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Artikel
1998
Magazin
50 Jahre Linhof Technika
Oldie - but Goldie
Gold, jenes faszinierende Edelmetall ist für die Menschheit seit jeher Inbegriff des Wertvollen. Im übertragenen Sinn steht Gold für fünfzig Jahre Beständigkeit. Was lag da für den Kamerahersteller Linhof näher als zum 50jährigen Technika-Jubiläum ein vergoldetes Modell in limitierter Stückzahl aufzulegen? Ein Rückblick beleuchtet die Entwicklung des Kameraklassikers.
Valentin Linhof, Hersteller von Kameraverschlüssen und Fotoapparaten aus Ganzmetall, hatte zu Beginn der Zwanzigerjahre die Idee zu einer sogenannten quadratischen Kamera für das Aufnahmeformat 6x9 cm. Die quadratische Gehäuseauslegung dieser Laufbodenkamera brachte, unterstützt von einem Drehrahmen, den wesentlich leichteren Wechsel von Hoch- und Querformat mit sich. Gegenüber den vergleichsweise klobigen Konkurrenzmodellen war das Handling verbessert worden. Dennoch bemühte sich Valentin Linhof um weitere Perfektion. Linhof starb im Jahre 1929. Sein Nachfolger Nikolaus Karpf, ein dynamischer und selbstbewußter Techniker mit dem Sinn für das Ästhetische und dem nötigen Feingefühl für das, was auf dem Markt ankommt, forcierte die Entwicklung zu einem perfektionierten Kameratyp.
Mit Schwenkrahmen zum Durchbruch
Die sogenannte Ur-Technika erblickte 1934 das Licht der Welt. Sie nannte sich damals noch schlicht "Standard" und besaß als sensationelle Neuheit den im gleichen Jahr als Patent angemeldeten Schwenkrahmen. Dieser ermöglichte es, das Rückteil samt Kassette allseits zu neigen, um eine weitere Schärfentiefendehnung nach Scheimpflug zu realisieren. Wenig später fand Karpf den Namen "Technika", der um die Welt gehen sollte.
Zahlreiche Modifikationen führten dann 1936 zur Technika II für das Aufnahmeformat 9x12 cm, wenig später lief nur die Produktion einer Luftbildkamera auf Technika-Basis an.
Im Jahre 1940 zog das Werk aus dem Zentrum Münchens in einen damaligen Randbezirk um. Die neu errichtete Fabrik- inzwischen voll mit Rüstungsaufträgen ausgelastet - tarnte sich im Stile eines Gutshofes. Dennoch wurde sie 1944 durch einen Luftangriff weitgehend zerstört.
Nach dem Wiederaufbau knüpfte man mit der wesentlich verbesserten Technika III 9x12 cm, die einen eingebauten, gekuppelten Entfernungsmesser besitzt, nahtlos an den Vorkriegserfolg an. Die amerikanische Speed Graphic, jene legendäre Reporterkamera, ohne die ein Weegee oder Edward Weston nicht denkbar gewesen wäre, verschwindet vom Markt. Die Technika III tritt an ihre Stelle. Tribut an die Schnelligkeit sind Neuentwicklungen jener Tage wie die Filmpack-Kassette mit sechs und die Rollex-Kassette mit acht Aufnahmen 6x9 cm auf Rollfilm oder Patronen für perforiertes 70 mm Material.
Doch waren ihre letzten Tage als Reporterkamera bald gezählt. Die zweiäugige Rolleiflex und die Leica eroberten sich dieses Feld. Patriarch Karpf - in seiner Firma hatte er immer das letzte Wort - ließ sich davon nicht beirren. Er sah den Boom in der qualitätshungrigen Werbefotografie, die mindestens ein Negativformat von 9x12 cm verlangt, voraus und behielt recht.
Modellpflege wird groß geschrieben
Die bewährte Kamera erlebte als "Super Technika" ihren zweiten Frühling, das weiter veredelte Modell IV erschien 1959. Nun hatte sie kaum mehr als das Grundprinzip mit der Ur-Technika gemein. Sie mauserte sich vom häßlichen Entlein zum schönen Schwan. Mitte der sechziger Jahre erreichten die Verkaufszahlen ihren Höhepunkt. Seitdem ging es langsam, aber stetig bergab. Die neu konzipierte "Linhof Kardan", eine simpler aufgebaute und dennoch universellere Fachkamera nach dem Prinzip der optischen Bank, verdrängte sie aus den Studios.
Trotzdem gab Linhof die konsequente Modellpflege nicht auf: 1972 kam die "Master-Technika" mit einer Shifteinrichtung für das 70er Weitwinkel heraus. Rund 56 000 Kameras wurden in den fünfzig Jahren produziert. Daß dieser Kameratyp kein abgetakelter Oldie ist, beweist ihr Einsatz als "Aero-Technika" im Space Shuttle. "Für uns war es mehr eine Freude als eine Pflicht das goldene Jubiläumsmodell zu lancieren," meint denn auch Gerd Maria Schlegel, Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, zur vergoldeten Master. Für Freunde exzellent verarbeiteter und funktionaler Mechanik, verbunden mit einem Hauch von Luxus, sei dies die letzte Gelegenheit gewesen, denn die 100 Stück waren im Nu vergriffen. "Fast", räumt Schlegel ein, "denn die kaum minder schöne Serien-Technika gibt es weiterhin". Für runde 6000 Mark gelangt man in den Besitz dieses großen Kleinods. Wie heißt doch gleich das alte chinesische Sprichwort: Ein Mann sollte ein Haus gebaut, einen Sohn gezeugt... und eine Linhof Technika besessen haben.
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