← Zurück

Artikel

1998

Magazin

Kameraklassiker: Minolta XM-Motor

Ach - die gibts noch?

Groß, schwer, massig und teuer kommt sie daher, die Minolta XM Motor mit angesetztem Batteriepack. Unter den Profikleinbildkameras gilt sie heutzutage als lebendes Fossil, denn es gibt sie schon seit 1976.

Minolta zeigt die XM Motor offenbar nicht gerne her. Geworben wird schon seit Jahren nicht mehr für sie. Ein Prospekt, in dem ausschließlich sie Erwähnung findet, ist nicht erhältlich. Und wenn der interessierte Minolta-Fotograf sie nicht zufällig wie dekoratives Beiwerk in einer Minolta-Programmübersicht oder im Minolta-Händlerhandbuch entdeckt, er würde wetten, daß es sie seit Jahren nicht mehr gibt.
Außergewöhnlich ist die XM-Motor noch heute, obwohl sie schon 1976 das Licht der Welt erblickte, basierend auf der 1974 vorgestellten XM. Jene verfügte über insgesamt vier auswechselbare Suchereinsätze von Lichtschacht bis zum automatischen AE-S-Prismensucher.
Minolta hatte mit diesem Flaggschiff den Ehrgeiz, der allseits in professionellen Kreisen gut eingeführten Nikon F2 mit den XM-Modellen Paroli zu bieten. Dabei wurde auch auf größtmögliche Robustheit wert gelegt, die sich in der reichlichen Verwendung von Messingteilen am Kamerakörper äußert.
In der Tat hatte die XM-Motor das gewisse Etwas, das sie gegenüber der Nikon F2 zumindest moderner erscheinen ließ. Ein elektronisch gesteuerter Verschluß ermöglicht stufenlose Belichtungszeiten von 8 Sekunden bis zur 2000stel-Sekunde bei eingeschalteter Zeitautomatik. Selbstverständlich dienen Titan-Folien als Verschlußrollos. Der integrierte Motor - von integriert zu sprechen ist in diesem Zusammenhang eigentlich falsch, denn er ist zwar fest mit der Kamera verbunden, aber ziemlich unorganisch angesetzt - erlaubt beim Modus H wie "high frequency" eine Bildfolge von maximal 3,5 Aufnahmen pro Sekunde. Darüber hinaus kann der Fotograf noch die Bildfrequenz 1, 2 und 3 B/Sek. sowie Einzelbildschaltung wählen. Mit Filmmaterial geht die automatische Rückspuleinrichtung schonend um. Ein Abreißen des Films kann in der Praxis nie vor und die Entwicklungsanstalten freuen sich über den nicht gänzlich in die Patrone eingespulten Film.

Herz der Kamera: Der AE-S-Prismensucher

Freilich, das "Herz" der XM Motor ist weder der Motordrive noch der Titan-Verschluß, sondern der Prismensucher mit der nüchternen Typenbezeichnung AE-S. Erst mit ihm erwacht die Kamera zum Leben. Denn er steuert alle wichtigen Funktionen. Im Sucher stecken die LED-Displays - es gibt gleich zwei - zur Anzeige der Verschlußzeiten. Von der 2000stel bis zur 30stel Sekunde geschieht sie durch Leuchtdiodenpunkte. Legt man einen Hebel links am Sucherprisma um, erscheinen bei Langzeiten bis 8 Sekunden die Zeiten als ausgeschriebene Zahlen-LED. Daneben informiert das sehr helle Sucherbild über die vorgewählte Blende und über Automatik- bzw. Manuellbetrieb. Eine Silizium-Meßzelle sorgt für das schnelle Ansprechen des Meßsystems, dem man einzig vorwerfen könnte, daß es keine Möglichkeit zur Selektivmessung bietet. Das Handling der schweren Kamera (ca. 1500 Gramm ohne Objektiv und Batterien) läßt dank des fest angebauten, außerordentlich gut geformten Handgriffs keine Wünsche offen. Gleichzeitig beherbergt dieser den Auslöser für den Motorantrieb an seiner Oberseite. Der Kameraauslöser steht für die geräuscharme unmotorisierte Fotopirsch zur Verfügung. Eine mitgelieferte Lederschlaufe sorgt für Sicherheit und Tragekomfort. Natürlich gibt es auch einen gewöhnlichen Umhängeriemen. Aber nichts ist schöner als die lässig am Handgelenk baumelnde Kamera durch die Fußgängerzone spazieren zu tragen und dabei die Blicke auf sich zu ziehen.

Ein Studium der Bedienungsanleitung tut Not

Diese Kamera ist alles andere als alltäglich und es bedarf schon einiger streng nach der - übrigens sehr guten - Bedienungsanleitung einstudierten Griffe, um sich bei einer Vorführung im Bekanntenkreis nicht zu blamieren.
Diese Kamera birgt Geheimnisse in sich, die sie nicht sofort preisgibt. Der Fotograf muß schon einige Kapitel im Handbuch zweimal lesen und in manchen Fällen sogar die Telefonseelsorge des Minolta-Kundendienstes bemühen, wie es uns erging. Die Widerspenstigkeit der XM-Motor lag jedoch nicht, wie insgeheim befürchtet, an einem Bedienungsfehler - offenbar lag ein winziger Defekt vor.
Angesichts dieser wirklich faszinierenden Kamera konnte nur der relativ hohe Preis von über 4500 Mark bedauert werden. Dieser erfuhr allerdings unlängst eine drastische Korrektur um etwa 1000 Mark nach unten, womit Minolta den Rekord, die teuerste Serien-Kleinbildkamera der Welt zu bauen, leichtfertig verschenkte.
Vielleicht verhilft die Preissenkung der XM-Motor noch einmal zu mehr Popularität. Es wäre ihr und den Besitzern zu wünschen. Die würden dann nicht mehr ob ihrer Kamera gefragt: "Ach, die gibts auch noch?"

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}