← Zurück

Artikel

1998

Normtest

Leica R4s 

Multi auf Sparflamme 

Zwei Funktionen weniger, ohne Programmautomatik und ohne Blendenautomatik, läßt sie sich preiswerter machen: die Leica R4, die nun als Leica R4s als "abgespecktes" Modell auf den Markt kam. Wer gravierende Unterschiede kennenlernen wollte, die sich im Normtest herausstellen sollten, wurde enttäuscht. Auch als "Leitz-Magerstufe" bleibt diese Kamera ein präzises Handwerkszeug. Die Unterschiede zum "Multi"-Vorbild sind denkbar gering - die Leistung der Kamera hält sich darüber hinaus in den engen Grenzen einer scharfen Qualitätskontrolle.

Eine "Frühjahrskur" auf der ganzen Linie hat die Leica R4 durchgemacht. Heraus kam die Leica R4s, eine Kamera, bei der auf die Blendenautomatik verzichtet wurde und dafür der Preis um einen beachtenswerten Betrag gesenkt ist. Wichtige Argumente, die die Einführung der R4 begleiteten, sind damit annähernd auf den Stand der Leistung der Vorgängerin R3 gebracht und die Umschreibung "Multiautomat" bleibt für die weiterhin angebotene R4 erhalten. Der um bis zu 400 Mark reduzierte Preis, den man beim Durchblättern der Fotohändler-Angebote feststellen kann, dürfte für viele Fotofans der letzte Anstoß zum Kauf sein, insbesondere dann, wenn sie sich im Klaren darüber sind, daß diese Kamera kein "Billigprodukt aus schlechterem Blech" sondern eine alternative Lösung ist, eine Kamera, der man einige (nicht von jedermann geliebte) Funktionen, nicht jedoch den Qualitätsstandard "wegnahm". Ein Vergleich mit dem NORMTEST der R4 mag als Beweis dieser These gelten, doch selbstverständlich wollen wir uns heute ohne allzu häufigen Rückgriff auf den Vergleich mit R3 oder R4 mit der Leica R4s und den von ihr gebotenen Leistungen im NORMTEST beschäftigen.
Die Leica R4s bietet bei integraler Meßcharakteristik Zeitautomatik. Eine weitere Schalterstellung erlaubt die Umschaltung auf Spotmessung, wobei es bei der Zeitautomatik bleibt oder (in der dritten Schalterraste) die manuelle Einstellung von Blende und Zeit möglich ist. Unter manueller Einstellung ist ebenfalls die Spotmessung aktiviert und der Abgleich mit der Messung des Belichtungsmessers wird im Sinne einer Nachführ-Belichtungsmessung vorgenommen.
Die Reduzierung auf dieses Leistungsangebot hat Leitz mit verhältnismäßig geringem Aufwand verwirklicht. Da die Elektronik auf "dem gleichen Chip" basiert, wurden einige Verbindungen, einige Bauteile eingespart - die grundsätzliche Intelligenz der Elektronik bleibt davon praktisch unberührt, sie ist nur für den Anwender nicht mehr erreichbar. Verhältnismäßig geringe Eingriffe also und man ist geneigt, die Preisreduzierung weniger als Einsparung in der Produktion denn als Gegenwert "für fehlende Funktionen" zu sehen.
Maßgeblich an der Beliebtheit dieser Kamera beteiligt ist ihre Eigenschaft, die Belichtungsdaten sowohl integral als auch im scharf eingeengten Spot zu messen. Ohne nun auf bestimmte Eigenheiten das Motivs eingehen zu müssen, interessiert die Genauigkeit, mit der man in beiden Meßarten arbeiten kann. Vergleichen Sie bitte auch hier die Diagramme, und Sie werden feststellen, daß das Maximum einer Abweichung beim Wert von 1/10 Blendenstufen liegt, bzw. in der Belichtungsautomatik zwischen 1/3 bis 1/6 Blendenstufe knapperer Belichtung angesiedelt ist. Abweichungen, die weit innerhalb der zulässigen Toleranzen liegen, und die (bezogen auf die 1/10 Blendenstufe Abweichung) für das Resultat praktisch vollkommen unbedeutend oder (bei -1/3 bis -1/6 Blendenstufen) einem farbintensiven Diapositiv-Ergebnis förderlich sind. Belichtungseigenschaften, die einer individuellen und spürbaren Beeinflussung noch durch fest einstellbare Belichtungskorrekturen unterzogen werden können (z. B. im Gegenlicht).
Sowohl die Einstellscheibe für die Filmempfindlichkeit als auch die Belichtungskorrektureinstellung sind nebst zugehörigen Sicherungen unterhalb der Rückspulkurbel untergebracht. Die Sicherungsknöpfe verdienen das nahezu uneingeschränkte Lob, viel Sicherheit gegen versehentliche Betätigung zu bieten. Eine Sicherung, die sich allerdings leider auch etwas negativ auf die beabsichtigte Betätigung dieser Knöpfe auswirkt. Mehr Bedienungsfreundlichkeit zu fordern, fällt schwer, zumal diese bereits bei der R4 vorhandene Anordnung kaum Ansatzpunkte zu Verbesserungen bietet ohne einen Teil der Sicherheit wieder aufgeben zu müssen.
Neben den Einstellscheiben für Filmempfindlichkeit und Belichtungskorrektur sind die beiden Sperrknöpfe untergebracht. In Rückwandnähe wird einerseits die Einstellung der Filmempfindlichkeit entriegelt, andererseits mit dem selben Knopf der Batterietest vorgenommen. Solange die Batterie einwandfreie Leistung bietet, wird dies mit einer kleinen roten Leuchtdiode in Knopfnähe (rechts oben) signalisiert.
Die Filmempfindlichkeiten zwischen 12 und 3200 ASA lassen sich während des Drucks auf den Sicherungsknopf mühelos einstellen. Der volle Bereich der Filmempfindlichkeiten ist nur zu überstreichen, solange die Belichtungskorrektur in der Ausgangsposition (auf Null) steht. In den Grenzbereichen ist bei niedrigen Filmempfindlichkeiten keine belichtungsverlängernde Korrektureinstellung, bei hohen Filmempfindlichkeiten keine belichtungsverkürzende Korrektur möglich. Dies entspricht der Mehrzahl aller Kameras.
Bei der Einstellung der Filmempfindlichkeit sollte man sowohl auf die gedruckten Zahlen als auch auf die Markierungsstriche achten und stets für ein eindeutiges Einrasten der Werte sorgen. Die (sicher selten gebrauchte) Endstellung 3200 ASA kann geringfügig (aber ohne Einrasten) überschritten werden, was die Belichtungsmessung in der Größenordnung von ungefähr einer halben Blendenstufe zu beeinflussen vermag.
Die Einstellung einer Belichtungskorrektur wird im Sucher durch ein rotes LED-Symbol (dreieckiges Feld mit +/- Aufdruck) auffällig blinkend signalisiert. Diese Blinkanzeige ist natürlich nur solange aktiviert wie man den Auslöser zur Belichtungsmessung leicht antippt. Die Anzeige-Symbole im Sucher sind auf das notwendige Maß beschränkt. Die mit Hilfe einer entriegelbaren Taste eingestellten Betriebsarten werden durch je ein LED-Symbolfeld angezeigt. Ein rot leuchtender Kreis mit dem Kleinbuchstaben "m" im Zentrum steht für die Betriebsart "manuelle Einstellung". Ein Kreisfeld mit dem Buchstaben "A" leuchtet, sobald Automatikbetrieb mit Spotmessung gewählt wurde. Ebenfalls ein "A", jedoch nun ein rechteckiges rotes Feld, wird beleuchtet, sofern Automatik und integrale Meßcharakteristik gewählt wurde. Diese Anzeigen haben im linken unteren Rand der Bildfeldbegrenzung eine zur Anzeige in der R4 identische Position. In der Mitte der unteren Bildfeldbegrenzung wird die gewählte Blende eingespiegelt. Ein kleines Fenster im Prismengehäuse blickt dafür direkt
auf den Blendenring des jeweiligen Objektivs. Im rechten Rand des Sucherrahmens sind die Zeiten (durchscheinend) aufgezeichnet. Neben dieser Skala (von 1 bis 1000) werden LEDs aktiviert, die je nach Betriebsart anzeigen, welche Zeit von der Automatik belichtet werden wird bzw. welche Zeit (in der Betriebsart "manuelle Einstellung") zur gewählten Blende passen würde. Da in der Dunkelheit die Lesbarkeit der Zahlen etwas beeinträchtigt sein könnte (aber auch um auf den Beginn der "verwacklungsfähigen" Zeiten hinzuweisen) sind die Zeiten ab der dreißigstel Sekunde mit quadratischen LED-Symbolen versehen. Alle kürzeren Zeiten haben ein kreisrundes Symbol. Dreieckige Symbole oberhalb und unterhalb dieser Skala signalisieren die Gefahr einer Unter- beziehungsweise Überbelichtung.
Ein weiteres (grünes) LED-Symbol wird nur aktiviert, wenn ein systemgerechtes Blitzgerät eingesetzt wird. In diesem Fall wird automatisch auf die Synchronzeit umgeschaltet, die Blitzfunktion angezeigt und die Bereitschaft des Blitzgeräts durch Blinken signalisiert.
Die (auswechselbare) Mattscheibe bietet die Standardleistung, d. h. ein feines Mattscheibenbild, das im Zentrum einen Mikroprismenring und einen waagerecht geteilten Schnittbildindikator trägt. Während bei der integralen Meßcharakteristik (siehe Diagramm) ein großes Feld mit leichter Mittenbetonung herangezogen wird, ist in der selektiven Meßcharakteristik ein eng begrenzter "Spot" für die Ermittlung der Belichtung maßgeblich.

Manuelle Einstellung und Belichtungsmessung

"Manuelle Einstellung von Belichtungszeit und Blende mit Leitz-Selektivmessung" nennt Leitz die Funktion, die sich unter der Position "m" verbirgt. Es wird also nicht mehr versprochen, als die Kamera halten kann. Trotzdem ist mit wenig Übung eine Art Nachführbelichtungsmessung praktizierbar. Man muß sich dafür die vorgewählte Zeit merken und kann dann durch Verstellen der Blende beim Blick durch den Sucher anhand der LED-Anzeige genau feststellen, wann die Blendeneinstellung zur Zeiteinstellung exakt paßt. Auf diese Weise ist eine sogar recht bequeme und schnelle "Nachführbelichtungsmessung" vorzunehmen. Wählt man die Blende vor, um die Zeit an die Blende anzupassen, so geht dies nicht ganz so schnell und einfach. Man sieht beim Blick durch den Sucher zwar auch jetzt in der LED-Anzeige die richtige Zeit, muß jedoch nun erst einmal die Kamera vom Auge nehmen, um die Zeit der Anzeige entsprechend nachzustellen.
Die Einstellung der Zeiten kann in rastenden Stufen zwischen dem Wert von einer Sekunde bis zur tausendstel Sekunde vorgenommen werden. Es ist dabei nicht erlaubt, Zwischenwerte einzustellen. Alle Zeiten werden von der Kamera elektronisch gebildet und gesteuert. Die Ausnahme davon ist unter der Position "B" und "100" zu finden. Beide Raststellungen sind mit andersfarbigen Beschriftungen versehen, um diese mechanisch gesteuerten (und auch ohne Batterie funktionsfähigen Zeiten) deutlich zu kennzeichnen. Auch bei der abgespeckten Version, bei der Leica R4s also, ist in bezug auf Verwendbarkeit des umfangreichen Systemzubehörs keine Einschränkung zu machen. Eine Tatsache, die sie über die Möglichkeit, preiswerter in das Leitz-Programm einsteigen zu können, hinaus auch als Zweitkamera für den der (fast) schon alles aus diesem Programm besitzt interessanter macht. Die wie gesagt - beinahe hundertprozentig gleichwertige R4s besitzt wie ihr Vorbild eine Abblendtaste, mit der man bequem die Schärfentiefe überprüfen kann. Sie besitzt ebenfalls einen (elektronisch gesteuerten) Selbstauslöser, dessen Funktion durch eine kleine LED-Anzeige (sichtbar in einem der beiden Fenster in der Prismensucherkappe) angezeigt wird. Um ihn in Gang zu setzen, muß der Auslöser gedrückt - jedoch nicht ganz durchgedrückt werden. Eine Lösung, die eine Spur eindeutiger konstruiert sein könnte.

Fazit

"Abspecken" und trotzdem gesundbleiben ist die Devise jeder Frühjahrskur. Manch einer schafft sie nicht ohne Magenschmerzen oder lädierte Nerven - die Leica R4s ist eine gesunde Kamera geblieben (wobei zuzugeben ist, daß auch nicht sehr viel "Speck" beseitigt wurde). Die neue Preisklasse tut ihr sicher gut, zumal sie eine technische Qualität zu bieten vermag, die den potentiellen Käufer einer R4 zum Wanken und Nachdenken bringt, ob "seine" Leica denn nun unbedingt eine Programmautomatik beispielsweise haben muß. Unter Verzicht auf "P" und "T" ist er bestimmt genausogut bedient.
Wo geringfügige Mängel (mit denen es sich allerdings leben und fotografieren läßt) anzusprechen waren, ist ebenfalls der Rückgriff auf die teurere Schwester notwendig und daher weiß man, daß dadurch dem guten Produkt kein entscheidender Nachteil entstand.

+ Hohe Genauigkeit der Verschlußzeiten Spot- und Integralmessung wählbar 
+ Sehr leise

- Bedienungselemente könnten (teilweise) bedienungsfreundlicher gestaltet sein

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}