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Artikel

1998

Magazin

Die goldenen Kameras

Lockruf des Goldes

Jeder Kamerahersteller, der etwas auf sich hält, brachte irgendwann einmal ein vergoldetes Kameramodell in limitierter Auflage zum bei nahe grenzen losen Preis heraus: Labsal für betuchte Sammler, Ausgeburten materialistischer Dekadenz oder Huldigung an das Traditionsbewußtsein. Ganz gleich wie man solchen Pretiosen gegenübersteht faszinierend sind sie doch.

Gold - Zeichen Au chemisches Element der 1 Nebengruppe im Periodensystem der Elemente Ordnungszahl 79 Atomgewicht 196,967. So nüchtern fest sich der Steckbrief des begehrtesten aller Metalle - wenn man von Platin einmal absieht das in der Mythologie nie eine Rolle spielte - im Konversationslexikon. Und in der Tat der Lockruf des Goldes hallt wie ein Echo durch die menschliche Geschichte. Vom sagenhaften Goldland Punt in Vorchristlicher Zeit über das Goldene Vlies der Argonauten und die Goldgräber Jack Londons bis hin zu den rationalen Kapitalanlegern unserer Tage.
Die holde Weiblichkeit hatte ohnehin seit Helenas Zeiten eine starke Affinität zu dem gelben Edelmetall, das im besonderen Fall auch ruhig einmal Weiß sein kann und für den täglichen Gebrauch zwecks Härtung mit Unedlerem wie Kupfer verschnitten wird.
Weniger für den täglichen Gebrauch als vielmehr für die Vitrine sind offenbar vergoldete Kameras bestimmt. Denn die hochkarätige Vergoldung (Feingehalt 750 bis 999 Promille - das entspricht 1824 Karat) greift sich schnell ab. Goldene Kameras haben weniger Tradition als goldene Uhren oder Ringe, denn Fotoapparaten haftet eigentlich seit jeher der Ruch nüchterner Gebrauchsgegenstände an, dazu geschaffen, Menschen, Natur und Gegenstände abzubilden und nichts weiter. Von Schmuckstück keine Rede. In diesen edlen Stand hat die Industrie sie erst - mit einer Ausnahme - im Zeitalter des Massenwohlstandes erhoben. Wo sie in vergoldeter Version, die Aufgabe haben wahrhaftigen Reichtum zu symbolisieren. Eine hochwertige Spiegelreflexkamera, sei es auch eine Leica, Nikon, Contax oder eine Rolleiflex haben schließlich Zehntausende auf dem Erdball. Der Wunsch nach Individualität, verbunden mit dem angenehmen Gefühl in seinem Kreis unter sich zu sein, kann also bei Kameras nur auf dem Wege der Vergoldung erfüllt werden.
Die Auflagen überschreiten denn auch selten 1000 Stück weltweit, und daß mit der Vergoldung der Kameras offenbar ein echtes Bedürfnis befriedigt wird, spiegelt sich in der Schnelligkeit des Verkaufs solcher Kostbarkeiten wieder. "Unsere Jubiläums-Technika war schon ausverkauft, bevor wir die Meldung an die Presse weitergaben", erklärt, überrascht von solcher Käufer-Vehemenz, der Linhof-Pressesprecher Gerd Maria Schlegel. Die Münchener Präzisionskamera-Werke knauserten aber auch mit einem schmalen Kontingent. Nur 100 Stück verließen zum Stückpreis von rund 8000 Mark die Münchener Manufaktur, zur Freude der Sammler.
469 Einzelteile versahen die Linhof-Feinmechaniker in mühevoller, lohnintensiver Feinarbeit mit einem 24 karätigen 20 Mikron (20 tausendstet Millimeter) dünnen Goldüberzug. Der renommierte Objektivhersteller Schneider-Kreuznach lieferte dazu ein güldenes Symmar-S.
Die goldene Master Technika des Hauses Linhof ist die jüngste Variante des in der Kamerabranche liebgewonnen Brauches, zu besonderen Anlässen oder einfach nur so eine vergoldete Kamera in luxuriöser samtverkleideter Schatulle zu meist fünfstelligen Beträgen zu lancieren.
Die Leitzianer waren die ersten. Schon im krisengeschüttelten Elendsjahr 1929 gab es wie verabredet zum Ausklang der Golden Twenties, die der Welt die Leica bescherten, ein vergoldetes und mit Eidechsleder bezogenes Exemplar. Die Wetzlarer führten diese Tradition in lockerer Folge fort.
Sie ehrten berühmte Persönlichkeiten mit goldenen Leicas, und der hundertste Geburtstag des Leica-Schöpfers Oskar Barnack war ehrwürdiger Anlaß für gleich zwei Goldmodelle. Im Jahre 1979 wurde die Meßsucher-Leica M 4-2 und die Spiegelreflex-Leica R 3 zu je 1000 Stück mit dem kostbaren Edelmetall in höchster Reinheit (24 Karat) überzogen. Daß es nicht unbedingt immer eines Anlasses bedarf, die Goldschmiede zu bemühen und Sammler anzustacheln, bewiesen die Wetzlarer in diesen Monaten.
Aus heiterem Himmel wurde das jüngste Spiegelreflexmodell, die R 4, für würdig befunden im Galaanzug aufzutreten. Vielleicht ob des großen Verkaufserfolgs? Eine dezente Mattvergoldung vom Feinsten (24 Karat) und hellbraunes, meliertes Wasserschlangenleder wählten die Leitz-Couturiers aus. Ehrensache, daß nur 1000 Stück und kein einziges mehr das Werk verlassen. Natürlich numeriert. Und selbst bei dem profanen Vorgang der Numerierung gab man sich noch standesgemäße Mühe. Die Gravur auf der Rückwand trägt einen Buchstaben des Namens "Leica" und die Zahlen 001 bis 200. Bei einem Stückpreis von 10.000 Mark sind 10 Millionen Mark Umsatz garantiert.

Rollei setzt der Zweiäugigen ein Denkmal

Auch Rollei hielt es für würdig, ihr Traditionsmodell 2,8 F zu vergolden und es mit Krokoleder zu beziehen. Die Braunschweiger schlugen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Im Debütjahr der "Aurum" - so tauften die Rollei-Mannen ihre Zweiäugige und brachten mit dem Namen gleichzeitig die Aura des Wertvollen rüber - feierte man 60 Jahre Rollei-Kameras und trauerte über das endgültige Auslaufen der Zweiäugigen. Glanz, Ruhm und Image der Marke Rollei waren so untrennbar mit diesem Kameramodell verbunden, daß die letzte Serie solch eine Ehre fraglos verdient hat. Wer Glück hat, erwischt noch ein Exemplar, von dem 1000 Stück für faire 4000 Mark Verkaufspreis an die Händler verteilt wurden. Inzwischen darf es aber auch schon etwas mehr sein. Zuvor gab es in den Siebzigern eine Goldversion des Bestsellers Rollei 35. Anläßlich eines Produktionsrekords bekam sie die "Goldmedaille" verliehen.
Alpa - Schweizer Hersteller von ebenso teuren wie liebenswert anachronistischen Kleinbildkameras schien der Preis von rund 3500 Mark für die verchromte, handgearbeitete 11 si noch nicht hoch genug zu sein. Es gelang den im kleinen Örtchen Ballaigues beheimateten Eidgenossen unter Verwendung einer 18-karätigen 10 Mikron Goldauflage jedoch recht mühelos die 15.000 Mark Grenze zu erreichen. Dafür gibt es als Bonbon auch eine besonders geschmeidige und wohlriechende Belederung und jede Menge fürs Auge. Nach Meinung des Autors ist die Alpa 11 si die schönste im COLOR FOTO Gold-Panoptikum. 750 Stück verließen 1982 die Werkhallen im Schweizer Jura. Das Jahr 1982 wird als Contax Jahr in die Kamerageschichte eingehen. Mit ungewöhnlich hohem Aufwand - wie zum Beispiel eine bundesweite Contax-Wanderausstellung, Büchern, Prospekten und sonstigen Werbemitteln - gedachte die deutsche Tochter der japanischen Yashica der 50jahrigen Contax-Präsenz.

50 Jahre Contax - ein Goldjubiläum

Objektiv-Zulieferer Carl Zeiss stiftete sogar ein Jubiläums-Sonderobjektiv in Form des ultralichtstarken Porträt-Planars 1,2/85 mm. Doch auch die Japaner ließen sich nicht lumpen, immerhin hatten sie ja 1974 mitgeholfen, den traditionsreichen Zeiss Ikon-Namen aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Eine vergoldete Contax RTS im begehrten Porsche-Design mit entsprechend präparierten Planar-Objektiv sollte es dann schon sein. 200 Stück wurden aufgelegt. 100 Exemplare gingen nach Deutschland, dem Mutterland der Contax. Die goldene RTS stand mit 6390 Mark in den Preislisten. Die Frage nach der Klientel eines solchen Schmuckstücks läßt Leo Stejskal vonYashica-Kyocera nicht unbeantwortet. "In erster Linie kaufen Sammler; aber auch größere Fotohändler, die ihre Auslage durch eine Attraktion bereichern wollen, finden sich unter den Bestellern." Nikon beging das 60jährige Firmenjubiläum 1977 mit einer vergoldeten FM, die sich gleichzeitig als erste Kompakt-Spiegelreflex-Nikon selbst feierte. Die Opulenz hält sich trotz der 24karätigen glänzenden Vergoldung in angenehm, geschmackvollen Grenzen, und Tierschützer können sich ohne Reue an der damals 4500 Mark teuren mechanischen Kamera erfreuen. Denn ihre unauffällige schwarze Belederung stammt nicht von Schlange oder Krokodil.
Gleich zwei Goldene krönen die Pentax-Geschichte. Etwa 1970 bauten die Japaner 100 goldene Kameras des berühmten Million-Sellers Spotmatic und verteilten sie als Demonstrationsmodelle an die Vitrinen der Niederlassungen in aller Welt. Zwölf Jahre später gab es eine 24 karätige Pentax LX. Der Silberstreif am Horizont zeichnet sich für Mamiya nach folgenschwerem Osawa-Konkurs erst jetzt wieder ab. Daß es in der Vergangenheit wahrhaft goldene Zeiten gegeben haben muß, davon kündet eine vergoldete RB 67. Anlaß war der weltweite Erfolg der Idealformatkamera in den Studios der Profis wie in den Porträtateliers, dem die Geschäftsleitung 1982 ein goldenes Denkmal in Form von 1000 22-karätigen Exemplaren setzen wollte. Sie notierte seinerzeit mit rund 5000 Mark, Reptilleder inklusive.
Die Liste der goldenen Kameras könnte fast beliebig verlängert werden, wir haben nur die wichtigen offiziellen aufgeführt. Es gab beispielsweise eine goldene Minox A in den fünfziger Jahren. Es gibt viele inoffizielle Modelle, die von Privatleuten vergoldet wurden, und es gibt viele Einzelstücke wie die Olympus OM-2 für Olympus-Prokurist Wilhelm Opitz. Neulich war von einer vergoldeten Minolta CLE in einer japanischen Fachzeitschrift die Rede - Minolta Deutschland reagierte schnell.
Die Dunkelziffer ist also hoch und derjenige Minderbemittelte, welcher mit einer vulgären Allerwelts-Spiegelreflex aus Kunststoff, Messing und Aluminium fotografiert, möge sich mit einem Bibelwort trösten: Sammle nicht Schätze auf Erden, wo Motte und Rost sie vernichten...

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