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Artikel
1998
Der Alexander Borell-Kommentar
Nikon FA
Eine kluge Freundin
Vor etwa drei Jahren noch sah es so aus, als würde sich Mutter Nippon Kogaku für alle Zeiten stolz und etwas müde mit den teilweise schon nicht mehr ganz taufrischen Töchtern begnügen, die sie in die Welt der Fotografie geboren hatte. Die Tatsache, daß zigtausende von Nikon-Objektiven mit der weltbekannten Mitnehmergabel ("Ritsch-Ratsch") von engagierten Hobbyfotografen, von Profis und Agenturen in aller Welt benützt wurden, sicherte Nikon eine lukrative Nachkauf-Rente. So schien es, als gingen technische und elektronische Entwicklungen anderer Hersteller an Nikon völlig spurlos vorüber.
Und so überlegte sich mancher Einsteiger, ob er dem Namen Nikon auf seiner Kamera mehr Gewicht beimessen sollte, als anderswo produzierten modernen Kameras mit moderneren Objektiv-Bajonetten. Vielleicht hat diese Tendenz bei Nikon doch etwas bewegt: das erste leise Anzeichen des Erwachens brachte das "AI"-Bajonett, bei dem es das traditionelle "Ritsch-Ratsch" nicht mehr gab. Und dann bewies die Mutter Schlag auf Schlag, daß sie noch durchaus in der Lage war, hübsche Töchter in die Welt zu setzen: handliche Zeitautomaten und einen Verschluß, der bei 1/200 Sekunde den Blitz synchronisieren und eine 1/4000 Sekunde Belichtungszeit schaffen konnte. Und damit war Mütterchen wieder voll im Geschäft.
Aber, so sagte man, eine Blendenautomatik bringen die nie mehr in ihre Objektive! - Nikon hat nun auch das elegant und souverän geschafft, mit der neuen Nikon FA, der "Technocamera". Und um es gleich vorwegzunehmen: diese Kamera ist mit Technik und Elektronik vollgepackt, aber beides ist so sinnvoll und praxisgerecht, daß die Arbeit mit dieser Kamera nicht verkompliziert, sondern erleichtert wird. Wenn man mit ihr warm geworden ist und mit ihr fotografiert, hat man das Gefühl, als arbeite man mit einer netten und klugen Freundin, die sanft auf Fehler aufmerksam macht oder sie stillschweigend korrigiert. Werbespezialisten haben herausgefunden, daß man einen Interessenten dazu bringen müsse, dreimal "Ja" zu sagen: dann werde er Kunde.
Drei Mal "Ja" zur neuen "Technocamera" Nikon FA
Das erste Ja nickt man still vor sich hin, wenn man die FA in die Hand nimmt: man hat sie gut im Griff, und sie ist weder zu leicht noch zu schwer, und sie ist weder zu klein noch zu groß geraten.
Das zweite Ja kommt beim Blick durch den - gegen Fremdlicht verschließbaren - Sucher: Man wundert sich, warum dieser Sucher heller und klarer ist, als andere Sucher, die auch hell und klar sind. Die fünf wichtigen Informationen liegen außerhalb des Sucherbildes: Blitzbereitschaft mit Nikon-Blitz (rote LED); die Verschlußzeit auf LCD-Display bei Automatikbetrieb, sowie die Warnung "HI" bzw. "LO" bei Über- bzw. Unterbelichtung, falls der Meßbereich verlassen wird; daneben erscheint im zweiten LCD-Display die Blendenzahl, wenn die Kamera als Zeitautomat arbeitet; die vierte Anzeige ist die Verschlußzeit, falls man mit Blendenautomatik fotografieren will; und schließlich erscheint noch - deutlich und rot! - das Signal für eine Belichtungskorrektur. Mehr braucht man nicht; weniger würde die schnelle Überwachung deutlich vermindern.
Das dritte Ja kommt schließlich, wenn man die aufgeräumte Oberseite dieser FA betrachtet. Als Wichtigstes ist da unter dem Verschlußzeitenrad (1 sec 1/4000) der Hauptschalter mit vier rastenden Einstellungen: "P" für eine zweifache Programmautomatik, das normale und ein besonderes Kurzzeit-Programm, das sich einschaltet, wenn längere Brennweiten verwendet werden, um Verwacklung zu verhindern. "S" für Blendenautomatik nach gewählter Verschlußzeit; "A" für Verschlußzeit-Automatik nach gewählter Blende; und schließlich "M" für manuelle Einstellung der Kamera. Letztere wird auf dem ersten Sucherdisplay mit "M+/-" angezeigt. Erscheinen "+/-" zugleich, ist die Belichtung korrekt.
Und nun von links nach rechts: Das Einstellrad für Filmempfindlichkeit und Belichtungskorrektur, auf dem Sucher der "heiße" Schuh mit drei Kontakten; das Verschlußzeitenrad; der Hauptschalter für die Funktionen; der Auslöser; das Zählwerk (beim Filmeinlegen bis zu Bild 1 macht die Kamera 1/250 sec!); der Hebel für Mehrfachbelichtungen; und der Schnellschalthebel, der angelegt den Auslöser und die Elektronik sperrt.
Völlig neuartig - sagt Nikon - ist das System der Belichtungsmessung: das Sucherbild ist in fünf Segmente unterteilt, die alle separate Meßwerte liefern, die zusammen einen Mittelwert liefern. In der Bildmitte ein Segment, darum herum formatfüllend die vier anderen. Hierdurch wird, wie Nikon sagt, ein optimales Meßergebnis erzielt. Letzteres habe ich bei Probeaufnahmen selber festgestellt. Ganz so neu scheint mir das Prinzip allerdings nicht: ich finde keinen bedeutenden Unterschied zu einer "integralen Messung mit Mittenbetonung". Hauptsache aber, es funktioniert, und das tut die FA.
Neu: "Cybernetic Override"
Ebenso neu und einzigartig - sagt Nikon - ist das, was man bei der FA mit "Cybernetic Override" bezeichnet hat. Werden bei Blenden- oder Zeitautomatik die vorgegebenen Bereiche überschritten, korrigiert sich die FA selber. Gut, das kenne ich zwar schon längere Zeit von anderen Kameras, z. B. der Mamiya (dort heißt es "Crossover") oder von den Spitzen-Minoltas (dort heißt es gar nichts, die machen das einfach), aber bei Nikon ist es neu und deshalb nicht weniger funktionell wichtig und lobenswert. Daß bei dieser Kamera Verschluß und Automatik im Langzeitenbereich nicht mehr als 1 sec fertig bringen, ist Wasser auf die Olympus-Mühlen.
Schaltet man den Hauptschalter auf "M", also manuelle Einstellung, mißt das runde Mittelfeld allein, und zwar 60% der gesamten Bildfläche, wie das bei Nikon schon lange üblich ist. Mir war die frühere, 80%ige Messung noch lieber, weil sie noch näher an eine gezielte Spotmessung herankam. Mit Spotmessung muß man allerdings umgehen können, sonst gibt es überraschende Fehlergebnisse; vermutlich hat Nikon hier vom elitären Profistandpunkt aus eine Konzession an den Umsatz gemacht. Man kann sich übrigens auch diese Messung über einen Schalterknopf zur Blenden- oder Zeitautomatik holen, was ich für sehr gute halte. Dafür fehlt die Möglichkeit, den Meßwert zu speichern, ich für weniger gut halte, was aber bei dieser Kamera auch nur sehr selten nötig ist.
Das Suchersystem ist nicht auswechselbar, aber die Einstellscheibe, die serienmäßig geliefert wird (Schnittbild und Mikroprismen) ist gegen zwei andere austauschbar. Auch das ist Tradition bei Nikon: neu schon, aber so wenig wie möglich. Warum kann ich in dieser wundervollen Nikon FA nicht alle Nikon-System-Einstellscheiben verwenden? Gerade die Klarscheibe mit Fadenkreuz als Sucherscheibe wäre mit dieser Kamera für extreme Makro- und Mikroskopaufnahmen wichtig.
Die verwendbaren Objektive
Ebenso ist es bei Nikon Tradition' daß man alle Objektive auch an neuen Modellen verwenden kann; nur ist deren Funktion, sofern es alte Objektive sind, eingeschränkt. So können Sie mit der FA nur alle Möglichkeiten ausschöpfen, wenn Sie AI-S-Objektive verwenden. Man erkennt sie an der durchbrochenen Mitnehmergabel und daran, daß die Zahl für die kleinste Blende (16, 22) orangefarbig ausgelegt ist. Sie haben in der Auflagefläche eine kleine Mulde, in der sich ein kameraseitiger Abtaststift seine Informationen über größte und kleinste Blende holt. Zudem sind sie mit einem Index für die Brennweite versehen, der bei der FA zusätzlich die Programmautomatik steuert. Deshalb gibt es auch neue Telekonverter.
Daß man bei Nikon keinen Strich mehr tut, als unbedingt nötig, erkennt man, sobald man die Kamera öffnet: Das Einlegen des Films erfolgt genauso veraltet und hausbacken über Einfädeln in eine Aufwickelspule, wie seit eh und je. Wenn eine Kamera schon vier Automatiken hat, hätte man ihr eine fünfte zum Filmeinlegen spendieren können, wie das anderswo seit Jahren zum halben Preis einwandfrei funktioniert.
Lobenswert zu erwähnen sind noch der griffgünstige Hebel für Mehrfachbelichtungen (auch mit Motor); das verschließbare Sucherokular und die Möglichkeit, bei Ausfall der Batterie (eine 3-Volt-Lithium, bzw. zwei 15-Volt-Knöpfe) mechanisch mit 1/250 sec. weiterarbeiten zu können. Das nötige Licht wird von Nikon nicht mitgeliefert.
Selbstverständlich - das wurde schon angedeutet - arbeitet die FA mit den beiden Nikon-Blitzen SB15 und SB16B automatisch mit Messung TTL und 1/125 sec. Das ist Nikon-Spitze, besonders für Aufhell-Blitze.
Es gibt zur FA natürlich auch einen Motor, der 3,2 Bilder pro Sekunde schafft. Aber natürlich ist das wieder - gemäß der Nikon-Tradition ein neuer Motor, der MD-15. Er hat den Nachteil, daß Sie ihn kaufen müssen, auch wenn sie bereits einige Nikon-Motore besitzen, dafür übernehmen seine Batterien oder Akkus dann auch die Stromversorgung der Kamera.
Alles in allem ist diese neue Nikon FA eine sehr sinnvolle, praktikable und technisch auch für den Normalverbraucher hochinteressante Kamera, die hin und wieder den Neid ihrer älteren Schwester F3 erwecken wird. Die kleinen, traditionsbedingten Mängel ändern nichts an der Tatsache, daß die FA auch in punkto perfekter Verarbeitung und Zuverlässigkeit eine traditionelle Nikon-Kamera zu sein verspricht.
Wenn Sie diese Zeilen lesen, habe ich schon länger mit ihr gearbeitet und kann Ihnen sagen, ob sie dieses Versprechen hält.
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