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Artikel
1998
Kameras
Contax 159 MM
Ein Volltreffer von Yashica
Die Contax-Kamerareihe hat sich längst einen festen Platz in der gehobenen Klasse erobert. Daß sich Yashica nicht auf seinen Lorbeeren ausruht, beweist die neue Contax 159 MM. Sie bietet Programmautomatik und auf Käuferwunsch die 4000stel Sekunde.
Während Yashica mit der ersten Contax RTS das Ziel wohl nicht ganz erreicht hatte, verglichen mit dem damals Möglichen - lag die zweite Contax, die RTS II, im Ziel: sie hatte alles, was man am ersten Modell vermißte, sogar noch etwas mehr, und war damit zu einer Kamera geworden, zu der man ja sagen konnte.
Die neue Contax 159 MM - jetzt ohne das etwas dubiose "RTS" hat sich dem Zuge der Zeit auf besonders praxisfreundliche Weise angepaßt. Das "MM" steht nämlich für ''Multiple Mode", also für mehrere Betriebsarten, im Falle der Pentax für mehrere Programme. An dieser Stelle muß ich eine Erklärung abgeben, um ein Mißverständnis auszuräumen, das meine Einstellung zu Elektrik, Elektronik, Automatik und Programmen betrifft: Ich trete für Elektronik in Kameras ein, weil ich mich elektrisch rasiere' den Kaffee elektrisch mahle und mein Auto elektrisch anlasse. Es wäre - so meine ich - absurd, ausgerechnet vor den Kameras mit jeder modernen Technik halt zu machen. Was ich aber nie und nirgendwo akzeptiert habe: daß eine elektronisch gesteuerte Kamera mit mehreren Programmen deshalb kompliziert und unbedienbar sein müsse. Ob mir eine Kamera vier oder zweiundzwanzig Programme anbietet, spielt keine Rolle: sie muß funktionieren, und ich muß in der Lage sein, damit auch dann zu arbeiten, wenn ich die Bedienungsanleitung verloren, bzw. drei Monate nicht mehr gelesen habe. Allein darauf kommt es an; hingegen ist es völlig unwichtig, welche Programme sich der Besitzer auswählt, mit welchen er ständig, gelegentlich oder nur dann arbeitet, wenn er Pinguine fotografiert. Eine Speisekarte bedeutet ja auch nicht, daß man als Gast alles essen muß. Und damit dürfte meine Ansicht über moderne Kameras hinreichend geklärt sein.
Die Contax 159 MM entspricht in dieser Hinsicht genau meinen Vorstellungen. Wenn sie in der Lage sind, an Ihren Fingern bis "fünf" zu zählen, haben Sie auch mit den fünf fotografischen Möglichkeiten, die Ihnen Contax 159 MM bietet, keinerlei Schwierigkeiten, wobei ich Ihnen - als dem Leser einer Fotozeitschrift! -unterstelle, daß Ihnen die Wirkung von Verschlußzeit und Blende einer Kamera bekannt ist. Der Daumen ist sozusagen die konservative Art, "manuell" einzustellen, ob per Nachführmessung nach den roten Leuchtdioden rechts neben dem Sucherbild, oder nach einem Handbelichtungsmesser.
Für jeden Finger ein Programm
Der Zeigefinger mag die seit Jahren bekannte und bewährte Zeitautomatik bedeuten. Sie wählen die Blende, und die Verschlußzeit stellt sich automatisch ein: auf dem Einstellrad ist diese Betriebsart gekennzeichnet durch das "A". Von jetzt an gilt nur noch grün: Blende auf grün (kleinste Blende), und die Programme sind ebenfalls
grün auf dem Einstellrad markiert. Der Mittelfinger, die Einstellung auf "P" bedeutet auch hier das Gold des Mittelweges: eine ganz normale, mittlere Programmautomatik, wie man sie für die meisten Aufnahmen verwenden kann.
Der Ringfinger ist das "LP"-Programm: "Low Program", und Sie können sich das am "L" für "Langsam" merken. Hier sucht sich Kamera die jeweils kleinstmögliche Blende zur Gewinnung großer Schärfentiefe, womit eine relativ langsame Verschlußzeit nötig wird. Der kleine Finger schließlich, das ~,HP", dient einem Programm, das von der jeweils möglichen kürzesten Verschlußzeit ausgeht, und die Blende danach steuert. "H" im Deutschen für "Hochgeschwindigkeit" ist ebenfalls leicht zu merken. Man verwendet dieses Programm überall dort, wo es weniger auf Schärfentiefe als auf kurze Verschlußzeiten ankommt, damit es keine Bewegungsunschärfen gibt. Das ist alles, was Sie wissen müssen, um mit der Contax 159 MM in jeder Situation fotografieren zu können.
Ebenso wenig aber, wie die Kenntnis Ihrer fünf Finger einen Mathematiker aus Ihnen macht, sind Sie ein guter Fotograf, wenn Sie sich mit diesen fünf Möglichkeiten begnügen: Sie erhalten nur korrekt belichtete Aufnahmen. Da ist auch eine Blitzautomatik zu erwähnen, die - mit systemeigenen Geräten - eine TTL-Blitzbelichtung erlaubt. Ebenso ist die Möglichkeit einer grundsätzlichen Belichtungskorrektur um je zwei Werte nach oben und unten zu erwähnen, sowie die Speicherung von Meßwerten in allen Programmen über einen fingergerechten Hebel. Mancher Fotograf wird sich über den Hebel freuen, der Mehrfachbelichtungen präzise schaltet, wobei das Bildzählwerk stehen bleibt. Und schließlich werden ungewollte Belichtungen durch einen Hauptschalter vermieden, der die Kamera stromlos macht.
Der Sucher liefert ein klares Bild, auf das leicht einzustellen ist; Sucherscheiben können gewechselt werden, aber leider nur im Werk. Die Verschlußzeitenskala rechts im (!) Sucherbild ist auch noch nicht das Gelbe vom Ei, ebenso wie die Tatsache, daß das Sucherokular nicht gegen Fremdlicht zu verschließen ist, was offensichtlich eine unheilbare Erbkrankheit bei Contax-Modellen darstellt.
A propos Sucher: er ist so konstruiert, daß auch Brillenträger das ganze Sucherbild, die Verschlußzeiten-LED's rechts am Bildrand und die Blenden-Angabe (die auch bei den Programmen erfolgt!) unterhalb des Sucherbildes leicht und deutlich überblicken können.
Das Filmeinlegen erfolgt konventionell über eine - Gottlob! - hellgraue Aufwickelspule mit reichlich viel Schlitzen. Der neuartige Gummibelag des Gehäuses ist griffig, die Ausformung der Kamera ebenfalls und... ach ja, einen Selbstauslöser und eine Abblendtaste zur Kontrolle der Schärfentiefe (nur bei manuellem Betrieb!) gibt es ebenfalls.
Das "Knallbonbon" habe ich mir bis zum Schluß aufgehoben: Der vertikal ablaufende Metallschlitzverschluß reicht bis zur 1/4000 Sek. und ist mit 1/250 Sek. blitzsynchronisiert. Damit sind Aufhellblitze bei Tageslicht kein Problem. Aber wozu braucht man die 1/4000 Sekunde? Genau das fragte mich ein bekannter Profi ebenfalls; diese kurze Zeit, so meinte er, sei doch höchst überflüssig. Als ich ihm erklärte, daß es mit dieser kurzen Verschlußzeit nun möglich sei, gewisse schnelle Bewegungen ohne Blitz im Bilde festzuhalten, schaute er mich verdutzt an und meinte: "Tatsächlich, darüber habe ich noch nie nachgedacht." Was ich immer sage: Profis sind für die Weiterentwicklung von Fotokameras nicht unbedingt die entscheidende Instanz!
Ein Wermutstropfen fällt allerdings doch in diesen süffigen Wein: die volle Leistung erbringt die Contax 159 MM nur mit neuen Zeiss-T*Objektiven, mit den bisherigen kann sie nur teilweise ausgenützt werden.
Wenn Yashica-Kyocera den wundervollen, instruktiven Prospekt zur 159 MM, der mir in englisch vorliegt, auch in deutsch auflegt, sollten Sie ihn anfordern. Er verspricht in deutlicher Darstellung nichts, was sich mir in der Praxis mit mehreren Filmen nicht als Tatsache dargestellt hat!
Sollte ich etwas Wichtiges übersehen haben, z. B. daß die 159 MM in ihren Programmen bis zu 60 vollen Sekunden belichtet, so finden Sie das im Steckbrief.
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