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Artikel
1998
Photographica
Akarette II
Made in Germany
In der Nachkriegszeit entstand in Deutschland eine ganze Reihe kleiner Kameraschmieden. Eine echte Exotin daraus ist die Akarette II von Apparate- & Kamerabau.
Während der Zeit von 1949 bis 1963 wurde in Friedrichshafen von Apparate- & Kamerabau GmbH eine ganze Reihe ungewöhnlich konstruierter Modelle gebaut. Die Akarette II ist mit Erscheinungsjahr 1949 eine der ersten. Die technischen Daten der relativ einfach wirkenden Kamera entsprechen dem Trend der Zeit: Filmtransportrad mit einstellbarer Empfindlichkeitsskala, vorwärts zählendes Bildzählwerk, bei dem manuell auf Bild 1 gestellt werden mußte, und Selbstauslöser. Der Prontor-S-Zentralverschluß besaß natürlich die alte, nicht logarithmische Zeitenskala: 1 Sekunde, 1/2, 1/5, 1/10, 1/25, 1/50, 1/100, 1/300 Sekunde und B. Diese Skalierung erschwert das einfache Wechseln zwischen verschiedenen Zeit-/Blenden-Kombinationen. Der Blitzkontakt ist erstaunlicherweise auf X, d.h. für Elektronenblitz, synchronisiert. Modern war, daß für die Filmkammer keine verlustgefährdete Spule notwendig ist, wie z.B. bei der Zeiss-Ikon Contaflex. Kurios erscheinen die Rückwand mit Scharnier, die die halbe Kamera ausmacht, und zwei nebeneinander liegende Sucher. Mit einem Hebel auf der Vorderseite wird zwischen dem 50-mm-Sucher und dem für 75 mm umgeschaltet. Für kürzere Brennweiten waren vermutlich Aufstecksucher erhältlich.
Der Objektivanschluß besteht aus einer Rändelschraube und einer Paßnut im Objektiv. Als Objektive gab es von Isco und Schneider-Kreuznach eine ganze Palette von 35 bis 90 mm.
Macht man sich mit der Kamera auf nostalgische Fototour, so bedeutet das Fotografieren von der Pike auf. Einen Belichtungsmesser gibt es nicht - entweder man schätzt oder greift zum externen. Schwieriger ist da schon die Entfernungseinstellung, denn auch hier muß geschätzt werden. Dafür stehen sehr fein unterteilte Entfernungs- und Schärfentiefeskalen zur Verfügung. Die Blendenringe sind teilweise rastend, die Abstände zwischen den Markierungen werden zu hohen Blendenwerten hin kleiner. Hier ist etwas Fingerspitzengefühl erforderlich. Leider dreht sich die Blendenskala des Objektives beim Fokussieren mit.
Die Leistungen der Objektive sind bezüglich der Schärfe gar nicht so schlecht. Problematisch sind nach heutigem Maßstab eher Kontrast und Streulichtempfindlichkeit. Bei dem unvergüteten Tele-Xenar 3,8/75 mm kann man die Ergebnisse nur als pure Nostalgie beschreiben. Das für damals hochlichtstarke Xenon 2/50 mm und das Xenagon 3,5/35 mm liefern dagegen merklich bessere Ergebnisse. Kritisch ist auch die Randabdunklung, die bei sehr kurzen Zeiten vom Hinterlinsenverschluß kommen kann. Dies liegt daran, daß der Verschluß konstruktionsbedingt nicht wie die Blende auf einer Objektiv-Hauptebene liegt. Diese Kamera ist nicht nur ein Spielzeug oder Sammlerobjekt. Man hat den Vorteil, daß sie extrem leise ist und daß man beim Fotografieren mit ihr von anderen sowieso nicht ernst genommen wird. Sie zeigt aber auch viele Aspekte, weshalb deutsche Kameras zu den damals aufkommenden Japanern mit ihren praktischeren und flexibleren Konzepten wie Schlitzverschluß, Bajonett usw. langfristig nicht konkurrenzfähig waren.
Zu haben ist die Akarette II ab ca. 120 Mark.
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