Mehrfeldmessung in der anspruchsvollen Fotografie in Frage gestellt wird, sei nur nebenbei erwähnt.
Der Belichtungsindikator hat aber auch andere Funktionen, wie beispielsweise die Anzeige des Werts der manuellen Belichtungskorrektur bei allen drei Meßarten (bei gedruckter Belichtungskorrekturtaste). Bei gedruckter Spottaste markiert die Nullposition den gespeicherten Wert der Spotmessung, während der Zeiger die Differenz zum Meßwert der Motivpartie, die momentan vom Spotmeßkreis erfaßt wird, angibt. Der Wert der Spotmessung bleibt bei gedruckter Spottaste gespeichert (ohne Autofokus-Speicherung). Bei manueller Belichtungseinstellung dient der Indikator dem Belichtungsabgleich, wobei die Nullposition das Meßergebnis der jeweiligen Belichtungsmeßart, der Zeiger die Abweichung der eingestellten Belichtung markiert.
Belichtungsautomatik
Die Programmautomatik ist sozusagen die Grundfunktion der Dynax 700si und kann sowohl von Fotoanfängern als auch von anspruchsvollen Fotografen, die höchsten Bedienungskomfort zu schätzen wissen, eingesetzt werden. Über die "P"-Rückruftaste, die auch als "Paniktaste" bekannt ist, kann die Programmautomatik samt Grundeinstellung der Belichtungs- und Autofokusmessung sowie des Filmtransports aus jeder Funktion per Tastendruck wieder aktiviert werden. Dadurch kann man das sonst erforderliche Umschalten in verschiedenen Ebenen umgehen.
Die Programmautomatik läßt sich auch "shiften", das heißt die Zeit-Blenden-Kombination kann bei gleichbleibendem Belichtungswert in halben Stufen nach Wunsch "verschoben" werden. Auf diese Weise kann man mit Blende und Verschlußzeit gestalten, ohne in die Zeit- oder Blendenautomatik umschalten zu müssen. Das "Shiften" kann wahlweise über beide Einstellräder erfolgen, wobei beim Drehen des hinteren Einstellrads die Blende (Symbol PA) und beim Drehen des vorderen die Verschlußzeit (Symbol PS) verändert wird. Die Wirkung auf die Zeit-Blenden-Kombination ist in beiden Fällen aber natürlich identisch. Die Programmautomatik kann in der Blitzfotografie nicht "geshiftet" werden. Wenn das eingebaute oder ein externes Blitzgerät aktiviert ist, so ist das Programm-Shift blockiert. Aktiviert man ein Blitzgerät bei "geshifteter" Programmautomatik, wird das Programm-Shift automatisch gelöscht; die Kamera arbeitet dann wie sonst in der Programmautomatik.
In der Zeitautomatik (A) kann die gewünschte Blende mit einem der beiden Einstellräder (wahlweise) vorgewählt werden. Das ist in der Praxis sehr sinnvoll, denn es kann sonst - auch bei erfahrenen Fotografen - vorkommen, daß sie nicht immer auf Anhieb wissen, ob das vordere oder das hintere Einstellrad für die Blendenvorwahl zuständig ist. Gleiches gilt für die Blendenautomatik (S), bei der die Verschlußzeit wahlweise über das vordere oder das hintere Einstellrad vorgewählt werden kann. Blinkende Verschlußzeiten- beziehungsweise Blendenanzeigen warnen vor Unter- oder Überbelichtung. Die Fehlbelichtung wird aber mit den eingestellten Werten durchgeführt, sofern Blende oder Verschlußzeit nicht entsprechend einer korrekten Belichtung verändert wurden.
Manuelle Einstellungen
Böse Zungen behaupten das Wichtigste an einer Automatikfunktion sei die Möglichkeit, sie abzuschalten. Wer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen will, kann bei manueller Belichtungseinstellung (M) Blende sowie Verschlußzeit per Hand in halben Stufen einstellen. Die Verschlußzeit kann mit dem vorderen, die Blende mit dem hinteren Einstellrad eingestellt werden. Der Belichtungsabgleich wird in halben Stufen im Sucher angezeigt, und zwar auf der Skala, die in den Automatikfunktionen als Korrekturskala oder als Belichtungsindikator fungiert. Die Skala (die im Minolta-Jargon ebenfalls Belichtungsindikator genannt wird) reicht von - 3 bis + 3 LW, wobei die Nullmarkierung für den von der Kamera ermittelten Belichtungswert steht. Ist die Abweichung größer als 3 LW, erscheint kein Zeiger, sondern nur das Minus- oder Pluszeichen in der Sucherleiste.
Die Umschaltung von Autofokus auf manuelle Scharfeinstellung erfolgt über die entsprechende Taste an der Kamera (AF/M). Auf dem Datenmonitor erscheint in einem Rahmen "M.FOCUS". Die Scharfeinstellung kann nach Sicht auf der Einstellscheibe erfolgen. Die Dynax 700si bietet aber auch eine elektronische Einstellhilfe. Erkennt einer der Autofokus-Sensoren eine scharfe Abbildung, leuchtet im Sucher das grüne Fokussiersignal auf.
Das Autofokussystem der Dynax 700si (mit verbesserter Software) ist mit Sicherheit eines der besten auf dem Markt. Es regiert sehr schnell auf jede Art von Bewegungsabläufe und kann sogar bei Beschleunigung oder beim Abbremsen die voraussichtliche Objektposition im Augenblick der Belichtung errechnen.
Sehr guter Autofokus
Die Kamera erkennt selbständig die Bewegung eines Objekts und schaltet automatisch auf Nachführautofokus mit multidimensionaler Prädiktion um. In der Grundeinstellung arbeitet die Dynax 700si mit Schärfepriorität, das heißt die Kamera kann erst bei erfolgter Scharfeinstellung ausgelöst werden. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, auf Auslösepriorität umzuschalten: Die Tasten für Selbstauslöser/ Filmtransportfunktion sowie für Filmempfindlichkeit im Kartenfach müssen zu diesem Zweck gleichzeitig gedrückt werden. Auf dem Monitor erscheint "AFP" (Schärfepriorität). Anschließend kann über eines der Einstellräder das Symbol "RP" (Auslösepriorität) eingestellt werden.
Um zur Schärfepriorität zurückzukehren, kann man diese Schritte wiederholen oder einfach die "P"-Taste drücken. Wem die Umschaltung zwischen Schärfe- und Auslösepriorität zu umständlich ist, kann die Auslösepriorität auch in den Memo-Speicher aufnehmen und durch Drücken der Memory-Taste jederzeit aktivieren.
Im Querformat arbeitet die Dynax 700si mit vier AF-Sensoren. Bei Hochformathaltung wird automatisch ein AF-Sensor abgeschaltet und das AF-Meßfeld der neuen Kamerahaltung angepaßt. Das Autofokussystem bestimmt automatisch, welcher der AF-Sensoren das Objekt erfaßt. Die AF-Sensoren können aber auch einzeln aktiviert werden. Beim Druck auf die Autofokus-Taste auf der Gehäuserückseite ist nur der zentrale AF-Sensor eingeschaltet; die Schärfe kann bei gedruckter AF-Taste unabhängig von der Belichtung gespeichert werden. Die Reichweite des Autofokus-Hilfslichts ist mit 7 Metern recht großzügig bemessen.
Eine Funktion, die wichtiger ist als man auf den ersten Blick vermutet, ist die sogenannte Memo-Funktion. Mit dieser Funktion kann eine Reihe von Kameraeinstellungen, die man häufig benutzt, gespeichert und per Tastendruck aktiviert werden. Es können zahlreiche Einstellungen gespeichert werden, wie zum Beispiel Belichtungsfunktionen (P, A, S und M), Belichtungsmeßarten, Blendeneinstellungen (von 1 bis 64, vom verwendeten Objektiv abhängig), Verschlußzeiten (zwischen 1/8000 Sekunde und 30 Sekunden sowie B), Filmtransportarten, Blitzfunktionen, Blitz- und Belichtungskorrekturen, Autofokus-Meßzonen und -Betriebsarten. Die einzelnen Funktionen können in beliebiger Kombination auf sehr einfacher Weise gespeichert werden. So könnte man, um nur ein Beispiel zu nennen, folgende Kombination speichern: Zeitautomatik, Integralmessung, Belichtungskorrektur von + 0,5 LW, zentraler AF-Sensor, Blende 8, Serienbildschaltung. Diese Kombination, die für die Reisefotografie bei Verwendung beispielsweise eines Fujichrome-Velvia-Diafilms gedacht ist, wird durch einen leichten Druck auf die "M"-Taste aktiviert. Um zu den Grundeinstellungen zurückzukehren, genügt es, die "P"-Taste zu drücken.
Fazit
Wir haben wochenlang mit der Minolta Dynax 700si fotografiert und sämtliche Funktionen ausgiebig geprüft. Es würde jedoch an dieser Stelle zu weit führen, auf alle Funktionen einzugehen, so daß wir uns auf die wichtigsten konzentriert haben. Die Funktionsfähigheit unserer beiden war einwandfrei. Bei den neuen Objektiven hat vor allem das Minolta AF 3,5-4,5/24-85 mm durch eine gute optische Leistung und einen attraktiven Brennweitenbereich überzeugt. Die üppige Ausstattung bei guter Handhabung sowie die Tatsache, daß im Test keine Mängel festzustellen waren, haben dazu geführt, daß die Minolta Dynax 700si die höchste COLOR FOTO-Praxisauszeichnung, das Prädikat Praxisbericht hervorragend **** erhält.
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