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Artikel
1998
Normtest
Olympus OM-4
Die Kamera mit dem Superhirn
Olympus-Fans mußten lange warten, doch nun wurde sie Realität: Die neue Olympus, die OM-4. Wer gravierende Abweichungen vom OM-2-Vorbild vermutete, wird enttäuscht oder erleichtert sein: Das Konzept der OM-2 blieb in wesentlichen Punkten erhalten.
Seit knapp einem Jahrzehnt, um es genauer zu sagen: seit dem 12. November 1975, gibt es eine Olympus OM-2. Die Fragen, wann Olympus denn nun eine neue Kamera bringen werde, setzten natürlich erst später ein. Mit bewundernswerter Beständigkeit hielt sich die Antwort, und sie ließ keinen Zweifel daran, daß der Hersteller von seinem Produkt und dessen zeitgemäßer Technologie überzeugt war. Abgesehen von kaum merkbaren Eingriffen blieb es bei der OM-2 und diese Kamera wird es auch in Zukunft geben.
Im letzten Jahr angekündigt kam nun die OM-4 auf den Markt. Im Grunde ihres Herzens eine klassische OM-2, doch ihre neuen Details rechtfertigen weder die Behauptung, eine OM-2 in der Hand zu haben oder gar eine Olympus zu benutzen, die nur dem "Zwang der Käuferwünsche" nachgegeben habe. Die Olympus OM-4 ist in ein großes, bestehendes System hineinkonstruiert worden. Alle wichtigen Fragen, die sich zu diesem Zeitpunkt ergeben könnten, erübrigen sich, denn das Umfeld an Zubehör und Objektiven bleibt erhalten und wer dieser Marke treu bleibt, muß nicht mit irgendwelchen Folgekosten oder Ausgaben für eine Umrüstung rechnen. Sie ist eine einäugige Spiegelreflexkamera geblieben, die den Vorteil des autodynamischen Meßsystems beibehalten hat. In diesem Punkt muß der OM-2-gewohnte Anwender nicht umdenken. Ein - einfach akzeptierbares - Umdenken ist vielleicht bei den die Meßprinzipien betreffenden Neuerungen notwendig. Die OM-4 bietet nämlich nun die freie Auswahl zwischen einer Integral-Belichtungsmessung und einer punktgenauen und scharf begrenzten Spotmessung. Das Meßfeld für die Punktmessung deckt sich weitgehend mit dem Sucherzentrum. Im Standardsucher (Mattscheibe Nummer 1-13) ist dies das Mikroprismenzentrum mit Schnittbildindikator, das die Auswahl der Meßpunkte im Motiv problemlos zuläßt.
Das "Bedienungszentrum" für die Auswahl der Meßart ist in der Nähe des Auslösers angeordnet, beziehungsweise mit diesem verbunden. Solange der Auslöser leicht angetippt wird, ist die integrale Meßcharakteristik aktiviert. Die Übernahme dieser Belichtungsdaten in dem Augenblick, in dem der Auslöser durchgedrückt und die Aufnahme "vollzogen" wird' ist mit der Einschränkung zu sehen, daß das autodynamische Meßprinzip auch nach öffnen des Verschlusses noch notwendige Korrekturen berücksichtigt und in die Belichtung einbezieht.
"Clear"-Taste löscht den Speicherwert
Die integrale Messung wird stets dann vorgenommen, wenn über die "Clear"-Taste die Kamera in die Grundstellung versetzt wurde und nur der Auslöser (Antippen zum Auslösen der Messung) benutzt wird. Sofern keine andere Taste benutzt wird, bleibt diese Grundstellung erhalten, so daß eine weitere Anwendung der Clear-Taste nicht notwendig ist. In dieser Betriebsart bietet auch das Anzeigefeld die einfachste Information: Auf blauem Grund in weißer Schrift erscheinen die den Belichtungszeiten entsprechenden Zahlen (von 2000 bis 1) sowie ein unterbrochenes "Laufband", das bis zur jeweils gemessenen Zeitmarke vorgeschoben wird. Diese Anzeige wird mit einer LCD-(Flüssigkristall)-Scheibe vorgenommen. Das zur Erkennbarkeit einer solchen Anzeige notwendige Licht wird durch ein Mattscheibenfenster in der Sucherkappe eingespiegelt. Lobenswerter Weise besitzt diese Anzeige eine Zusatzbeleuchtung, die bei Aufnahmen in der Dämmerung oder bei Nacht nötig ist.
Der Informationsgehalt dieser Anzeige ist auch in den weiteren Betriebsarten vollkommen ausreichend, denn sowohl die Benutzung der Belichtungskorrektur wird durch ein Symbol angezeigt als auch der Betriebszustand "Spotmessung", "Hi.Light", "Shadow", "Memory". Die Überschaubarkeit des Suchers ist eingeschränkt, sobald man mit Brille fotografiert, wobei die von Natur aus etwas tief angesetzte "Anzeigetafel" unter Umständen nahezu völlig aus dem Blickfeld verschwinden kann.
"Clear" und "Memory" sind entgegengesetzte Funktionen und diesem Sinn entsprechend wurde die dafür vorgesehene Taste auch in der Bedienung angelegt. Eine Bewegung nach rechts löscht das "Gedächtnis", eine Bewegung nach links aktiviert "Memory". Im Gegensatz zu anderen Kameras sieht die Memoryfunktion bei dieser Kamera jedoch etwas anders aus. Erst mit der ersten bei "Memory" vollzogenen Aufnahme wird der Belichtungswert bei der Integralmessung übernommen. Ein derartiger "Memory-Lock" mag wenig sinnvoll erscheinen, vergleicht man ihn mit den herkömmlichen Einrichtungen dieser Art. Die Kamera besitzt jedoch eine Spotmessung, die über einen Knopf neben dem Auslöser aktiviert wird, ein sehr genaues Anmessen wichtiger Bildpartien zuläßt und den ermittelten Wert für eine folgende Aufnahme in den Speicher übernimmt. Damit ist der übliche Sinn eines Memory-Lock voll erfüllt und dank der engen Begrenzung des Meßflecks sogar besser und gezielter einsetzbar.
Bis zu acht Messungen werden "verarbeitet"
Der Speicher selbst kann sich acht Messungen "merken" und zu einer Gesamtbelichtung zusammenfassen.
Unproblematische Anwendung ist abgesichert, solange man sich auf eine Aufnahme bei Integral- oder bei Punktmessung beschränkt. Sobald Punktmessungen miteinander kombiniert werden sollen, muß der Anwender natürlich wissen, in welchen Motivpartien die Einzelmessungen anzusetzen sind, um den gewünschten Effekt zu erreichen. Letztlich kann auch dieses Verfahren nur einen Belichtungswert absichern beziehungsweise die "Wahl" zwischen korrekter Belichtung, einer (variabel denkbaren) Über- und einer (ebenso variablen) Unterbelichtung absichern. Zwei zusätzliche Tasten ergänzen das System der Messung, Speicherung und Verknüpfung von Belichtungsdaten. Dabei ergibt die "Shadow"-Taste eine Reduzierung der Belichtung um zwei Blendenwerte. Benutzt man die "Hi.-Light"-Taste, so wird die Belichtung um zwei Blendenwerte verlängert.
Wurde eine der beiden Tasten versehentlich gedrückt, so kann man die Funktion durch erneuten Druck auf die selbe Taste wieder rückgängig machen. Die Speicherung der Einzelmessungen kann hingegen nur durch die "Clear"-Taste wieder aufgehoben werden.
Spotmessung und Speicherung nebst Verarbeitung der Belichtungsdaten sind die wichtigsten Neuerungen an dieser im großen und ganzen als OM-2 bekannten Kamera. Weitere Details, wie ein einstellbarer Sucher, der in bestimmten Grenzen Anpassung an Fehlsichtigkeit erlaubt, ein elektronisch gesteuerter Selbstauslöser und die immerhin abschaltbare akustische Begleitung einiger Funktionen oder Informationen kamen hinzu.
Geblieben ist der Komfort einer Systemkamera. Geblieben ist auch die Verwendbarkeit des bekannt umfangreichen Zubehörprogramms, in dem zwischen Weitwinkel und Tele, zwischen Makro-Stand und Mikroskop-Anschluß oder von Langzeitbelichtung bis zum eigenen SystemBlit7-System (einschließlich TTL-Blitzautomatik) vom Amateur bis zum Profi praktisch jeder Bedarf gedeckt werden kann.
Die Zuverlässigkeit der Kamera stellt sich in den NORMTEST-Untersuchungen anhand vieler Erkenntnisse unter Beweis. So zum Beispiel die Verschlußzeitensteuerung. Bei einem größten Fehler von maximal 1/6-Blendenwert stellt sich einmal mehr unter Beweis, daß Elektronik gekoppelt mit einer guten mechanischen Verschlußkonstruktion einen hohen Qualitätsstandard setzt.
Die Belichtungsautomatik ist dem präzisen Verhalten des Verschlusses angepaßt, wenn auch hier die Abweichung sich auf den (immer noch geringen) Wert von maximal 1/3-Blendenstufe mit entgegengesetztem Vorzeichen vergrößert. Eine Veränderung, die die kürzeren Zeiten betrifft und zumindest bei der auf 1/2-Blendenstufe reichlicher eingestellten Spotmessung kompensiert wird.
Die Meßbereiche werden den Angaben des Herstellers entsprechend eingehalten. Somit sind zuverlässige Messungen in der autodynamischen Meßsteuerung zwischen EV -5 bis EV 18 abgesichert. Bei Spotmessung erstreckt sich der Meßbereich auf EV 0 bis EV 18 - lediglich ein Druckfehler in der Bedienungsanleitung gibt einen umfangreicheren Bereich an.
Fazit
Eine Kamera, die seit 1975 unverändert ihren Besitzern und Herstellern Freude macht, wurde modernisiert. Dabei kam die OM-4 heraus, die trotz "elektronischem Fortbildungskurs" die von der OM-2 gesetzten Maßstäbe nicht leugnet. Soweit es um das Bildresultat beeinflussende Kriterien geht, wie bei den Verbesserungen bzw. Erweiterungen des Meßsystems oder um die Präzision der Belichtung selbst, ist nur Lobenswertes zu berichten. Bei der Gestaltung der Anzeige im Sucher und der Überschaubarkeit (vor allem mit Brille) des Sucherbildes wären Verbesserungen angebracht. Die Frage nach der Notwendigkeit eines Piepsers, der sich in ähnliche Geräusche anderer elektronisch-musikalisch untermalter Alltagsbegleiter mischt, hat Olympus bereits selbstkritisch mit einem Schalter beantwortet, der den korrekten Stellenwert dieser "technischen Foto-Innovation" wiederherstellt.
+ Hohe Genauigkeit der Verschlußzeiten
+ Präzise Belichtungsautomatik
+ Wählbare Belichtungsmessungs-Charakteristik (Spot- oder integrale Meßcharakteristik)
+ Verknüpfung der bis zu acht Spotmessungen
- Etwas zu tief angesetzte LCD-Anzeige im Sucher
- Einstellung der Filmempfindlichkeiten etwas schwergängig und umständlich
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