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Artikel

1998

Normtest

Rolleiflex 3003

Ein Hauch von Fortschritt

Produktpflege nennt man es, wenn Verbesserungen realisiert werden, ohne ein Konzept völlig zu überarbeiten oder zu verlassen. Mit der Rolleiflex 3003 wird die Handschrift der "Produktpfleger" sichtbar.

Mit der Rolleiflex SL 2000 F hatte Rollei vor nur wenigen Jahren völlig neue Wege des Kameradesigns beschritten. Die Kleinbild-Spiegelreflex mußte mit dieser Idee nicht mehr in das "Back-Förmchen" passen, nach dem heute noch modernste Kameras zugeschnitten werden, um in das gewohnte Erscheinungsbild zu passen und als Kamera von weither sich zu erkennen geben.
Mit der neuen "Würfelform" waren einige Konsequenzen für den Anwender gegeben. Angefangen bei der Kamerahaltung, bei der man eigentlich nichts falsch, aber einiges anders machen konnte - je nachdem welchen der beiden Sucher man zu benutzen gedachte - bis zum Auslöser, der an bislang ungewohnter Stelle zu finden, dafür aber mit großer Sicherheit vor einer möglichen Verwacklung auszulösen war.
Zwei wichtige Neuerungen, die im Zusammenhang mit der Haltung der Kamera und dem Auslösen zu sehen sind, gleich vorab. Obwohl es bereits zum Vorgängertyp dieser Rollei einen Handgriff gab, wurde eine abnehmbare Handschlaufe ankonstruiert. Sie bietet gleich mehrere Vorteile. Einen für jene die ihre Kamera stets schußbereit an der Hand haben wollen. Für sie ist es bequemer geworden, die Kamera zu tragen. Ein anderer Vorteil: Die Kamerahaltung ist "griffiger" geworden. Und schließlich der wohl wichtigste Vorteil: Man ist bei dieser Haltung gleich mit dem Zeigefinger auf einem der nun drei Auslöser.
Wer nach weiteren äußerlichen Verbesserungen sucht, wird am Filmmagazin fündig. Der Knebel, mit dem auf eine der vier Arbeits- bzw. Ruhepositionen des Magazins umgestellt wird, ist länger geworden. Eine Verbesserung - obwohl auch in der vorhergehenden Version die Umstellung recht gut war, funktioniert sie dank "Hebel-Kraftverstärkung" nun noch leichter und zielsicherer.
Das Prinzip der in dieser Kamera verwendeten Elektronik wurde beibehalten. Die Braunschweiger Konstrukteure konnten ihre vor Jahren getroffene Entscheidung somit bestätigen, obwohl ein gründliches Überarbeiten in der schnellebigen Zeit der Elektronik keine ungewöhnliche Maßnahme bedeutet. Trotzdem wurden einige mit dieser Elektronik mehr oder weniger direkt zusammenhängende Erweiterungen realisiert. So zum Beispiel die Batterieprüfung. Sie wurde als zusätzliche Schalterstellung am Knopf neben dem Hauptschalter, dort wo Selbstauslöserfunktion und Meßwertspeicher bislang schon wählbar waren, angefügt.
Der Bereich von den manuell vorwählbaren Belichtungszeiten wurde erweitert. Die Rolleiflex 3003 bietet nun als kürzeste Zeit die 2000stel Sekunde. Sie ist eindeutig und schnell anzuwählen, denn in dieser Position rastet der Einstellknopf ein.
Ebenso rastet der Einstellknopf bei der längsten Zeit - es blieb an diesem Skalenenden bei 16 Sekunden - ein. Alle festen ganzen und halben Werte dazwischen sind stufenlos einstellbar.
Solange man sich auf die auch gravierten Werte beschränkt, ist eine mühelose Einstellung mit Sicherheit gewährleistet. Wer mit Zwischenwerten aufnehmen will, muß die Sucheranzeige zu Hilfe nehmen, die in diesem Fall zwei Werte (Gravur entsprechend) anzeigt, sobald der Zwischenwert "getroffen" wurde. Die Elektronik dieser Kamera bietet sehr genaue Belichtungszeiten. Die größte Abweichung wurde im NORMTEST mit dem geringen Wert von ca. 1/6-Blendenstufen festgestellt.
Diese Abweichung war nur bei der kürzesten Belichtungszeit festzustellen. Sie läßt sich in Prozentwerten beziffern, mit dem Wert 8,8 feststellen. Ein Wert der nach längeren Zeiten als der 2000stel Sekunde stetig abnimmt und mit 1,2 Prozent sein Minimum erreicht. Etwas anders sieht es bei der Betrachtung der Meßergebnisse der Belichtungsautomatik, wir haben es bei dieser Kamera mit einer Zeitautomatik zu tun, aus. Hier ist eine Neigung zur Unterbelichtung festzustellen. Im Bereich langer Belichtungszeiten sind Abweichungen von bis zu 1/3 Blendenwert festzustellen.
Bei kurzen Belichtungszeiten ist größere Genauigkeit festzustellen, bei der 2000stel Sekunde und bei der 125stel Sekunde war die größte Genauigkeit feststellbar.
Die automatische Zeitensteuerung arbeitet über den vollen Bereich von 16 Sekunden bis zur 2000stel Sekunde. Der Bereich wird jedoch nicht stufenlos abgedeckt, sondern in Sprüngen von 1/2 Lichtwert. Am Kippunkt zwischen zwei Werten kann dies bedeuten, daß sich die Belichtungszeit entweder nicht ändert oder aber eine Änderung um 1/2 Lichtwert vollzogen wird.
Eine weitere Besonderheit war bei der Belichtungsmessung feststellbar. Sie wird erst aktiviert, wenn man den Auslöser antippt. Die Meßelektronik benötigt ab diesem Zeitpunkt der Aktivierung ungefähr 1/10 Sekunde, bevor ein korrekter Wert festgestellt wird. Eine kurze Einschwingzeit, die sich in der Praxis kaum auswirkt.
Unbeschadet der angesprochenen Besonderheiten muß der Belichtungsautomatik über den gesamten Bereich eine sehr gleichmäßige Arbeit bescheinigt werden.
Der Batterietest, eine Neuerung dieser Kamera, zeigt den Ladezustand der Akkus durch das Aufleuchten einer kleinen LED neben dem Testknopf an. Diese LED-Anzeige gab es bereits beim Vorgängermodell - Rollei änderte lediglich die Gravur und wechselte vom Symbol "W" nach "F", was für "Funktion" steht. Leuchtet die rote LED nicht, so sollten die Akkus geladen werden. Eine Anzeige, die leider zweideutig ist, denn bereits nach wenigen Aufnahmen leuchtet diese LED schon nicht mehr.
Dazu in der Bedienungsanleitung: "Bedingt durch die Technologie der Akkus ist der Test nur vor Benutzung der Kamera ganz exakt. Nach einer oder mehreren Aufnahmen kann der Test ,entleerte Akkus' anzeigen, d. h. das Funktionssignal ,F' bleibt dunkel. Für einen erneuten Test sollte man mehrere Minuten warten." Es ist unverständlich, warum Rollei bei dieser "wichtigen Nebensache" eine von Konkurrenzprodukten gebotene "Dauerleistung" nicht realisieren konnte. Noch weniger verständlich ist, daß ernstzunehmende Rollei-Anwender in der Bedienungsanleitung elektronischen Unsinn erzählt bekommen, der in einem einfachen Versuch widerlegt werden kann und diese Eigenart eindeutig vom Akku auf Rolleis Elektronik in der Kamera verlagert. Der Batteriecheck, eine an und für sich nützliche Sache gehört somit eindeutig auf die "Minus-Seite".
Auf der positiven Seite der "Rolleiflex 3003" sollen die Sucher und die Funktion der Belichtungsmessung genannt werden. Im Sucher kommt als Schnittbild-lndikator eine diagonal angeordnete Zone zur Verwendung. Rollei benutzt hier eine stabförmige Zylinderlinse die erfreulicherweise auch bei schrägem Blick in den Sucher nicht abdunkelt. Dies gilt natürlich nur bei offener Blende bzw. bei großen Blendenöffnungen. Wird bei Arbeitsblende eingestellt, so sind an den Seiten dieses Indikators dunkle Streifen eine funktionsfähige Zone in der Mitte. Linien, die man bei der Einstellung durch diese Zone anvisiert, werden nicht nur zur Deckung gebracht, sie werden zusätzlich im Feld gedreht, wodurch eine sehr genaue Beurteilung der Einstellung erleichtert wird.
Die Belichtung kann sowohl bei offener Blende als auch bei Arbeitsblenden gemessen werden. Der Verwendung älterer bzw. adaptierter Objektive steht somit erfreulicherweise kein Hindernis im Wege.

Fazit

Der "Rollei-Würfel" bleibt eine gute, empfehlenswerte Kamera, die auf ein reiches Zubehörangebot für viele Anwendungen verweisen kann. Unterschiede zur SL 2000 F beschränken sich auf Kosmetik mit Ausnahme der manuell wählbaren 2000stel Sekunde. Kenner und Freunde vermissen weiter die motorische Rückspulung. Trotzdem: Eine mechanisch und optisch ausgereifte Konstruktion von der Frontlinse bis zu + 4 Dioptrien verstellbaren Sucherokular, der zu wünschen ist, daß ihre Erfinder den Anschluß an die aktuelle Elektronik zu halten vermögen.

+ Sehr genaue Verschlußzeiten 
+ Wechselkassetten 
+ Zwei Suchersysteme 
+ Bedienungsverbesserungen 
+ Schnittbildindikator

- Batterieprüfung 
- Filmeinlegen umständlich

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