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Artikel
1998
Magazin
Kameraklassiker von Heute
Im Dienste der Menschheit
Speziell in Grenzbereichen der Fotografie erwarben sich Hasselblad-Kameras einen legendären Ruf. Ihnen verdanken wir Bilder vom Mond und aus dem Mutterleib. Basis für solche Exkursionen in fremde Fotowelten war stets eine Kamera aus Göteborg. Die mechanische 500 C/M markiert den Zenit einer Tradition.
Die Schweden und die Briten haben eins gemeinsam. Abgesehen davon, daß sie die parlamentarische Monarchie als Staatsform besitzen, gelten beide Völker als konservativ und dies obwohl die Schweden eine sozialistische Regierung haben. Als Indiz für diese gewagte These können neben dem Festhalten am Königshaus, Schwedens Konsumgüter angeführt werden.
Volvo Automobile zeichneten sich beispielsweise noch nie durch besondere Fortschrittlichkeit aus. Andererseits können sie mit Individualität und Robustheit glänzen.
Ähnlich ist es charakterlich um die Hasselblad 500 C/M bestellt. Technisch nicht gerade die modernste - immerhin erschien ihr wenig differierendes Vorgängermodell 500 C bereits 1957, doch dafür ausdauernd im Gebrauch.
Da bietet sich noch ein anderer Vergleich aus der Welt des Automobils an und zwar der mit Rolls Royce. Denn von ähnlicher Noblesse und Zurückhaltung wie die britische Edelschmiede gibt sich das Göteborger Unternehmen Hasselblad.
Vornehme Distinguiertheit ist Trumpf, Briefköpfe und Druckschriften präsentieren sich in edler Gestaltung. Beide Marken sonnen sich im Rampenlicht der Schönen und Reichen (Hasselblad-Slogan: In der Hand der Besten), markieren preislich den Gipfel ihrer Gattung. Über Geld wird nicht gesprochen. Die Konzessionäre setzten voraus, daß die noble Kundschaft bezahlt und schweigt. Auch auf technischem Gebiet zeigt Hasselblad ähnlich wie Rolls Royce gepflegte Zurückhaltung.
Nur zögernd kultivieren sowohl Hasselblad als auch die Briten neue Technologien wie Beispielsweise Leichtbau und Elektronik. Solidität wird immer noch mit Gewicht, Präzision mit Mechanik gleichgesetzt.
Schließlich steht der Nimbus der Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit auf dem Spiel. Klassische Stilelemente, die das Gesicht der Marke prägen werden beibehalten: Was bei einem Rolls der majestätische Parthenon-Kühler ist, ist bei der 500 C/M die charakteristische nasenförmige Ausprägung des Lichtschachts. In der klassischen Chromversion von blankem, seidig schimmernden Edelstahl geschmackvoll umrahmt.
Soweit zur gesellschaftlichen Ortsbestimmung und zum Charisma Ihrer Majestät aus Schweden. Fast hätte der Autor vergessen, daß die Hasselblad 500 C/M ja eigentlich nichts weiter ist als ein Werkzeug zum Bildermachen. Zwar ein teures mit Stil und Tradition, aber eben nur ein Werkzeug, dessen Aufgabe nicht der Selbstzweck sein kann.
Der Preis von 4300 Mark inklusive Magazin A 12 und Planar 2,8/80 mm enthält zwar drei Jahre Werksgarantie. Die Gewährleistung jedoch, daß etwas von dem fotografischen Können eines Ansel Adams oder Lennart Nilsson quasi automatisch auf den Besitzer übergeht, bleibt Illusion. So muß sich der statusbewußte Hasselblad-Neuling erst einmal an die Kamera gewöhnen. Fragen etwa nach dem eingebauten Belichtungsmesser disqualifizieren ihn nur allzuleicht im Kreise von Kennern. Sie hat ganz einfach keinen. Sie beschränkt sich, und das ist die Philosophie der 500 C/M auf das Wesentliche. Wer für über 4000 Mark eine Fülle von Features erwartet, der muß sich woanders umsehen. Bei Hasselblad kommt er nicht auf seine Kosten. Dafür aber wenn es um Qualität geht. Alles fühlt sich solide an, geht leicht, rastet satt. Bis auf den etwas blechernen Lichtschacht, der einem auf Knopfdruck ins Gesicht federt wie ein Springteufel und dessen Wände, nachdem er einem genug Einblick gewährte, mühsam Stück für Stück zusammengefaltet werden müssen.
Aber Hasselblad gelobte auf der photokina Besserung. Allmählich konnten sich die Göteborger Kamerabauer nach langen Jahren der Beharrlichkeit, die sogar britischen Autobauern zur Ehre gereichen würde, dazu entschließen, einen Faltschacht a la Rollei einzubauen. Wie soll der verängstigte Hasselblad-Gläubige dies deuten: Revolution in Schweden, Verrat alter Traditionen? Doch die Schweden kokettierten in der über zwanzigjährigen Geschichte schon öfter mit dem Fortschritt. Im Jahre 1969 mauserte sich die 500 C zur C/M, das "M" steht für Modifikation, ein fast zu hoch gegriffenes Wort für die schlichte Möglichkeit, die Mattscheibe auszuwechseln. 1971 kamen die schwarzen Objektivfassungen für die Zeiss-Objektive. Blendfrei hieß es, Profis wollten es scheinbar so. 1932 erschienen die CF Objektive in neuem, " modernen " Design und mit Prontor CF Verschluß, der den bisherigen Synchro Compur ablöste ohne gravierend Neues zu bieten.
Wie man liest, gingen die Göteborger Kamerabauer nach der bewährten Devise vor, das Beste ist gerade gut genug. Zeiss und Compur bzw. Prontor, einst Stützen der deutschen Kamera-Aristokratie, bekamen den Zuschlag und gleichzeitig die Chance auch schlechte Zeiten in Würde zu überstehen. Den Code der Hasselblad-Nomenklatur zu entschlüsseln fällt nicht schwer. 500 steht für den reziproken Wert der kürzesten Verschlußzeit in Sekunden, "C" bedeutet Central-Verschluß und "M" modificated - wir erwähnten das schon.
Zentralverschluß im Objektiv
Der Zentralverschluß findet wie üblich bei dieser Art, seinen Platz im Objektiv, das Kameragehäuse degradierte Viktor Hasselblad zum finsteren Spiegelkasten. Der Spiegel kann wie es sich für eine ordentliche einäugige Mittelformatkamera gehört, vorausgelöst werden um die beweglichen Massen und damit die Erschütterung in Grenzen zu halten. "Schnellauslösung" nennen die Nachfahren Thors das. Wir bestellten die Hasselblad 500 C/M in fotografierfähiger Grundausstattung mit Normalobjektiv und sind aus Gewichtsgründen froh, daß es nicht mehr war. Für beschauliche Fotospaziergänge fernab von motorgetriebener Durchnudelei genau das Richtige. Nicht nur die externe Belichtungsmessung fordert ihre Sekunden auch die Kamera erwies sich für Aufnahmen bewegter Objekte als recht behäbig. Landschaftsfotos und Porträts liegen ihr zweifellos mehr und auch im Studio fühlt sie sich sehr wohl. Ein Transportknopf mit ausklappbarer Rückspulkurbel - nur gegen Aufpreis erhältlich -würde die Dynamik der Kamera zweifellos steigern, ebenso ein Schnellfokussierhebel.
Böse Zeitgenossen behaupten, die Hasselblad sei ein zu dem Preis nicht vertretbarer Anachronismus für Ignoranten des Fortschritts und führen zum Gegenbeweis eine Pentax 645 an. Doch im Gegensatz zur nahezu perfekten, jedoch antiseptisch wirkenden 645, die den Charme eines Computers besitzt, mag man der Hasselblad 500 C/M eine Seele zusprechen, ohne gleich blasphemisch werden zu wollen. Möge uns das Vermächtnis des Göteborger Vogelkundlers Victor Hasselblad noch lange erhalten bleiben.
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