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Artikel
1998
Spiegelreflexkameratechnik
Olympus OM-4
Was LCD-Anzeigen leisten
Mit der Olympus OM-4 kommt eine Kamera auf den Mark die dem Fotografen nicht das Denken abnimmt, sondern ihn durchaus zum Mitdenken auffordert. Ob es sich lohnt, gegen den Strom zu schwimmen, wird die Zukunft des neuen Konzepts zeigen.
Als sich Konstrukteure von Automatikkameras anfangs verpflichtet fühlten, den Benutzer darüber aufzuklären, was eigentlich in der Seele seiner Reflexkamera vorging, griffen sie zum Meßzeiger. Als Alternative zu dieser recht delikaten und stoßempfindlichen Mechanik bewährte sich dann bald die Leuchtdiode. Mit der Mikroprozessorsteuerung kam auch die Digitalanzeige. Um diesen Begriff gleich genau zu definieren: Verstanden sei darunter die Zahlenbildung durch eine Leuchtdiodengruppe aus z. B. sieben Balken, die durch selektives Aufleuchten eine beliebige Zahl von 0 bis 9 (und auch bestimmte Buchstaben) bilden. Daß das auch eine Digitalsteuerung - also mit binären " Ein" und "Aus"-Signalen braucht, ist nur nebenbei wichtig.
Die erste Kleinbildkamera mit Digitalanzeige der Belichtung war vor etwa 8 1/2 Jahren die Fujica ST-901, kurz vor der noch viel bekannteren Canon A-1.
Leuchtdioden verbrauchen verhältnismäßig viel Strom, was stark auf die Kosten der kleinen (und ziemlich teuren) Knopfzellen der Kamera geht. Stromsparender ist da schon die Flüssigkristallanzeige, die ähnlich digital wie die Leuchtdiode anzeigen kann und die letztere zunehmend in Kameras (wie auch in Taschenrechnern und Digitaluhren) verdrängt. Während man sich hier anfangs noch auf leuchtdiodenähnliche Digitalanzeigen beschränkte, wurden bald ganz andere Möglichkeiten ausgeschöpft. Den Gipfel zeigt die vor einigen Monaten auf der PMA in Las Vegas vorgestellte Olympus OM-4. Die Flüssigkristallanzeige oder LCD (= Liquid Crystal Display), wie wir sie nun trotz Buchstabensalat der Kürze wegen nennen wollen, kann nämlich mit verhältnismäßig geringem Mehraufwand nicht nur ganz winzige sondern auch bedeutend zahlreichere Anzeigen und Zeichen unterbringen. Damit eignet sie sich hervorragend zur Pseudo-Analoganzeige, worunter die Anzeige einer Größenangabe nicht nur durch eine Zahl sondern auch durch die Position dieser Zahl in der Anzeige zu verstehen ist. (Wenn eine von mehreren Leuchtdioden entlang einer Verschlußzeitenskala aufleuchtet - oder ein LCD-Balken auf einen bestimmten Wert in einer Skala hinweist, so ist das eine Analoganzeige. Die Höhe des angezeigten Wertes ist schon daraus ersichtlich, wo die Leuchtdiode leuchtet, ohne ganz genau auf die Zahl selbst achten zu müssen - ähnlich wie bei einem ausschlagenden Meßzeiger. Pseudo-, weil eine solche Anzeige elektronisch doch durch Digitalsignale gesteuert wird.)
Vielseitig ist die LCD der OM-4 schon dadurch, daß hier rund 90 einzeln ansteuernder
Integralmessung ab Film
Die vor fast 8 Jahren eingeführte Lichtmessung ab Film bzw. ab erstem Verschlußvorhang behält die OM-4 bei, aber mit einer neuen Meßanordnung. Erstens dient jetzt dieselbe Meßzelle im Kameraboden sowohl zur Belichtungssteuerung selbst (wie in der OM-2 usw.) wie auch für die Vormessung bzw. Meßanzeige, wofür die bisherigen Modelle ein zweites CdS-Zellensystem im Sucher hatten. Für die Meßanzeige läßt der teildurchlässige Hauptspiegel ca. 20% des Lichtes auf einen dahinter liegenden Hilfsspiegel durch, der dieses Meßlicht auf die Siliziumfotodiode umlenkt. Bei normalem Automatikbetrieb (Zeitautomat mit Blendenvorwahl) erscheint im Sucher die
voraussichtliche, von der Automatik gewählte Verschlußzeit. Die Zeit wird durch die vom Verschlußvorhang bzw. Film reflektierten Lichtmenge während der Aufnahme selbst gebildet, nachdem also der Haupt- und Hilfsspiegel aus dem Strahlengang ausgeschwenkt sind. Bis auf den Hilfsspiegel ist das ja bei Olympus hinreichend bekannt. Bei Blitzaufnahmen mit Systemblitz steuert die Meßzelle ebenfalls wie bisher - die Blitzdauer. Neu ist die jetzt unterhalb das Einstellscheibenfeldes sitzende LCD. Bei normalem Automatikbetrieb ist hier eine Zeitenreihe von 2000 bis 1 sichtbar, die beim Antippen des Auslöseknopfes erscheint und ca. 1 1/2 Minuten bestehen bleibt. Beim Einschalten des Meßsystems läuft gleichzeitig ein unterbrochener Balken von rechts nach links in das Feld und bleibt mit seinem Ende über der dem Meßwert entsprechenden Zeit stehen. Ändert sich das Licht, wird der Balken länger oder kürzer. Die Anzeige erfolgt in Drittelwertintervallen - der Balken hat zwischen jedem Zeitwert drei Teilungen. (Die Zeitbildung selbst ist stufenlos.) Bei extrem hellem Licht (Überbelichtungsgefahr) läuft der geteilte Balken bis zur 1/2000 Sekunde und es erscheint links davon "OVER" Bei ungenügendem Licht erscheint der Balken überhaupt nicht, dafür aber rechts "UNDER" Elegant ist, daß die ganze Zeitenskala sichtbar bleibt und daß man auf einen Blick sieht, wie sie sich ändert. Das ist eben jene Pseudo-Analoganzeige.
Punktmessung und Speicher
Für den Fachfotografen, der die Belichtung seiner Bilder gezielt steuern will, konstruierte man in die OM-4 eine hochselektive Punktmessung mit Speicher und Rechnerfunktionen. Das geht weit über das was bisher unter selektiver Messung in Kleinbild-SLRs bekannt war hinaus. Erstens der Meßwinkel: In der Mitte der Siliziumzelle für die mittenbetonte Ganzflächenmessung (eine echte Integralmessung, weil hier das Licht ja während der Belichtung selbst kumulativ aufgemessen, also integriert wird) sitzt eine zweite Zelle, deren Meßwinkel praktisch nur den kleinen Mittenkreis das Schnittbildindikators (2,5 mm) erfaßt. Mit dem Normalobjektiv 50 mm ist das ca. 3xGRADx oder 0,6% der Bildfläche. Damit kann man schon sehr kleine Motivdetails genau anmessen.
Zweitens der Speicher: Bei Reflexkameras mit Innenmessung des Einstellscheibendildes (oder des über den Spiegel abgezweigten Lichts) muß das Meßergebnis für die Belichtung selbst festgehalten werden, da nach dem Hochschwenken des Spiegels die Messung aufhört. (Mit dem ersten dazu eingesetzten elektronischen Speicher in der Pentax Spotmatic soll Asahi gut an Lizenzgebühren verdient haben.) Für die Messung ab Filmebene bzw. Verschlußvorhang braucht man dagegen keinen Speicher (und kann ihn auch nicht gebrauchen). Für die Selektiv- oder Punktmessung wählt man einen Meßpunkt und muß das Ergebnis für die Belichtung festhalten. Der Meßspeicher der OM-4 ist also für Olympus Neuland. Er wird wirksam, wenn man während der Messung auf die SPOT-Taste auf dem Kameradeckel drückt. Im Sucher erscheint dann die LCD-Anzeige "SPOT" sowie eine Rautenmarke über der gemessenen Verschlußzeit. Der Anzeigebalken stimmt dabei mit der Rautenmarke überein. Die Aufnahme selbst erfolgt automatisch mit diesem gespeicherten Meßwert und nicht nach der Messung ab Verschlußvorhang.
Nun wird aber eine Punktmessung oft eingesetzt, um einen Mittelwert zwischen Lichtern und Schatten zu ermitteln. Der Rechnerfunktion der OM-4 kann derartige mehrfache Messungen nicht nur festhalten, sondern ermittelt gleich den Mittelwert und stellt ihn auch an der Kamera ein. Ergab z. B. die Messung einer Schattenpartie 1/60 S und es wird eine Lichterpartie von 1/250 S (nochmals mit Druck auf die SPOT-Taste) angemessen, so erscheint eine zweite Rautenmarke über der 250. Der Rechner rechnet aber schon den Mittelwert aus und der Anzeigebalken der Sucher-LCD läuft auf diesen Mittelwert: Eine Belichtung würde nun mit 1/125 S erfolgen.
Die Möglichkeiten gehen noch viel weiter. Man könnte etwa darauf Wert legen, bei der Belichtung mehr die Schatten zu bevorzugen. Kein Problem: Man macht eine Lichtermessung und zwei Schattenmessungen. Der Mittelwert dieser Messung ist ein "Untermittelwert" Der Speicher und Rechner der OM-4 können bis acht solcher Messungen festhalten - bei jeder Messung wird erneut der Mittelwert der bisherigen gespeicherten Werte gebildet. Bei einer neunten Messung geht der erste Meßwert aus dem Speicher verloren - es werden stets die acht letzten Messungen berücksichtigt.
Mehrfache Punktmessungen sind auch bei der Anmessung eines einfachen Mitteltons nützlich. Bekanntlich soll bei normalen Belichtungsmessern die richtige Belichtung auf der Messung eines Mitteltons von ca. 18-20% Reflektivität im Motiv beruhen. (Für die Fachfotografie stellt Kodak z. B. dazu ihre bekannte Graukarte zur Verfügung.) Im Sucherbild ist es nun nicht leicht, genau 20% Tonwert zu schätzen. Also macht man, was Carl Koch seit Jahren für die Sinar empfiehlt: Punktmessungen eine Anzahl ungefährer Mitteltöne, aus denen dann ein Mittelwert gezogen wird. In der OM-4 geht das, wie gesagt, mit bis acht solcher Messungen.
Der Meßvorgang auf Lichter und Schatten.
Neben der SPOT-Taste hat die OM-4 noch zwei weitere Tasten oben am Kameradeckel, mit den Markierungen HI.LIGHT und SHADOW. Drückt man bei einer Punktmessung anstatt auf die SPOT- auf die HI.LIGHT (Highlight)-Taste, so verschiebt sich das Meßergebnis automatisch um ca. +2 bis + 2 1/2 EV. Damit ergibt eine Messung einer hellen Lichterpartie eine richtige Belichtung. Ähnlich verschiebt sich das Meßergebnis um-2 EV (Belichtung wird kürzer), wenn man bei der Messung auf die SHADOW-Taste drückt. (Die genaue Korrektur lag in den vorliegenden Handmodellen der Kamera noch nicht ganz fest.). Die Lichter- und Schattenmessungen kann man auch in Verbindung einer Mittelwertermittlung einsetzen - z. B. für einen Mittelwert aus drei oder vier SHADOW-Messungen oder kombiniert mit Lichtermessungen usw.
Der Sinn einer derartigen Lichter- oder Schattenmessung ist ja, daß eine Lichterpartie im Objekt entsprechend dunkler im Negativ (oder heller im Positiv) erscheinen soll als ein Mittelton. Eine normale Anmessung einer Lichterpartie ergibt dagegen einen Belichtungswert, der diese Partie wie eine mittelgraue Fläche wiedergibt also unterbelichtet. In der normalen Aufnahmepraxis soll man daher einer Lichtermessung etwa 2 EV zugeben um diese Unterbelichtung zu kompensieren. Genau das erreicht in der OM-4 eine Punktmessung mit Druck auf die HI.LIGHT-Taste. (Das entgegengesetzte gilt natürlich für die Schattenmessung mit der SHADOW-Taste )
Gleichzeitig erscheint in der Sucher-LCD eine entsprechende Anzeige HIGHLIGHT bzw. SHADOW.
Der Serienspeicher
Über den Speicher der OM-4 kann man noch auf weitere Weisen verfügen, und zwar mit einem den Auslöseknopf umgebenden Hebel. Er ist in zwei Richtungen verschiebbar, mit Markierungen CLEAR und MEMO. Nach CLEAR geschoben löscht der Hebel alle bisherigen Spot(auch Lichter- und Schatten-)messungen. Man kehrt also zur Integralmessung zurück oder kann erneut mit Punktmessungen anfangen. Bei der Aufnahme selbst wird - mit einer gleich zu beschreibenden Ausnahme - der Speicher der Punktmessung ebenfalls gelöscht. Dieses Löschen verhindert aber ein Hebeldruck in Richtung MEMO. Bei der Aufnahme wird dann das bisher ermittelte Meßergebnis - ob mit Automatikbetrieb oder Punktmessung - in einem weiteren Speicher festgehalten, der nun alle nachfolgenden Belichtungen steuert. Bei einer Aufnahmeserie werden in diesem Fall alle Bilder genau gleich belichtet, auch wenn sich die Lichtverhältnisse inzwischen verändern. In der Sucher-LCD quittiert die Anzeige MEMO, daß dieser Speicher eingeschaltet ist. Ein Druck desselben Hebels nach CLEAR löscht auch diesen Speicher.
Manuellbetrieb
Im Manuellmodus haben die OM-2 und OM-1 einen Meßzeiger mit Nullpunkt- sowie Plus/Minusmarken. Das bildet die OM-4 (und auch die OM-3) ebenfalls mit der LCD nach. Beim Umschalten auf Manuellbetrieb erscheinen über dem Anzeigebalken im Sucher Pfeil- und Strichmarken, die einerseits einen Nullpunkt und andererseits Über- und Unterbelichtungsbereiche bis + 3 EV markieren. Anstatt der ganzen Verschlußzeitenskala ist jetzt nur die manuell vorgewählte Verschlußzeit sichtbar. Der geteilte Balken wird nun zur Anzeige der richtigen Belichtung, wenn er genau in der Mitte zwischen den Pfeilmarken steht. In diese Mitte bringt man ihn durch Nachstellen entweder der Zeit oder der Blende - oder man läßt ihn für eine absichtliche Über- oder Unterbelichtung außerhalb des Mittenpunktes.
Neben der Ganzflächenmessung ist bei Manuellbetrieb ebenfalls die Punktmessung (mit Lichter- oder Schattenmessung) möglich. Es erscheinen bei jeder Messung wieder die Rautenmarken als Anzeige des jeweiligen Meßwertes und der Balken signalisiert den Mittelwert aus bis acht solcher Messungen. Danach bringt man nun das Balkenende (durch Nachstellen der Blende oder Zeit) in die Mitte der Pfeilmarken und macht die Aufnahme. Diese Möglichkeiten mit Manuellbetrieb hat auch die OM-3 (einschließlich Punktmessungen) - aber nicht die Automatik. (Auch entfällt hier der Serienspeicher, da bei Manuellbetrieb die Belichtung ja bei allen Aufnahmen gleich bleibt, bis man die manuelle Einstellung ändert.)
Der Vollständigkeit halber sind noch zwei LCD-Signale zu erwähnen. Erstens hat die OM-4 bei Automatikbetrieb die übliche Belichtungskorrektur von + 2 EV. Ist sie eingeschaltet, so erscheint im Sucher rechts vom Anzeigebalken das Signal +.
Zweitens leuchtet bei Blitzbereitschaft eines angeschlossenen Systemblitzes ebenfalls rechts ein Blitzsymbol auf. Dieses dient auch als Rückmeldung der richtigen Blitzbelichtung. Das gab es schon in der OM-2N, OM-1N, OM-10 usw., ist aber hier im LCD-System integriert.
Eigentlich fehlt nur eines: Die Anzeige der Blendeneinstellung am Objektiv. Denn die OM-Modelle hatten nie eine Einspiegelung der sonstigen Eingabemöglichkeit der tatsächlichen Blende. (Der Blendensimulator der Objektive leitet nur den Abblendungsgrad ab der größten Blende weiter.) Das würde eine zusätzliche Informationsübertragung zwischen Objektiv und Kamera (z. B. größte Blendenöffnung) und daher eine neue Objektivserie erfordern. Das aber wollte der Konstrukteur im Interesse der Systemvereinbarkelt mit den bisherigen Objektiven nicht riskieren. Eine Schlußbemerkung: Für den "technisch unbelasteten" Hobbyfotografen sind die Möglichkeiten der Punktmessung viel zu aufwendig. Denn mit dieser rechnerisch denkenden Kamera muß der Fotograf mitdenken - zumindest muß er wissen wann er welche Meßpunkte im Motiv zu wählen hat. Beim heutigen Trend der zunehmend entscheidungslosen Fotografie erfordert es Mut, eine derart entscheidungsbedürftige Kamera auf den Markt zu bringen.
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