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Erfahrungsbericht
Die neue Contax RTS II Quartz ...
Eine Spitzenkamera?
Die Contax RTS II trägt als jüngstes Kind diesen ruhmreichen Namen. Alexander Borell hielt die neue Kamera als einer der Ersten in Händen und versuchte die Frage zu klären: "Ist diese RTS II eine Spitzenkamera?" Seine Antwort finden Sie in seinem Kommentar. Red.
Wäre die neue Contax RTS II Quartz auf der photokina 1974 vorgestellt worden, wäre sie die Welt-Super-Kamera gewesen, als die man damals die RTS ledergebunden und in Vierfarbendruck angepriesen hat. Inzwischen sind acht Jahre vergangen, und Yashica hat aus den Zwischenmodellen Contax 137 und 139 eine Menge gelernt. Aber auch Canon, Minolta, Nikon, Pentax und Ricoh haben - wie es die neuen 82er Modelle beweisen - diese acht Jahre nicht verschlafen, sondern z. T überaus attraktive und zukunftsweisende Neuerungen auf den Markt gebracht. Eine Spitze entsteht nur da, wo etwas über den Durchschnitt herausragt. So muß sich auch die RTS II dem Vergleich mit anderen Kameras stellen, wenn sie das Prädikat einer Spitzenkamera für sich beansprucht.
Um die Antwort vorwegzunehmen: Sie ist eine Spitzenkamera!
Der Name Contax ist inzwischen 50 Jahre alt geworden, mehr als 40 Jahre davon war "die Contax" eine der deutschesten Kameras aus dem Hause Zeiss. Ich besitze noch eine alte Contax llla, damals ein Wunderwerk der Technik, und einen russischen Nachbau namens Kiew.
Was die Japaner daraus machten, als sie den Namen Contax von Zeiss erwarben, hat mit einem Nachbau nicht das geringste zu tun. Die RTS wurde eine beachtenswerte Kreation, in ein Porsche-Design verpackt. Der neuen RTS hat man den Porsche-Anteil belassen: sie ist auch in der neuen Version als RTS II die schönste KB-Spiegelreflex der Welt. Sie ist kein Multi-Automat geworden, sie hat nicht einmal die heute so moderne Programm-Automatik.
Sie hat keine leuchtende Fokussierhilfe.
Sie schafft weder die 1/200 Blitzsynchronisation, noch die 1/4000 Verschlußzeit.
Sie hat auch keine Solar-Zellen, die den Batterienverbrauch erheblich reduzieren.
Und trotzdem hat sie alles, was ein Spitzenfotograf braucht, um Spitzenfotos zu machen. Worin unterscheidet sie sich von ihrer Vorgängerin, was also kann sie nun wirklich?
1 Alle Zeitfunktionen sind nun quartzkontrolliert, was präzise Werte ermöglicht. Elektronik in einer Kamera ist billiger, zugleich aber auch genauer und praktisch ohne Verschleiß.
2 Wenn Sie das hierfür vorgesehene Blitzgerät verwenden, ergibt sich eine Blitzautomatik mit Belichtungsmessung durch das Objektiv, direkt auf dem Film. Dies ist ein überaus wichtiger Fortschritt für alle jene Fotografen, die nicht vor jedem Blitzen erst komplizierte Anwendungsstudien machen wollen.
3 Der neue Schlitzverschluß besteht aus Titanium, was Haltbarkeit und präzisen Ablauf fördert.
4 Falls einmal die Batterien ihren Geist aufgeben, haben Sie jetzt die mechanische Verschlußzeit 1/50 Sekunde, zusätzlich noch B. Beides wird Ihnen nicht allzuviel helfen, wenn Sie das Unheil in der Wüste Gobi ereilt, und Sie keinen Handbelichtungsmesser mit sich führen. Das ist also nur für jene Leute ein Vorteil, die Hosenträger und Gürtel zu tragen pflegen.
5 Man hat der RTS II nun endlich auch einen normalen Drahtauslöseranschluß spendiert und
6 wurde das Sucherbild auf 97% vergrößert, was sicherlich dem Dia-Fotografen gefallen wird.
7 In der Steinzeit wälzte man, wenn man abends in die Disco gehen wollte, einen Felsblock vor die Höhle. Später erfand man die Türe, und daß man, um bei der alten RTS Fremdlicht vom Sucherokular fernzuhalten, eine Augenmuschel darüber schieben sollte, empfand ich schon 1974 als Zumutung. Das hat sich geändert: Sie können nun mit einem kleinen Hebel das Okular verschließen.
8 Digitale LED-Anzeigen von Blende und Verschlußzeit im Sucher sind heute keine Sensation mehr, aber es ist erfreulich, daß die neue RTS II das jetzt auch hat. Dabei ragt nichts in das - übrigens hervorragende! Sucherbild hinein.
9 Auch die Einstellung der Belichtungskorrektur - die übrigens dort erfolgt, wo andere Kameras den Verschlußzeitenknopf haben - wird nun deutlich über LED im Sucher signalisiert, was vor Fehlbelichtungen schützt.
10 Ein manueller Belichtungsabgleich erfolgt ebenfalls über die LED-Anzeige. Dies erleichtert gezielte manuelle Arbeit mit der RTS II,
11 Ebenso warnt Sie diese Kamera, jetzt auch per LED im Sucher, vor Ober- bzw. Unterbelichtung.
12 Wenn irgendwelche LEDs leuchten, ist dies ein Anzeichen dafür, daß die Batterien ordentlich arbeiten. Mögen sie das einmal nicht mehr, gibt es keine Fehlbelichtungen: die Kamera blockiert sich dann selber.
13 Bei Kameras, die mehr oder weniger undefiniert "mittenbetont" integral das Aufnahmelicht messen, scheint mir für korrekte und durchdachte BiIdgestaltung eine Speicherung des subjektiven Meßwertes unerläßlich. Auch das kann die RTS II.
14 LED-Anzeigen im Sucher verbrauchen Strom. Je mehr Anzeigen und je deutlicher sie erkennbar sind, desto mehr fressen Sie die Batterien auf. Das führt bei manchen Besitzern solcher Fresser-Kameras dazu, daß sie ständig den Finger am Aus-Einschalter haben, um dann vor einem besonders köstlichen Schnappschuß fluchend festzustellen, daß sie die Kamerafunktion gerade wieder einmal abgeschaltet hatten. Bei der RTS ist auch hier ein Problem zweckmäßig gelöst worden: sie schaltet den Meßstrom nach etwa 15 Sekunden selber ab; beim leisesten Fingerdruck schaltet er sich jedoch blitzschnell wieder ein. Trotzdem hat Yashica
15 über einen Hauptschalter "Selbstschüsse" verhindert, die ja eine Spezialität der alten RTS gewesen sind. Gesperrt sehen Sie nichts, eingeschaltet wird ein roter Punkt sichtbar. Mir macht dies leichtes Kopfzerbrechen, weil ich stets denke, "rot" bedeute gesperrt, und dann - löst sie aus. Warum können sich Kamerahersteller nicht international auf die Farben einigen, die jeder Mensch durch die Verkehrszeichen im Blut hat: rot ist gesperrt, grün ist frei? Manche Dinge sind so logisch, daß sie niemand akzeptieren will.
16 Der Selbstauslöser ist nun, wie sollte es auch anders sein, ebenfalls elektronisch und natürlich leuchtet er auch rot nach vorne. Bisher habe ich noch keinen Fotografen kennengelernt, der das braucht; im Gegenteil, man glotzt gespannt auf dieses Blinken und sieht auf dem Foto wesentlich dämlicher aus, als man ist. Den Japanern scheint das aber Spaß zu machen, und deshalb geht kein Selbstauslöser mehr ohne dieses rote Geblinke. Immerhin setzt es den hohen Wert der RTS II nicht wesentlich herab.
17 Eine Krux der alten RTS ist die Tatsache, daß man den Verschlußzeitenknopf nicht arretieren kann, so daß sich die Zeiten verstellen können, ohne daß man es sofort merkt. Auch hier hat Yashica etwas dazu gelernt: jetzt ist dieser Schalter feststellbar!
18 Ein wesentlicher Vorteil - womit die RTS II auch fast alle Konkurrenten schlägt - ist das leichte Filmeinlegen. Endlich kein Gefummel mehr, endlich auch wirklich mit Handschuhen möglich.
19 Als letzte Neuerung gibt Yashica eine neue Belederung der Kamera an. Ich habe, während ich dies schreibe, keine Vergleichsmöglichkeit mit dem alten Bezug der RTS; aber mir scheint, der Erfinder dieser Belederung muß feuchte Finger gehabt haben, sonst hätte er merken müssen, wie glatt diese Kamera dadurch geworden ist. Ich muß sehr fest zupacken und höllisch aufpassen, daß sie mir nicht aus der Hand glitscht. So was passiert, wenn Designer mehr zu sagen haben, als Praktiker.
Ansonsten hat die Contax RTS II auch weiterhin alles, was man als Fotograf zu schätzen weiß. Dazu gehört besonders die Möglichkeit, die Einstellscheiben je nach Aufnahmekonzept und Objektiv auszuwechseln. Acht Scheiben stehen zur Verfügung, was völlig ausreicht.
Mindestens ebenso wichtig und zu anspruchsvoller Arbeit mit einer
Spiegelreflexkamera kaum entbehrlich, ist die Möglichkeit, den Spiegel vorauszulösen, damit z.B. bei Reproduktionen keine Erschütterung die Aufnahme verwackeln kann. Hier ist die RTS il manchen anderen Spitzenprodukten deutlich überlegen. Da nicht einmal der Halter für das Stückchen Filmpackung auf der Rückwand fehlt, gibt es an dieser neuen RTS II - außer der geringen Griffigkeit - nichts zu bemängeln. Hervorragend - auch im Vergleich mit anderen Kameras, die sich zur Spitze zählen - ist der große Meßumfang von EV -1 bis 19, was in der Praxis bedeutet, daß man nahezu allen Lichtverhältnissen gewachsen ist. Hierzu trägt auch der Verschluß bei, den man beibehalten hat, und der im Automatikbereich von 16 vollen Sekunden bis zur 1/2000 reicht, manuelle Zeiten sind ab 4 Sekunden einstellbar. Es fragt sich nur, ob es wirklich nicht möglich war, auch die Synchronzeit von 1/60 Sekunde etwas aufzubessern.
Zum Glück läßt sich an der RTS II Quartz auch alles Zubehör ihrer Vorgängerin verwenden, mit Ausnahme des motorischen Filmtransportes: hier läßt sich der bisherige Winder nur für Serienbetrieb verwenden, im Gegensatz zum neuen Winder W-3, der auch Einzelbildschaltung erlaubt.
Der neue Motor PMD W-6 gehört ebenso dazu.
Für gezielte Mehrfachbelichtungen ist Yashica nichts Neues eingefallen: man muß nach wie vor den Rückspulknopf drücken und gedrückt halten, was für heutige Begriffe gewiß keine elegante Lösung ist.
Alles in allem ist dieses 11. Contax-Modell seit 1932 tatsächlich eine wunderschöne Gebrauchskamera, besonders für etwas konservative Fotografen, die ohnedies das "neumodische Gelump" an anderen japanischen Kameras mit höchstem Argwohn betrachten, und die darüber froh sein werden, eine technisch einwandfreie Kamera zu bekommen, zu der es darüber hinaus noch die wundervollen Zeiss-Objektive gibt.
Ich erinnere mich noch, daß 1974 eine bekannte amerikanische Testerin über die damals neue RTS in ekstatische Entzückungsschreie ausbrach; man wird, wenn sie die neue RTS II Quartz in Händen hält, um ihre Gesundheit bangen müssen.
Ebenso nehme ich an, daß für Yashica mit dieser neuen Contax jener weltweite Erfolg beginnt, den man sich schon vor acht Jahren erhofft hatte, denn diese neue RTS II hält nun wirklich alles, was man sich von einer Spitzenkamera verspricht.
Ich wünsche ihr jedenfalls "Alles Gute" und viel Erfolg.
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