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Artikel
1998
Kameras
LEICA R4s
Erfolgreich abgespeckt
Den Wünschen zahlreicher Profis folgend, bringt Leitz mit der Leica R4s eine abgespeckte Leica R4 heraus. Durch den niedrigeren Preis möchte man natürlich auch vermehrt Hobbyfotografen ins Leitz-Lager hinüberziehen - der Erfolg wird zeigen, ob die Rechnung aufgeht.
Jedes Kind hat zwei Elternteile, und das ist bei der neuen Leica R4s nicht anders. Sie ist der Leica R4 wie aus dem Gesicht geschnitten, und schon die Leica R3 konnte vieles von dem, was die R4s auch kann. Aber von welchem seiner Ahnen er's auch ererbt hat - wichtig ist: was kann der jüngste Leica-Sproß?
Diät a la Leitz
Die Leica R4 war, so Leitz sinngemäß, mit Zeitautomatik, Blendenautomatik und Programmautomatik vielen Profis und engagierten Hobbyfotografen zu füllig. Blenden- und Programmautomatik wurden zwar mitgekauft, kamen aber kaum zum Einsatz. (Daß gerade die Programmautomatik bei anderen Leica Freunden sehr beliebt war, und so zum Erfolg der R4 beitrug, steht auf einem anderen Blatt.) Für die weniger zufriedenen wurde der R4 eine Abmagerungskur verordnet- rank und schlank in ihren Funktionen präsentiert sich nun die Leica R4s und bietet immer noch genug:
Zeitautomatik nach Blendenvorwahl mit Integralmessung
Zeitautomatik nach Blendenvorwahl mit Selektivmessung
manuellen Belichtungsabgleich mit Selektivmessung
Meßwertspeicher
Belichtungskorrektur-Faktoren von +2 bis -2 Belichtungsstufen.
Trefferquote: Neunzig Prozent
Der vor vielen Jahren schwelende und hin und wieder heftig auflodernde Streit um die Vorzüge der Zeit- bzw. Blendenautomatik ist erloschen. Es hat sich herumgesprochen, daß beide Belichtungsautomatiken ihre Berechtigung und in bestimmten Situationen ihre Vorteile haben.
Für die neue Leica R4s entschied man sich bei Leitz für die Zeitautomatik, die - ohnehin beliebt und bewährt - geringeren Aufwand fordert, als eine Blendenautomatik.
Im Normalfall werden Sie die Zeitautomatik der Leica R4s im Zusammenhang mit der Großfeldintegralmessung einsetzen. Der Betriebsartenwähischalter steht dann auf A und die gewählte Meßart wird im Sucher links unterhalb des Bildfeldes durch das gleiche Symbol angezeigt. In dieser Betriebsart stehen Ihnen die Zeiten von 1/1000 Sekunde bis ca. 8 Sekunden stufenlos zur Verfügung, der Meßbereich erstreckt sich von EV +1 bis EV +19.
Der Integralmessung, die man (in Variationen) in der überwiegenden Zahl der Kleinbild-Spiegelreflexkameras antrifft, liegt die Erfahrung zugrunde, daß bei der Mehrzahl der Motive verschieden helle Details zusammen einem mittleren Grauwert entsprechen (18% Reflexion). Auf diesen statistischen Mittelwert ist auch der Belichtungsmesser der R4s geeicht und kann in gut 90% aller Fälle einen korrekten Wert ermittelten. Weicht aber ein Motiv stark von diesem Durchschnitt ab, so ist der Belichtungsmesser überfordert - das Resultat sind über- oder unterbelichtete Bilder.
Um dem zu entgehen, können Sie auf Selektivmessung umschalten, wollen Sie das nicht, so steht Ihnen noch die Eingabe fester Korrekturfaktoren offen. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht sichtbar ist, so ist die Eingabe der Korrekturfaktoren doch von der
Filmempfindlichkeit abhängig. Letztere wird über einen arretierbaren Rändelring eingestellt (von ISO 12/12xGRADx bis ISO 3200/36xGRADx), die Korrekturfaktoren (in halben Stufen von +2 bis -2 Belichtungsstufen) an einem kleinen, ebenfalls arretierbaren Hebel darunter. Der volle Korrekturbereich läßt sich allerdings nur bei den Filmempfindlichkeiten von ISO 18/50xGRADx bis ISO 800/30xGRADx nutzen - darunter sind Plus-, darüber Minuskorrekturen nur noch eingeschränkt möglich. Aus der Praxis ist diese Einschränkung nicht zu bemängeln, wohl aber, daß die Einstellelemente hier etwas zu ladylike (sprich: geschaffen für zarte und feingliedrige Finger) ausgefallen sind, und die Eingabe einer Korrektur zur Fummelei wird. Mit dem Freigabeknopf für die Filmempfindlichkeitseinstellung (Öl), ist noch die Batteriekontrolle verknüpft leuchtet vor dem Knöpfchen eine LED fünf Sekunden lang, ohne ihre Leuchtkraft merklich zu verringern, so weist das auf ausreichende Batteriekapazität hin.
Allheilmittel Selektivmessung?
Die zweite Methode, schwierigen Lichtverhältnissen beizukommen ist die Leitz-Selektivmessung, die Sie sowohl mit Zeitautomatik (Betriebsartenwähischalter auf Zeitenbereich stufenlos von 1/1000 Sekunde bis ca. 8 Sekunden, Meßbereich von EV +3 bis +19) und mit manuellem Belichtungsabgleich (Betriebsartenwähischalter auf (3), Zeitenbereich von ,/,0OO Sekunde bis 1 Sekunde in ganzen Stufen, Meßbereich von EV +3 bis EV +19), einsetzen können. Bei dieser Art der Belichtungsmessung wird nicht mehr ein Mittelwert über das gesamte Bildfeld gebildet sondern es wird eine genau definierte Zone zur Bestimmung der korrekten Belichtung herangezogen. Bei der Leica R4s entspricht diese Zone dem Feld, das Schnittbildentfernungsmesser und Mikroprismenring auf der Standardmattscheibe einnehmen. (Auch auf den vier anderen Einstellscheiben Vollmattscheibe, Mikroprismenscheibe, Gitterscheibe und Klarscheibe - zeigt ein Ring die Meßzone an.) Die Selektivmessung werden Sie immer dann verwenden, wenn sehr große Helligkeitsunterschiede das Motiv prägen (Extrembeispiele: Porträt vor untergehender Sonne, Ebenholzfigur vor einer schneeweißen Wand). Da der Punkt, den Sie richtig belichten möchten und dank der Selektivmessung auch exakt anmessen können, nicht immer genau in der Bildmitte zu finden ist, ist es nur logisch und konsequent daß mit der Selektivmessung die Möglichkeit der Meßwertspeicherung verbunden ist. Das heißt: Sie messen den wichtigsten Teil des Motivs an, die Kamera ermittelt die richtige Verschlußzeit zur vorgewählten Blende, Sie speichern diesen Wert, komponieren das Bild und lösen dann erst aus. So fummelig es ist, eine Belichtungskorrektur einzugeben, so einfach ist es, den Meßwert zu speichern. Beim Druck auf den Auslöser können Sie zwei Druckpunkte deutlich vortasten. In der ersten Stufe wird der Belichtungsmesser aktiviert, in der zweiten der Meßwertspeicher (im Sucher angezeigt durch das Erlöschen der Betriebsartenanzeige). Die Kombination Selektivmessung plus Meßwertspeicher macht es in vielen schwierigen Situationen noch möglich, zu korrekt belichteten Bildern zu kommen - ist aber keineswegs ein Allheilmittel. Das Meßfeld nämlich ist konstant - der Meßwinkel ändert sich mit dem Bildwinkel des Objektives. Je kürzer also dessen Brennweite, desto größer der Meßwinkel - bis bei Superweitwinkelobjektiven die Selektivmessung so selektiv gar nicht mehr ist. Hier helfen nur eine Ersatzmessung auf einen Gegenstand richtiger Helligkeit und die Speicherung dieses Meßwertes oder die Eingabe eines Korrekturfaktors.
Das Leica-Feeling
Mit einer Leica zu arbeiten ist für viele Hobbyfotografen ein ähnliches Gefühl, wie für einen "Autonarren" in einem Jaguar zu sitzen. Und in gewisser Weise ist dieser Vergleich nicht unberechtigt.
Auslöser und Filmaufzug arbeiten butterweich, das Auslösegeräusch ist vornehm gedämpft. Auch andere Details sind vorbildlich gelöst, der Betriebsartenwählschalter, kombiniert mit einem Einschalter für die Belichtungsmessung, die große und optimal plazierte Abblendtaste, die Filmlaufanzeige vor dem Schnellschalthebel und der Verschluß des Sucherokulars. Der Sucher selbst bietet alle Informationen, die nötig sind. Die Verschlußzeiten werden von der 1/1000 Sekunde bis zur vollen Sekunde durch rote LED am rechten Sucherrand angezeigt. Auch bei der Leica R4s sind die zugehörigen Zahlen nicht mehr zu lesen, wenn es dunkel wird am rechten Sucherrand, aber immerhin werden die kurzen Zeiten durch runde, die langen (ab 1/30 Sekunde) durch eckige LED angezeigt, so daß hierdurch die Warnung bei Verwacklungsgefahr gewährleistet ist. Die Zeiten zwischen 1 Sekunde und 8 Sekunden werden pauschal abgehandelt - da in diesem Bereich ohnehin vom Stativ gearbeitet wird, ist die Kenntnis der exakten Zeit unwichtig. Angezeigt werden weiterhin drohende Über- und Unterbelichtung, Überschreiten des Meßbereichs, die gewählte Meßart, eingestellter Korrekturfaktor und bei systemkonformen Blitzgeräten Blitzbereitschaft sowie die manuell oder automatisch eingestellte Synchronzeit (1/100 Sekunde). Die eingestellte Blende wird eingespiegelt und ist, je nach Lichtverhältnissen, mehr oder minder deutlich sichtbar.
Es wurde bisher nicht erwähnt, daß Einstellung auf "B" möglich ist, daß mit 1/100 Sekunde auch ohne Batterien fotografiert werden kann und daß die R4s über einen blinkend ablaufenden Selbstauslöser verfügt - das sei hiermit nachgeholt.
Die Reporterausrüstung
Ich hatte mir für diesen Bericht die Leica R4s mit zwei Objektiven bestellt- mit dem Summicron R 1:2/35 mm und dem Summicron R 1:2/90 mm, um die Ausrüstung nachzuempfinden, von der alte Fotohasen heute noch schwärmen (Meßsucher-Leica plus 35er und 90er). Die Kombination ist tatsächlich goldrichtig, die Leistung der Objektive so, wie ich sie mir vorstellte - nicht aber die Handhabung. Schmale Einstellringe für Entfernung und Blende und die gleiche Riffelung nicht nur der Ringe sondern auch des Tubus machten mich doch nervös, weil ich beständig auf der Suche nach dem richtigen Ring war.
Abgesehen von solchen Äußerlichkeiten ist diese "Reporter Ausrüstung" eine wirkliche feine Sache - und abgesehen vom Preis: R4s Gehäuse ca. 1800 DM, das 35er und 90er je ca. 1200 DM. Das ist bei aller Ehrfurcht vor dem hehren deutschen Namen Leitz doch ein bißchen happig.
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