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Artikel

1998

Photographica

Argus-Kamera

The American Way

Brikett sagen die einen, andere nennen sie Ziegelstein. Ein Brikett oder ein Ziegelstein dürfte beim Design Modell gestanden haben. Trotzdem ist die amerikanische Kleinbildkamera Argus 3C mehr als eine Kuriosität. In ihrem Ursprungsland war sie wegen ihrer Solidität lange Zeit sehr beliebt.

Ungewöhnlich ist die Argus allemal und urtümlich. Die Vorderfront mit dem Objektiv läßt sich komplett abschrauben, so daß der Verschlußmechanismus zum Vorschein kommt. Da dieser nicht im Objektivtubus untergebracht ist, darf er viel Platz beanspruchen und sehr einfach gebaut sein. Das Zeitenrad (1/300 bis 1/5 sec) befindet sich an der Vorderwand; die B-Einstellung wird an dem Ring um den Auslöser geregelt. Vor dem Auslösen muß der Verschluß aber noch gespannt werden. Dies geschieht an dem kleinen Hebel an der Vorderseite unter dem Auslöser. Eine Verbindung mit dem Filmtransport ist nicht vorhanden; eine Doppelbelichtungs- und Leertransportsperre existiert nicht.
Auch beim Entfernungsmesser hatte der Konstrukteur freie Hand. Das Gerät, als Modul von oben eingesetzt, läßt sich nach dem Lösen zweier Schrauben herausnehmen. Die Kupplung mit dem Objektiv ist denkbar einfach: unter der Metallkappe zwischen Entfernungsmesser-Rad und Objektiv befindet sich ein Zahnrad, das die Zahnkränze des Entfernungsmessers und des Objektivs miteinander verbindet. Der winzige Sucher hat einen separaten Einblick.
Der Filmtransport ist ebenso simpel wie die übrige Technik: Die Filmperforation greift in eine Zahnrolle, die das Bildzählrad antreibt und nach einer Umdrehung durch einen Rasthebel gestoppt wird. Zum erneuten Drehen des Transportrades muß der Rasthebel vom Bildzählrad weggedrückt werden.
Soweit die Technik. Aber das Charakteristische an der Kamera ist doch etwas anderes. Das Chassis besteht aus einem extrem massiven Gußkörper; an manchen Stellen beträgt die Wandstärke über 15 mm! Das originelle Rückwand-Scharnier (Typ Klavierband) ist mit nicht weniger als zehn Schrauben befestigt. Entsprechend schwer ist die Kamera, sie bringt über 800 g auf die Waage - für eine Kleinbildkamera mit einem dreilinsigen Objektiv der Lichtstärke 3,5 und einfacher Ausstattung nicht gerade wenig. Einzig an der Filmandruckplatte hat der Hersteller gespart: Sie ist aus dünnstem, gepreßtem Blech.
Bleibt noch die Frage: Was hat sich der Konstrukteur gedacht bei diesem Mißverhältnis zwischen Ausstattung und Materialverbrauch, und warum mußte es gerade die Form eines Ziegelsteins sein? Die Erklärung liegt in der Entstehungszeit. Das Design entstand 1938 und unterlag nur einem einzigen modischen Einfluß: möglichst solide und zeitlos zu wirken. Denn Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit sollten damals noch nicht um sich greifen. Es gab noch ein Empfinden für die Einfachheit und für das Ungekünstelte. Da kam eine Kamera wie die Argus gerade recht - trotz ihrer Unhandlichkeit, und vielleicht gerade wegen ihrer nicht vorhandenen Eleganz.
Es gab damals auch andere Argus-Modelle: Fast zeitgleich entstanden die billigeren A- und B-Modelle mit abgerundetem Bakelite-Gehäuse, und in den fünfziger Jahren kam die wesentlich elegantere C4 mit Entfernungsmesser auf den Markt. Doch das "Brikett" wurde in Variationen bis 1966 (!) hergestellt. In Amerika wird es häufig, in Deutschland seltener angeboten. Preisgünstig ist es hier trotzdem - nämlich in der Regel für deutlich weniger als 100 Mark.

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