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Artikel

Erfahrungsbericht

Canon AL-1

Die Canon-Lichtspiele

Kommentar zu einem neuen Canon-Meßsystem anhand der neuen AL-1

Canon hat eine neue Kamera die AL-1 - mit einem neuen Entfernungs-Meßsystem auf den Markt gebracht. Seit einigen Monaten wird an solchen neuen Systemen heftig gebastelt, vor allem in Verbindung mit einer motorischen, automatischen Einstellung der Schärfe. "Autofokus" heißt das Zauberwort und gibt bereits - sogar in Fachzeitschriften - zu Verwechslungen Anlaß: Die Canon AL-1 ist keine Autofokuskamera, sondern sie hat nur eine neue Einstellhilfe. Können wir so etwas brauchen, oder haben wir womöglich darauf gewartet'? Ich sage: ja!

Immerhin, so hat man festgestellt, gibt es massenhaft verdorbene Aufnahmen, weil die Einstellung der Schärfe nicht gestimmt hat. Erlauben Sie mir, daß ich - um dieses Thema fundiert behandeln zu können - ein wenig in die Vergangenheit zurückblicke.
Als Ende der 40er Jahre die "Spiegelreflex" an Beliebtheit zunahm, gab es bereits ein Problem: die "Mattscheibe", die damals ihrem Namen alle Ehre machte. Das Sucherbild war oft mehr als matt, und darauf richtig scharf einzustellen oft mehr Zufall, als Gewißheit. Dann kam natürlich aus Japan - der "Schnittbild-Indikator", als Einstellhilfe auf damaligen Mattscheiben ein wahrer Segen. Ich habe seinerzeit bitterböse Briefe an deutsche Kamerahersteller geschrieben, die sich weigerten, ihren Kameras eine solche Schnittbildmessung mitzugeben.
Inzwischen hat man, was die Mattscheiben betrifft, den Weg zur "Einstellscheibe" gefunden und deren optische Qualität enorm verbessert. Es ist heute - für normalsichtige Fotografen - kein Problem mehr, auf einer der neuesten Einstellscheiben - z. B. von Minolta oder Canon und Pentax - ohne jede Schwierigkeit präzise scharfzustellen.
Was geblieben ist, ist der "Schnittbild-Indikator", oft noch durch "Mikroprismen" zusätzlich verziert. Diese optische Zerteilung des Sucherbildes ist bei der derzeitigen Qualität der Einstellscheiben nicht nur keine Einstellhilfe mehr, sondern geradezu ein Hemmnis für präzises Scharfstellen geworden. Bekanntlich dunkeln sowohl die beiden Schnittbild-Hälften, als auch die Mikroprismen sofort ab, sobald das Objektiv nicht lichtstark genug ist, und man sieht dann nur noch schwarzes Geblinke im Sucher.
Daran ändern grundsätzlich auch einige neue Scheiben nichts, die erst ab Blende 8 dunkel werden. Die Zeit dieser Einstellhilfe ist einfach vorbei, und wohl dem, der heute eine Kamera mit auswechselbaren Einstellscheiben erwirbt: er kann sich eine "Vollmattscheibe" einsetzen lassen und damit sein Motiv, ungestört von der Abdunkelei, beobachten.
Teils aus einem - wahrscheinlich theoretischen! - Bedürfnis heraus, teils um Konkurrenten zu übertrumpfen, versucht man es jetzt bei einigen Kamera-Modellen mit einer automatischen Scharfstellung, eben dem "Autofokus-System", das sich schon seit längerer Zeit in preiswerten kleinen Sucherkameras bewährt hat, vor allem weil dort die Brennweiten kurz, die Schärfentiefe groß und die Anwender nicht zu anspruchsvoll sind.
Was aber Autofokus-SLR-Kameras angeht, haut das alles nicht recht hin. Einmal sind diese Systeme zur Messung auf den Motivkontrast angewiesen. Kontrastreiche Motive aber stellen wir "per Hand" und Einstellscheibe ebenso rasch und sicher ein, und da, wo wir eine Hilfe brauchen könnten - bei kontrastlosen Motiven oder bei schlechtem Licht! - versagt der Autofokus. Auch kann es nicht Ziel einer Kameraentwicklung sein, immer mehr Batterien zu verwenden. So mögen z.Z. Autofokus-Systeme zwar technisches Können der Hersteller beweisen, uns aber nützen sie nichts.

Ganz anders geht Canon mit der AL-1 vor

Das neue "Quick Focus"-System stellt nicht automatisch selber scharf, es ist nur eine Einstellhilfe.
Wenn Sie durch den Sucher der AL-1 blicken, entdecken Sie ein wohltuend ruhiges Sucherbild mit lediglich zwei sehr dezenten und kleinen Linien, die das Meßfeld andeuten, die jedoch nicht stören oder ablenken. Tippen sie nun den Auslöser leicht an, so leuchtet es am unteren Bildrand auf: links rot, rechts rot, und in der Mitte grün. Leuchtet der linke Pfeil rot, drehen Sie am Objektiv nach rechts, leuchtet der rechte Pfeil, drehen Sie nach links, bis es in der Mitte grün wird: dann haben Sie genau scharf eingestellt.
Das fasziniert Sie anfangs so ungeheuer, daß Sie gar nicht merken, wie lange Sie zum Einstellen brauchen: genau so lange, wie ohne diese Lichtspiele. Sie merken natürlich nach einiger Zeit, daß auch bei Canon nur mit Wasser gekocht, bzw. mit Kontrast gemessen wird, und wo keiner ist, leuchtet auch nichts. Immerhin erfahren Sie. wenn es weder rot noch grün leuchtet, daß Ihr Motiv keinen Kontrast hat, oder daß die Dämmerung zu weit fortgeschritten ist. Und tief in Ihrem Herzen sind Sie nun enttäuscht und fragen sich: das soll alles sein? Und dazu eine neue Kamera, die obendrein nichts anderes ist, als ein einfacher Zeitautomat? Aber nach einiger Zeit greifen Sie wieder zur AL-1, spielen eine Weile mit ihr und kommen auf die Idee, mal ein anderes Objektiv zu verwenden, z.B. ein Zoom-Objektiv, einen 28er Weitwinkel oder das 135er. Und auf einmal gefällt Ihnen diese Meßsicherheit ganz gut. Vor allem haben Sie sich schon so an diese Einstellscheibe gewöhnt, daß Ihnen ganz schwarz vor den Augen wird, wenn Sie plötzlich wieder einmal zum Vergleich durch Ihre "Alte" gucken und vor diesem helldunklen Picasso zurückzucken. Jetzt erst merken Sie, wie jämmerlich diese Einstellscheibe mit Schnittbild und Mikroprismen ist. Und nach einiger Übung, wenn vor allem das Geblinke nicht mehr sensationell ist, entdecken Sie die ganze Wohltat, die Canon mit diesem "Quick Focus" uns Fotografen beschert hat. Sie schauen nämlich nur noch auf Ihr Motiv, Sie stellen mit nachtwandlerischer Sicherheit auf dieser hervorragenden Einstellscheibe ein, und während Sie - wie man das seit Erfindung der Fotografie macht durch Hin- und Herdrehen des Objektivs die geschnittene Schärfe einstellen, wird es plötzlich grün unter Ihrem Blickwinkel: das "Quick Focus"-System bestätigt gewissermaßen, daß Sie nun wirklich optimal eingestellt haben. Das ist so ähnlich wie mit den Verkehrsampeln: man starrt ja nicht ständig wie hypnotisiert auf die Lichter, sondern nimmt rot und grün aus dem Augenwinkel wahr.
So ist diese neue Einstellhilfe von Canon in der AL-1 eine ideale Ergänzung zum Scharfstellen, für jedermann eine Erleichterung, für Fotografen mit Sehfehler geradezu d i e Lösung schlechthin. Vor allem deshalb, weil Sie nicht darauf angewiesen sind und sich daher auch nicht ärgern, wenn wegen mangelnden Kontrasts mal keine Lichtspiele stattfinden.

Die AL-1 selber

ist ein gut bürgerlicher Zeitautomat: Sie wählen die Blende vor - die nicht einmal in den Sucher eingespiegelt wird und ein nostalgisches Zeigerlein zeigt Ihnen am rechten Bildrand die von der Automatik gewählte Verschlußzeit an, sofern es nicht gerade am rechten Bildrand zu dunkel ist, um den Zeiger erkennen zu lassen. Früher einmal wurde uns - bei der Einführung der Leuchtdioden - erklärt, Zeiger seien mit ihrer Lagerung viel stoßempfindlicher.
Dafür zeigt rotes Diodengeblinke die Funktion des Selbstauslösers deutlich an.
Die Verschlußzeiten reichen, von der Automatik gebildet, von 2 Sekunden bis zur 1/1000, und manuell lassen sich die Zeiten von 1/15 bis 1/1000 Sekunde einstellen. Das ist für die meisten Aufgaben ausreichend.
Ein kleiner Schrumpfhebel um den Auslöser läßt sich auf "S" für Selbstauslöser, auf "A" für Automatik und auf "U' zur Blockade des Auslösers einstellen. Eine Taste links neben dem Objektiv dient als Belichtungszugabe bei Gegenlicht um anderthalb Blendenstufen.
Die zwei Lady-Batterien, kleiner also als die üblichen 1,5-Volt-Batterien für Winder, geben den nötigen Strom für alles und sind im Griffstück untergebracht, Zusätzliche Knopfzellen sind nicht nötig: das hilft Batterien sparen. So ist die kleine und handliche AL-1 QF alles in allem eine nette Kamera, vor der sich kein Anfänger oder Aufsteiger zu fürchten braucht, und die später auch dem Fortgeschrittenen als Zweitgehäuse bestimmt gute Dienste leisten wird.
Unverständlich ist mir nur die Politik von Canon, ein so wundervolles Suchersystem ausgerechnet in eine so bescheidene Kamera zu installieren. Ich möchte diese patente Einstellhilfe in der A-1 und der F-1 haben, natürlich abschaltbar.
Selbstverständlich können an der AL-1 auch die Winder A und A 2 verwendet werden, und mit den speziellen Blitzgeräten Speedlite A und G haben Sie auch eine Blitzautomatik. Wenn das Blitzgerät eingeschaltet ist, zeigt der Zeiger bei Stand auf 1/60 Sekunde die Blitzbereitschaft an, und die Kamera schaltet den Verschluß auf die Synchronzeit 1/60 Sekunde. Die Blende müssen Sie, je nach Film und Gerät, von Hand einstellen. Auch das ist einfach und kommt Leuten, die sich mit Technik nicht belasten wollen, zugute.
Alles in allem: eine durchaus empfehlenswerte Kamera für Antitechniker, die unbeschwert gute Bilder machen wollen. Für Fotografen, die sich mit der Scharfeinstellung bisher schwer getan haben, eine Offenbarung!

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