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Artikel

1998

Übrigens ...

Eine Tonne Papierbilder: für Sie aus den USA!

Die Meinung eines freien Kolumnisten

Mit diesem Heft Sie, lieber Fotofreund, eine Sensation:
1. Noch nie bekamen Sie eine deutsche Fotozeitschrift mit einem Original-3D-FotoalsTitelbild: COLOR FOTO bietet Ihnen mit diesem Heft die bestmögliche Information über ein neues Produkt auf dem Weltmarkt.
2. Für die 150 000 Hefte dieser Ausgabe von COLOR FOTO waren 150 000 Original "Nimslo"-Fotos nötig, die aus den USA eingeflogen wurden und über 1 Tonne wogen.
3. Zum ersten Mal haben Sie die Möglichkeit, ein plastisches, dreidimensionales Farbfoto ohne Brille oder andere Hilfsmittel im Original zu begutachten, um sich Ihr eigenes Urteil über eine Neuheit auf dem Fotosektor zu bilden, über die seit der photokina 1980 gesprochen und gerätselt wird.
4. Zum ersten Mal erscheint COLOR FOTO innerhalb einer Ausgabe mit verschiedenen Titelbildern! (Für Sammler vielleicht interessant!) Da es sich bei jedem Foto um ein Original-Print von einem Color-Negativ handelt, ein Negativ jedoch nur ca. 30 000 Bilder im Printer überstand, wurden mehrere Negative für die 150 000 Bilder verwendet. Und warum haben wir für Sie diesen enormen Aufwand getrieben? Weil Sie selber mitentscheiden sollen, ob die Behauptung von Dr. Jerry Nims aus den USA richtig ist: bringen diese "Nimslo"-Bilder die vierte Epoche der Fotografie?
Diese amerikanischen Doktoren haben es in sich: da war zuerst der Dr. Edwin Land, der die Welt mit dem Polaroid-Sofortbild beglückt hat. Und nun meint der Erfinder des "3-D-Bildes", Dr. Jerry Nims, folgendes:
Die erste Stufe war die Fotografie überhaupt; die zweite Stufe war die Erfindung der Color-Fotografie; die dritte Stufe in der Entwicklung der Fotografie war Polaroid; und die vierte Stufe schließlich so meinen die Schöpfer Ihres plastischen Titelbildes, die Herren Jerry Nims und Allen Lo - sei die 3-D-Fotografie.
Der Mensch - meint Dr. Nims sieht in drei Dimensionen, also plastisch; warum sollte er sich nur zweidimensionale, flache Bilder anschauen wollen? Die Herstellung der Nimslo-Kamera, die man braucht, um plastisch wirkende Bilder aufnehmen zu können, wurde kürzlich aus England nach Japan verlagert. Sie wird dort in zwei riesigen Fabriken gefertigt, um der Nachfrage Herr zu werden. Diese Nimslo-Kamera - für jeden KB-Color-Negativ-Film mit 100 oder 400 ASA Empfindlichkeit geeignet - ist kaum größer als eine übliche SLR-Kamera, hat aber vier Objektive und nimmt für jedes 3-D-Bild vier Hochformat-Negative auf, so daß ein normaler 36er-Film 18 Nimslo-Bilder liefert. Neben der Nimslo-Kamera erfordert das 3-D-Bild ganz spezielle Printer, praktisch eine völlig neue Labortechnik, die heute noch in einem riesigen Printer-Zentrum in Atlanta (USA) und in Schottland eingesetzt wird. Wenn wir - ab September - die brandneue Nimslo kaufen können, können nur Nimslo-Labors die 3-D-Bilder aus unseren Negativen herstellen, wofür zur besseren Versorgung dann auch auf dem europäischen Kontinent ein Printer-Zentrum entsteht. Den Vertrieb der Nimslo-Produkte (Kamera und Blitzgerät) übernimmt die - durch Tokina-Objektive bekannte - Firma Uniphot.
Wie gesagt, COLOR FOTO hat weder Mühe (u. a. einen Besuch in Atlanta!) noch Kosten (dieses Heft müßte bei der üblichen Kalkulation einige Mark mehr kosten!) gescheut, um Sie über diese Neuheit zu informieren. Aber ohne Ihrem Urteil vorgreifen zu wollen, möchte ich noch eine persönliche Ansicht dazu äußern.
Auf meinem Clo, der deutschen Fotoindustrie weitgehend bekannt, sammle ich Kitsch aus aller Welt. So hängt dort auch seit Jahren, als man von Nimslo noch nicht sprach, eine Ansichtskarte: sie zeigt die US-Freiheits-Statue plastisch vor einem tintenblauen Himmel mit weißen Wolken. Sie ist der überzeugende Beweis dafür, daß man auch mit Kitsch Geld verdienen kann. Ich gebe allerdings zu, daß der Begriff "Kitsch" bisher noch nie juristisch einwandfrei definiert worden ist; trotzdem leben viele Menschen, ganze Industrien, vom Kitsch, nach dem Motto "Kitsch as Kitsch can!" Ich kenne Versuche, 3-D-Fotografie einzuführen, seit Jahrzehnten: bedeutende Firmen, z. B. Zeiss und Rollei haben es versucht, aber noch nie Erfolg damit gehabt. Dr. Nims meint, es hätte an der Umständlichkeit, an Brillen oder Doppelprojektoren mit polarisiertem Licht gelegen, während man seine Nimslo-Bilder in der Tasche tragen und sich an ihrer lebensnahen plastischen Darstellung jederzeit erfreuen könne. Und da weicht meine Meinung von der dieses US-Pioniers ab: es hat vor der Color-Fotografie noch keine gescheiterte Fotografie gegeben; es hat vor der Color-Fotografie noch keine gegeben, die an der Farbe gescheitert ist, und es hat vor Polaroid noch kein in die Binsen gegangenes Sofortbild gegeben. Es gab aber viele Versuche, Fotos in plastische Realität umzusetzen, und die sind bisher alle gestorben, soweit es die große, umsatzbringende Masse der Hobby-Fotografen betrifft. Während sich Maler, Grafiker und Fotografen bisher bemühten, Unwichtiges in der Darstellung wegzulassen, gehen Nims & Lo den umgekehrten Weg: sie machen aus jedem Fliegenschiß plastische Realität. Ob das auf die Dauer gut gehen wird? Ein Geschäft wird's zunächst bestimmt, und das gönne ich sowohl den pfiffigen Herren Nims und Lo, als auch der Firma Uniphot.

Ihr Alexander Borell

Lieber Leser,
seit vielen Jahren schätzt die Redaktion Alexander Borell als profilierten Mitarbeiter von COLOR FOTO, der immer ungeschminkt seine Meinung sagte und sagt. Wir veröffentlichen diese Meinung auch dann, wenn sie - wie in diesem Fall - von der Meinung der Redaktion erheblich abweicht. Diese abweichende Redaktionsmeinung können Sie, lieber Leser, in dem umfangreichen Spezialreport zur Markteinführung des Nimslo-Systems nachlesen.
Ihre Redaktion Color Foto

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