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Artikel
1998
Das Hobbylabor auf dem Schreibtisch
beroquick electronic
Sechs Tricks mit dem Plastikbomber
So paradox ist der Gedanke nicht: Vielfach kann eine noch so ausgeklügelte Kameraautomatik nur dann voll befriedigen, wenn man sie notfalls auch abstellen kann. Der Luxus manueller Zeiteneinstellung würde jedoch den Kaufpreis von Billigkameras in die Höhe treiben. Wie sich die Automatik auch überlisten läßt, verrät COLOR FOTO neben anderen Tricks in diesem Beitrag.
Viele Besitzer von Systemkameras sind dem Gedanken nicht abgeneigt, sich eine völlig unkomplizierte Leichtgewicht-Schnappschußkamera zuzulegen. Sie ist immer dann von Vorteil, wenn man ganz unbeschwert fotografieren will. Mittlerweile ist die Zahl der automatisch belichtenden Sucher-Kompaktkameras so ins Kraut geschossen, daß man wieder einmal die Qual der Wahl hat. Vor kurzem haben auch die DDR-Konstrukteure nachgezogen und eine diskutable KB-Automatik-Sucherkamera, allerdings ohne integrierten E-Blitz und ohne Autofokus, vorgestellt, die obendrein mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis aufwarten kann.
Ich will Sie, liebe Leser, nicht mit einer Aufzählung der Features dieser Kleinkamera langweilen. Sie stehen in der knapp formulierten, nicht ganz druckfehlerfreien Gebrauchsanleitung. Ich möchte Ihnen stattdessen einiges nachliefern, was Sie dort nicht finden, und das ist eine ganze Menge. Zwischen den Zeilen läßt sich herauslesen, daß bei 250 g Gesamtgewicht als Material für Gehäuse und Objektivfassung (!) nur Plastik in Frage kam. Bodenplatte und Sucher-Abdeckung sind immerhin aus schwarz eloxiertem Blech hergestellt. Skeptisch war ich schon, als der Plastik-Fokussierring beim Drehen "rupfte". Aber von der Leistung her konnte mich die "beroquick electronic" schnell überzeugen. Vor allem die perfekt arbeitende Zeitautomatik mit einem Bereich von 4 s bis 1/500 s erfüllte meine Erwartungen an eine Kamera für unkompliziertes Bildermachen vollauf.
Hier sind meine in der Praxis erprobten Sondertips, die zum Teil wohl auch auf andere Kompaktkamera-Typen anwendbar sind.
Trick 1: Fernsehbilder automatisch belichtet
Ich war von der Qualität meiner mit der beroquick electronic gemachten TV-Bilder überrascht:
Sie wiesen keine schwarzen Balken oder helle Streifen auf, wie sie die Schlitzverschluß-SLR-Kameras allzu oft liefern. Das ist bei einem zentrifugal sich öffnenden Elektronikverschluß auch nicht weiter verwunderlich. Bedingt durch den Zeilenaufbau des Fernsehbildes (zwei Halbbilder in je '/so s macht zusammen 1/25 S für das komplett aufgebaute Bild), ist der Verschlußzeit das Limit von 1/25 S (großzügig betrachtet 1/30 s) gesetzt. Kürzer belichtet, gibt es schwarze Streifen.
Diese TV-Zeit läßt sich, wie unter Trick 3 beschrieben, durch Einschieben eines Plättchens in den Blitzschuh fest einstellen. Das Lichtquantum, das für die jeweilige Filmempfindlichkeit optimal ist, wird dann mit Hilfe der Blende geregelt. So ist z. B. für Ektachrome 64 die offene Blende 2,8 richtig.
Soweit die manuelle TV-Foto-Einstellung. Man wird aber auch gute Automatikaufnahmen bekommen, wenn man das Kurzzeitlimit von 1/30 s im Auge behält. Keine störenden Abschattungen sind zu befürchten, wenn man für den 18 DIN Film Blende 2,8, für 21 DIN Blende 4, für 24 DIN Blende 5,6 usw. wählt. Die automatisch bemessene Zeit dürfte dann stets unter 1/30 s liegen. Zu lange Zeiten wären gleichfalls von Übel: Wer will schon TV-Aufnahmen mit Bewegungsunschärfen? Bei dem 42 mm Objektiv der beroquick electronic ist 1 m Abstand die richtige Aufnahmeentfernung.
Kurztips für TV-Dias: Tageslichtemulsion und Filterung in Richtung rot, z. B. CC 20Y oder ein R 1,5 (Skylight) bis R 3 Korrekturfilter vorschalten.
Trick 2: Kurzzeit 1/500 S
Wichtig erschien mir auch der Hinweis im Begleittext: "Bei Ausfall der Batterie ... bildet sich eine feste Belichtungszeit von 1/500 s." Man braucht aber nicht erst zu warten, bis die 6-V-Silberoxid-Batterie verbraucht ist. Ich öffne den leichtgängigen Batteriedeckel (Klappe am Kameraboden) und nehme ganz einfach die Batterie heraus, mit dem Effekt, daß ich jetzt eine feste Kurzzeit von 1/500 s zur Verfügung habe. Dazu ein Beispiel, in dem der manuellen Belichtung der Vorzug zu geben ist. Nehmen wir die Situation an, daß ein Leichtathlet vor dunklem Hintergrund aufgenommen werden soll. Automatisch belichten hieße hier überbelichten und verwischen des schnell bewegten Motivs. Die 1/500 verbessert die Erfolgschancen. Obendrein ist die 1/500 s auch noch x-synchronisiert! Wer die Einschränkungen kennt, die das Aufhellblitzen mit Schlitzverschuß-SLR-Kameras erschweren, kann sich die Vorteile einer derart schnellen Blitzzeit selbst ausmalen: Man wird die Blende weit öffnen (z. B. Bl. 2,8-4 1/500 s bei Sonnenlicht auf 18 DIN Film) und kommt auch mit kleinen Kompakt-Blitzgeräten auf ganz beachtliche Blitzentfernungen (z. B. mit LZ 18 und 18 DIN Film 4 Meter bei Blende 2,8-4).
Trick 3: Manuelle Zeit trotz Vollautomatik
Sie können von einem so preiswerten Modell nicht verlangen, daß neben den elektronisch stufenlos gebildeten Zeiten auch noch eine manuell wählbare Zeitabstufung angeboten wird. Ich verrate Ihnen, wie Sie trotz der nicht abschaltbaren Automatik mindestens zwei Festzeiten schaffen. Den ersten Hinweis lieferte eine Bemerkung im Begleittext: "X-Synchronisation bei 1/30 S mit automatischer Umschaltung bei Batteriebetrieb, bei 1/500 s ohne Batterie." Das heißt auf unsere Fotopraxis angewandt: Sobald Sie ein E-Blitzgerät in den Zubehörschuh (Steckschuh mit Mittenkontakt) schieben, schaltet die Kamera selbsttätig auf die Blitzzeit 1/30 sec um. Diese relativ lange Zeit können wir immer dann gut gebrauchen, wenn der CdS-Fotowiderstand der Belichtungsautomatik von Lichtquellen im Motivbereich "geblendet" wird. Vollautomatisch belichtet, ergäben sich zu kurze Werte, also eine Unterbelichtung des eigentlichen Motivs. Mit manuell eingestellter 1/30 S und hochempfindlichem Film ist man der Situation gewachsen. Mein Trick ist einfach, aber wirksam: Statt eines E-Blitzgerätes schiebe ich ein 7 x 17 mm Kunststoffplättchen, 2 mm stark, in den Zubehörschuh. Es drückt einen Kunststoffhebel herunter und schaltet damit die Automatik ab.
Trick 4: Doppelbelichtung trotz Auslösesperre
Im Pionierzeitalter der KB-Fotografie waren Spannen des Verschlusses und Filmtransport zwei voneinander unabhängige Vorgänge. Auch noch mit manchen Billigkameras der 60er Jahre konnte man beliebig viele Belichtungen auf ein und dasselbe Filmbild machen. Eine ungewollte Mehrfachbelichtung war aber gleichbedeutend mit einer Fehlbelichtung, so daß man Doppelbelichtungssperren vorsah. Das Optimum liegt wieder einmal in der Mitte zwischen beiden Extremen: Multi-Exposure möglich bei abgeschalteter Doppelbelichtungssperre. Mit einer Kompaktkamera wie der "beroquick electronic" sind Mehrfachbelichtungen nicht vorgesehen, aber dennoch möglich: Drückt man während des Verschlußspannens (Schnellschalthebel) gleichzeitig den Rückspulenentriegelungsknopf am Kameraboden, so bleibt der Film millimetergenau hinter dem Filmfenster stehen. Bei diesem Trick wird die Transport-Stachelwalze überhaupt nicht bewegt. Einziger Nachteil der Methode: Beim nächsten
Filmtransport würde die Perforation nicht sofort erfaßt und eine leichte Überlappung der Bilder wäre die Folge. Der folgende Trick hat sich bewährt: Vor dem Transport zum nächsten Bild nur den (ausklappbaren) Rückspulhebel links oben bei gestrafftem Film entgegen dem Uhrzeigersinn drehen. Der Entriegelungsknopf am Kameraboden springt sofort heraus und die Kamera ist für einen normalen Filmtransport bereit.
Eine nicht allgemein bekannte Doppelbelichtungstechnik, die ich normalerweise bei Spiegelreflexkameras wie der OM-2N anwende, besteht darin, den Film erst um ein Bild weiterzutransportieren, um ihn anschließend um exakt acht Perforationslöcher zurückzuspulen. Mit der "beroquick electronic" geht das folgendermaßen: Ihre Transport-Stachelwalze weist acht Zähne auf. Bei einem kurzen (!) Druck auf den Rückspul-Entriegelungsknopf (RE-Knopf) am Kameraboden wird ein Zahn (= ein Perforationsloch) für die Rückspulung freigegeben. Um eine Bildlänge zurückzuspulen, muß man folglich 8 x kurz auf den RE-Knopf drücken und den Film mit dem ausgeklappten Rückspulhebel etappenweise in die Patrone zurückholen, bis er wieder exakt an der Stelle der Erstbelichtung steht. Das Verfahren erfordert einige Übung, am besten mit einem Stück Schwarzfilm bei offenem Kamerarückdeckel. Drückt man nämlich den RE-Knopf zu weit ein, dann rastet er ein und der Film läßt sich nur noch unkontrolliert zurückspulen.
Das hier beschriebene Rückspulverfahren ist in einem Falle unentbehrlich, nämlich um Leerbelichtungen nachträglich verwertbar zu machen. Es kommt mit Sucherkameras schon gelegentlich einmal vor, daß man eine Aufnahme bei aufgesetztem Objektiv-Schutzdeckel verschießt. Wenn man bereits transportiert hat, läßt sich die Leeraufnahme nur mit der Rückwickelmethode retten. Immerhin sparen Sie bei Diafilm pro Bild ca. 40 Pf. Die Transportschritte beim kontrollierten Zurückspulen sind von Modell zu Modell verschieden denn die Transportwalzen haben mitunter auch nur sechs Zähne und der RE-Knopf gibt auch einmal drei Zähne frei (z. B. OM-2N). So muß ich zwecks Doppelbelichtung von drei Filmbildchen mit der OM-2N den RE-Knopf 8x drücken, was einer Rückspulung von 8 x 3 Perforationslöchern entspricht.
Trick 5: Ein 49-mm-Filterring aus Metall
Ein unübersehbarer Nachteil der Plastik-Objektivfassung ist das "weiche" Filtergewinde. Erst nach mehreren Versuchen gelingt es meist, das Filter in die Kunststoffrillen einzuschrauben. Ein falsch aufgesetztes Filter könnte man zwar mit Gewalt eindrehen, doch dann wäre das Plastik-Innengewinde verdorben. Ich habe mir folgendermaßen beholfen:
Eine leere B + W Filterfassung 49 ES wurde mit dem Außengewinde in die 49 mm-Objektivfassung gedreht und dort belassen, denn ich verspreche mir davon zwei Vorteile:
1. In das Gewinde des Messingrings läßt sich nun jedes beliebige Filter und jede Tricklinse etc. leicht einschrauben;
2. die etwas vorstehende Filterfassung schattet den CdS Fotowiderstand ab und hilft Fehlbelichtungen vermeiden, vor allem bei Aufnahmen mit Vorderlicht.
Trick 6: Batterieschonung groß geschrieben
Vielsagend ist der warnende Hinweis des Herstellers: "Achten Sie bitte darauf, daß beim Tragen der Kamera im Beutel oder bei sonstiger Aufbewahrung der Batterieprüfknopf oder der Auslöseknopf nicht unbeabsichtigt gedrückt wird ...". Tatsächlich, wenn einer der beiden Knöpfe gedrückt wird, erfolgt ein Meßvorgang bzw. die rote LED leuchtet auf und die Batterie wird mit mindestens 20 mA dauerbelastet. Die Folge: vorzeitig entladene Batterie. Gegen Stromvergeudung durch Drücken des Auslöseknopfs habe ich zwei Tricks parat: 1. Der Meßvorgang ist blockiert, wenn Sie den Film nicht transportiert haben. Also empfiehlt es sich, erst kurz vor der nächsten Aufnahme den Schnellschalthebel zu betätigen und damit die Kamera aufnahmebereit zu machen. 2. Auch beim Umschalten auf E-Blitz bzw. X-Synchronisation ist die Stromzufuhr unterbrochen. Dies geschieht am besten durch Einschieben des Plättchens in den Zubehörschuh nach Trick 3. Der Auslöser kann jetzt ruhig halb eingedrückt werden, ohne daß die LED aufleuchtet. Der Batterieprüfknopf bleibt (leider) immer funktionsfähig.
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