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Artikel
1998
Marktübersicht: Mechanische Kleinbildkameras
Die letzten Mohikaner
Vor rund zehn Jahren geschah es: Die Spiegelreflexkamera mit elektronisch gesteuertem Verschluß erblickte das Licht der Welt. Asahi Pentax präsentierte die ES. Amateure konnten aufatmen, denn die Automatik nahm ihnen den für Ungeübte zeitraubenden Belichtungsabgleich ab, - die Erfolgsquote bei Schnappschüssen stieg beträchtlich.
Das Ende der herkömmlichen mechanischen Kamera schien heraufzudämmern. Schließlich wurde deren Verschluß nicht von einer "denkenden" elektronischen Platine mit integriertem Schaltkreis, sondern von einem altväterlichen Hemmwerk betätigt, wie wir es aus der Uhr kennen. Doch Totgesagte leben bekanntlich am längsten. Nicht zuletzt waren es die Profis, die von der bedrohten Gattung nicht lassen konnten. Wie zäh vollzog sich beispielsweise der Übergang von der mechanischen Nikon F2 zur elektronischen F3. Wie oft sieht man auch heute noch eine Leicaflex SL 2 oder eine Leica M 4 P, wenn es besonders dunkel ist oder leise sein muß in den Händen eines Professionellen? Warum greift er nicht gleich zur elektronischen R 4 laut Leitz: "die Kamera, die alles kann ohne technische Probleme"? Antwort: Robustheit und Funktionsunabhängigkeit von einer Stromquelle, die ihrerseits temperaturabhängig arbeitet. Wie steht es doch geschrieben im prächtigen Olympus-Prospekt als Bildlegende zu einem Himalayagipfel: "Fotografiert von dem englischen Bergsteiger Chris Bonnington mit der OM 1."
Das Angebot der wenigen noch existierenden mechanischen Kleinbildkameras weist eine eindeutige Polarität auf: Auf der einen Seite die preiswerten Einsteigerkameras, die dem Sucherkamera-Aufsteiger, die Möglichkeit zum Objektivwechsel bieten wie etwa die Yashica FX-3 oder die Pentax K 1000 und die im Preisgefüge weiter unten angesiedelten Hersteller wie Exakta, Petri und Praktica. Am anderen Ufer die voll ausbaufähigen echten Systemkameras wie Pentax MX, Olympus OM 1 oder Nikon FM 2, die ihre Hersteller bewußt als Alternative für härtesten Einsatz im Programm haben. Allerdings gibt es auch im "Underground-Bereich" reife Leistungsbeweise: Die beachtliche 1/2000 Sekunde der Exakta HS 2, die hauptsächliche Verwendung von Metall-Schlitzverschlüssen und die überaus praktische "PL-Filmeinlegehilfe" der Prakticas gehören dazu. Den Besitzern der Dresdner M-42-Modelle steht übrigens Tür und Tor zu enorm preiswerten Objektiven auf dem Gebrauchtmarkt offen.
Noch eine Bemerkung zur Kompaktheit. Als geradezu unausrottbar gilt das Argument, Elektronik habe die Kameras kompakter gemacht. Der Leser möge die Abmessungen der Olympus OM 1 mit denen einer OM 2 vergleichen.
Und vielleicht haben die mechanischen Kameras noch einen erzieherischen Effekt. Statt wahllos draufzudrücken, einmal die Gedenksekunden zwischen der Zeigerdeckung oder der aufleuchtenden grünen LED - auch das gibt es inzwischen bei mechanischen Kameras, denn ohne Elektrik geht's beim Belichtungsmesser heutzutage nicht mehr, ob man nun einen Zeiger zum kriechen oder eine Diode zum blinken bringt - zur Hälfte der Bildgestaltung zu widmen. Die meisten Motive auch ambitionierter Amateure sind ohnehin statischer Art (Stilleben, Portraits etc.) Für die ganz Eiligen halten Nikon, Olympus und Pentax freilich sogar einen Motordrive bereit.
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