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Artikel

1998

Titelstory

MINOLTA AF-Sv 

Ding-Dong - bitte Film einlegen!

Haste Töne? - dieser Berliner Spruch gilt schon lange nicht mehr, seit die Kameras piepsend Signale senden. So manchen Fotografen verschlug es in den letzten Tagen jedoch die Sprache, als diese kleine Kamera von Minolta ihn freundlich aber bestimmt mit menschlicher Stimme ansprach.

Bitte Film einlegen - das sagt die neue Minolta AF-Sv zu Ihnen, wenn Sie den Auslöser drücken, aber noch kein Film (richtig) in der Kamera liegt. Und die Kamera sagt es mit menschlicher Stimme in deutscher Sprache. Seit die Kameras komfortabler wurden, blieb es nicht aus, daß sie dem Fotografen etwas "zu sagen" hatten. Bisher konnten sie sich nur indirekt oder symbolisch äußern, gemäß dem jeweiligen Stand der Technik mit dem Meßzeiger im roten Feld, dem (eventuell noch blinkenden) Lichtsignal und seit kurzem auch mit allerlei Tonsignalen. Über die Bedeutung der diversen Signale mußte man Bescheid wissen oder in der Gebrauchsanweisung nachsehen. Was liegt näher, als eine Kamera gleich im Klartext sagen zu lassen, was nützlich und wichtig ist? Das wäre die einleuchtende rationelle Begründung für eine "sprechende Kamera". Natürlich bleibt es auch jedem überlassen, die Sprachausgabe als netten Gag zu sehen.
Sie ist da, die erste sprechende Kleinbildkamera oder auch die erste Deutsch sprechende Kamera überhaupt - man darf staunen, diskutieren, sich amüsieren, freuen oder ärgern, ganz nach Standpunkt und Temperament. Minolta möchte sich da anscheinend heraushalten und bringt fast gleichzeitig zwei ansonsten gleich ausgestattete Kameramodelle auf den Markt: Die AF-Sv spricht und die AF-S bedient sich der altbekannten Tonsignale zur Verständigung. Weil das so ist, gilt alles, was wir über die neue AF-Sv schreiben - eben abgesehen von der Sprachausgabe - genauso für die neue AF-S.

Zwei vollautomatische Kompaktkameras

Die beiden neuen Minolta-Kameras AF-S und AF-Sv haben eine Menge zu bieten und es wäre unangemessen hinter der Faszination der Sprachausgabe die Kamera selbst zu vergessen. Die neuen Minolta-Kameras sind sehr kompakte und leichte Kleinbildkameras mit fest eingebauten (weitwinkeligen) Objektiven, elektronisch programmgesteuerten Zentralverschlüssen, automatischer Scharfeinstellung (Autofokus) mit löschbarem Speicher, eingebautem Elektronenblitzgerät, Blitz-Blendenautomatik, automatischem Filmtransportsystem, Leuchtrahmensucher und Selbstauslöser. Was sie sonst nach bieten, steht in der Datenübersicht. Beide Kameras wurden so gestaltet, daß sie ohne spezielle Tasche auskommen. Größten Wert legten die Minolta-Konstrukteure auf einfachste Bedienung, sicherste Funktion und hohe Bildqualität. Die Kameras müßten sich demnach in der Damenhandtasche ebenso zuhause fühlen wie (als "schnelle Kleine") in der schweren Universaltasche des Spiegelreflex-Besitzers.

Automatik rund um den Film

Der Benutzer einer AF-S oder AF-Sv hat nur noch das zu tun, was die Kamera selbst schlecht machen kann: Rückwand öffnen, Patrone einlegen, Filmanfang über die Aufwickeltrommel legen und Rückwand (mit Filmeinfädler) schließen. Möchte man zuschauen, wie die Kameraden Filmanfang einzieht und aufwickelt, kann man auch den Filmeinfädler zuklappen, bevor man die Rückwand schließt. Jedenfalls wird der Film sofort nach dem Einrasten der Rückwand bis zum ersten Bildfeld transportiert und nach jeder Aufnahme erfolgt der motorische Filmtransport. Am Filmende registriert der Filmzugsensor den starken Widerstand und gibt der Kamera das Signal für den Filmstop und die automatische Rückspulumschaltung. Wenn der Film genau so weit zurückgespult ist, daß nur noch der Anfang aus der Patrone herausragt, wird auch die Rückspulung automatisch gestoppt. Jetzt erst muß der Kamerabenutzer wieder tätig werden, die Rückwand öffnen und die Filmpatrone herausnehmen.
Damit diese sehr weitreichende Automatisierung des Filmtransports keine Einschränkungen nach sich zieht, hat man der AF-Sv/ AF-S einen gegen unbeabsichtigte Betätigung gesicherten Rückspulschalter in der Bodenplatte mitgegeben, mit dem sich die automatisch-motorische Rückspulung für teilbelichtete Filme einleiten läßt. Ein Filmlaufsignal reagiert auf alle Filmbewegungen und bestätigt visuell Filmtransport und Rückspulung. Liegt noch ein zurückgespulter Film in der Kamera, ist sicherheitshalber die Auslösung gesperrt.
Zwar hat die AF-Sv/AF-S noch keine automatische Filmempfindlichkeitseinstellung, aber es kann jede beliebige Filmempfindlichkeit von ISO 25/15xGRADx bis 1000/31xGRADx eingestellt werden, so daß der Verwendung von höchstempfindlichen Farbfilmen, von Farbdiafilmen, Scherzweiß- oder sogar Spezialfilmen nichts im Wege steht.

Neuartige automatische Scharfeinstellung

Die neuen Minolta-Kameras sind Autofokus-Modelle, bei denen die Scharfeinstellung automatisch erfolgt. Minolta hat für die AF-Sv/ AF-S ein neues Infrarot-Autofokus-System entwickelt, das die Entfernung stufenlos messen kann, ohne daß sich im Meßsystem irgend etwas bewegt (das System arbeitet aktiv-statisch). Ein neues Halbleiterelement mit Silizium-Dioxyd-Beschichtung setzt die Position der Abbildung des Infrarotpunkts direkt in auswertbare elektrische Signale um, die von einer Vergleichsschaltung (Komparator) zu abstandsäquivalenten Signalen für die automatische Scharfeinstellung das Objektivs und für die Berechnung der richtigen Blitzblende verarbeitet werden.
Wichtig für die Praxis ist, daß man beliebig oft die Entfernung automatisch messen und speichern kann, ohne zwischendurch auslösen zu müssen. So kann man die wichtigste Objektpartie, auf der die höchste Schärfe liegen soll, ins Autofokus-Zielfeld des Suchers nehmen, den Auslöser leicht andrücken bis die grüne LED im Sucher leuchtet (als Bestätigung für Messung und Speicherung), den Bildausschnitt motivgerecht einrichten und dann auslösen. Entschließt man sich anders, nimmt man den Finger vom Auslöser, zielt neu, drückt wieder an usw. Der bekannte und ungeliebte "Autofokus-Zwang", entweder das Hauptobjekt immer in die Bildmitte nehmen zu müssen, oder nach einer Speicherung die nächste Aufnahme auf Gedeih und Verderb mit der einmal gespeicherten Entfernungseinstellung machen zu müssen, gehört bei diesen Kameras der Vergangenheit an.

Belichtungsprogramm mit Kurzzeit-Dominanz

Die AF-Sv/AF-S ist mit einem elektronisch gesteuerten Hinterlinsen-Zentralverschluß ausgestattet, der nach dem bekannten "Apodizing-Prinzip" mit den gleichen Lamellen die Blendenöffnung formt und die Belichtungszeit steuert. Der Verschluß ist (und das auch mit Rücksicht auf die neuen höchstempfindlichen Filme) so programmgesteuert, daß er kurze Belichtungszeiten im Rahmen des möglichen bevorzugt. Zwischen den Zeit-Blenden-Kombinationen Blende 2,8+1/100s und Blende14,5 + 1/625 S (das reicht auch für hellste Objekte mit Film ISO 1000/31xGRADx) werden Zeit und Blende gemeinsam gesteuert und verändert. Ist es für Blende 2,8 und 1/100 s zu dunkel, verlängert die Kamera die Belichtungszeit bis max. 1/8 s zur offenen Blende (2,8). Sobald der Kameracomputer jedoch längere Zeiten als 1/40 s berechnet, erscheint ein rotes Lichtsignal im Sucher und die AF-Sv sagt "Bitte Blitz einschalten". Man kann diesen Rat befolgen und das eingebaute Elektronenblitzgerät herausspringen lassen. Wenn die Aufnahme mit dem verfügbaren Licht Interessanter zu werden verspricht, kann man auch die Kamera anlegen oder sie auf ein Stativ schrauben und ohne Blitzlicht bis 1/8 s belichten. Mit einem Film ISO 1000/31xGRADx, Blende 2,8 und Belichtungszeiten bis 1/8 s läßt sich viel anfangen!

Automatisches Blitzen

Das eingebaute Blitzgerät springt beim Einschalten heraus und beginnt mit der Aufladung. Bis Blitzbereitschaft besteht (die grüne Lampe neben dem Suchereinblick leuchtet), ist die Auslösung gesperrt. Die richtige Belichtung ist auch beim Blitzen sichergestellt, und zwar durch eine mit dem Autofokussystem gekuppelte Blitz-Blenden-Automatik. Der Mikrocomputer in der Kamera errechnet aus dem Meßwert des Autofokussystems und der Leitzahl des Blitzgeräts (10 für ISO 100/21xGRADx) die richtige Blende. Der Verschluß belichtet bei Blitzaufnahmen mit der errechneten Blitzblende und 1/40 s (bei geringer Umgebungshelligkeit) oder kürzer (z. B. beim Aufhellblitzen).
Ist der vom Autofokussystem gemessene Abstand zu groß für eine ausreichende Blitzbelichtung, blinkt die grüne Autofokus-LED im Sucher und die AF-Sv sagt "Bitte Abstand prüfen". Auch das kann man als Empfehlung auffassen, denn wenn es ohnehin hell genug ist, das Blitzlicht nur der Aufhellung dienen soll, wird man den Hinweis der Kamera in den Wind schlagen. Anders in dunkler Umgebung: Dann muß man den Abstand so weit verkürzen, bis die Kamera beim Andrücken des Auslösers "nicht mehr protestiert".

So spricht die AF-Sv

"Kamera" ist weiblichen Geschlechts und es liegt daher auf der Hand, einer Kamera auch eine weibliche Stimme mitzugeben. Weiterhin kommt die Minolta AF-Sv aus Japan' so daß in logischer Konsequenz eine Japanerin aus der Kamera spricht. Man hört das vielleicht ein bißchen heraus, aber die Stimme ist sympathisch und sie wirkt - vergleicht man mit anderen elektronischen Sprachausgaben - recht natürlich. Deutsch spricht sie, die Japanerin in der Kamera, und "Bitte" sagt sie (die englische Version ist weniger höflich). Wie kommt das alles technisch zustande?
Die Sprachausgabe der AF-Sv basiert tatsächlich auf menschlicher Stimme. Wurde man diese auf den bekannten Tonträgern wie Tonband, Schallplatte etc. bereithalten und zweckgerecht ausgeben wollen, konnte eine solche Einrichtung wohl kaum im winzigen Griffstuck auf der Rückwand der AF-Sv untergebracht werden. Deshalb haben die Minolta-Ingenieure Aufzeichnungen der menschlichen Stimme mit einem Computer analysiert (digitalisiert) und in einem 32 KB-ROM (das ist ein nur lesbarer elektronischer Speicher mit einem Inhalt von 32 000 Zeichen) abgespeichert. Dieses ROM ist ein wichtiger Bestandteil dieses Sprachsystems.
Der Mikrocomputer der Kamera erhält über die Filmtaster (es handelt sich um ein ganzes System von Tastschaltern in der Filmführung), die Belichtungssteuerung und das Autofokussystem die nötigen Informationen, um über die entsprechenden Situationen unterrichtet zu sein. Die Logikschaltung fordert bei Bedarf vom Mikrocomputer des Sprachsystems eine bestimmte Meldung an, die der Sprach-Synthesizer aus dem Speicher (ROM) abruft und per Impulsdauer-Modulation von der digitalen in die analoge Form zurückverwandelt. Aus dem Sprach-Synthesizer wird diese "Tonfrequenz" über einen Verstärker dem Mikrolautsprecher zugeführt. Der Mikrolautsprecher spricht in Richtung Ohr und ist bei üblicher Kamerahaltung kaum 10 cm vom Ohr entfernt, so daß man die eher dezente Sprachausgabe gut hört. Sollte sie wirklich einmal stören, kann man sie auch abschalten.
Digitalisierte menschliche Sprache beansprucht unverhältnismäßig J viel Speicherplatz und die Umsetzung in analoge Tonfrequenz ist recht aufwendig. Deshalb muß die Sprachausgabe der AF-Sv (auf so kleinem Raum mit nur 15 9 Mehrgewicht) beim derzeitigen Stand der Technik schon als beachtliche Leistung gelten. Hinzu kommt noch, daß die "mitteleuropäische Version" dieser Kamera neben Deutsch wahlweise noch Französisch spricht. Ob er die neben seinem Ohr in Deutsch oder Französisch (bei anderen Modellversionen Englisch und Japanisch) aus der Kamera mahnende Japanerin mag oder nicht, muß jeder für sich selbst entscheiden. Es gibt den Ausschalter und die sonst gleiche AF-S ohne Sprachausgabe. Aber damit nimmt man sich (und anderen) den Spaß an der "sprechenden Kamera".

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