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Artikel

1998

Kameras

Canon T-80

Unter falschem Namen

Die lange erwartete Canon T-80 wurde nun auch offiziell vorgestellt. Charakteristisch sind das Autofokussystem und eine Funktionsanzeige mit Pictogrammen statt Buchstaben.

Die Autofokus-Kompaktkameras fanden nicht nur Freunde bei den Gelegenheits-Knipsern: auch engagierte Hobbyfotografen und selbst Profis entdeckten darin eine Möglichkeit, aktuelle Ereignisse blitzschnell fotografisch zu dokumentieren. Aber gerade den beiden letzteren Gruppen genügte schon bald die Leistung dieser Kameras und die notorische 35-mm-Brennweite allein nicht mehr. Sie wünschten sich so was in einer echten Spiegelreflexkamera.
Canon will diese Lücke nun mit dem neuen Modell T-80 schließen und darüber hinaus alle jene Hobbyfotografen erreichen, die zwar ganz gern ihre Aufnahmen technisch verbessern und gestalten würden, jedoch von der Technik nichts wissen wollen. Hat Canon mit der T-80 dieses Ziel erreicht?

Die falsche Bezeichnung

Kaum eine andere Kamera hat zu Spekulationen und Vorausberichten so animiert, wie die zu erwartende Canon T-80.
Eins steht nun, nachdem wir diese Kamera in der Hand haben und sie praktisch erproben können, fest: Sie gehört meiner Meinung nach weder in die Canon-T-Reihe, noch kann man sie mit der Minolta 7000 vergleichen. Hierzulande können schon Kinder im Vorschulalter bis drei zählen, und sie nehmen es nicht hin, zwei Bananen zu akzeptieren, wenn man ihnen drei Bananen versprochen hat. So lag nichts näher, als die Annahme, auf eine T-50, der eine erheblich weiterentwickelte T-70 folgte, werde eine T-80 kommen, die wiederum der T-70 überlegen sei. Die T-80 ist das jedoch keineswegs, sie ist eine völlig neue und grundsätzlich ganz anders ausgelegte Kamera, eine Klasse für sich, am wenigsten aber eine Kamera der T-Reihe. Sie hätte bei erwartungsvollen Canon-Freunden - keine Enttäuschung oder gar Ablehnung gefunden, wenn Canon sie "Canon-Picto" oder sonstwie genannt hätte, statt sie - völlig irreführend in der T-Reihe anzusiedeln.

Die neue Canon-Idee

Die T-80 - so heißt sie ja nun leider mal - wird trotzdem sehr bald viele Freunde finden. Natürlich hat Canon auch bei dieser Kamera längst Bewährtes übernommen: den eingebauten Motor, das automatische Filmeinlegen, das Griffstück das allerdings nur noch als solches gedacht ist, weil die vier "AAA"-Batterien in einem eigenen Fach am Kameraboden untergebracht sind. Auch das "Display" wurde, an Deutlichkeit verbessert, von der T-70 übernommen. Worauf es Canon jedoch ankam, war, eine Kamera zu schaffen, die es selbst einem technischen Laien ermöglicht, seine Vorstellungen von einer gezielt guten Aufnahme zu realisieren. Dazu braucht man, wie Canon meint, weder zu wissen, warum Blende 8 kleiner ist als Blende 4, was Schärfentiefe bedeutet und warum ein Hürdenläufer mit 1/30 Sek. Belichtungszeit unscharf wird. Man hat alles, was der Fotograf dazu wissen muß, auf fünf Programme verteilt, die auf dem Display deutlich erkennbar einzustellen sind, und deren Symbole ("Pictogramme») einem Eskimo ebenso sagen, wie er seine Familie vor dem Iglu fotografieren soll, wie dem Manager eines Konzerns, was er tun muß, um seine Hochsee-Yacht bei Windstärke 8 problemlos scharf auf den Film zu bekommen. So drücken Sie z. B. auf die "Mode"-Taste (links an der Kamera) und betätigen einen Schieber (rechts) solange, bis auf dem Display "PROGRAMM" deutlich steht. Damit machen Sie 70% Ihrer Aufnahmen so unbeschwert, wie mit einer kleinen Kompaktkamera.
Brauchen Sie jedoch, um bewußt Schärfentiefe über das ganze Bild zu legen, diese Einstellung, stellen Sie am Schieber das Programm hierfür ein: drei Figuren, nur leicht grau erkennbar, werden deutlich schwarz, und die T-80 ist für diese Aufnahme bereit. Um eine schnelle Bewegung scharf darzustellen, geben Sie das Pictogramm mit dem Schnell-Läufer ein, und wenn Sie Ihre Kinder im Vordergrund scharf, den Hintergrund unscharf haben wollen, um mehr Plastik in Ihr Bild zu bekommen, drücken Sie die Halbfigur ein. Wünschen Sie hingegen, z. B. bei Sportaufnahmen oder einem Wasserfall durch gezielte Unschärfe eben diese Bewegung bildlich darzustellen, stellen Sie den Läufer mit Streifen dahinter ein. Da allerdings werden Sie von der T-80 zum Denken gefordert: Sie können hierzu nämlich 1/15, 1/30, 1/60 oder 1/125 Sek. wählen. Ich glaube aber nicht, daß die T-80 damit die geistigen Fähigkeiten eines ansonsten unbelasteten Fotografen überfordert. Einige gelegentliche Probeaufnahmen zeigen Ihnen da schnell, wo's lang geht. Das ist eigentlich schon das Wesentliche dieser Kamera, an der Sie zwar zusätzlich jedes bisherige Canon-Objektiv verwenden können, jedoch mit teilweisen Einschränkungen, soweit es die Uralt-Objektive betrifft. Bei sämtlichen Canon FD-Objektiven jedoch haben Sie die Programme zur Verfügung, wenn auch ohne Autofokus, jedoch mit Schärfenpieps bei korrekter Einstellung. Aber die T-80 ohne ihre Autofokus-Objektive ist wie gekochte Spaghetti ohne alles: man verhungert zwar nicht, aber zum Vergnügen gehören nun mal Tomatensoße und Parmesan.

Die Autofokus-Objektive

Man nennt "Autofokus" solche Objektiv- oder Kamerasysteme, die auf alle Entfernungen automatisch selber scharf einstellen. Man kann solche Systeme auf mehrere Arten steuern. Entweder sind Batterien und Motor im Kameragehäuse untergebracht, oder Batterien und Motor befinden sich am Objektiv, oder die Batterien in der Kamera steuern den Motor im Objektiv. Zu letzterer Lösung hat sich Canon entschlossen: die Autofokus-Objektive haben alle einen Buckel für den Motor.
Im Augenblick stehen für die T-80 folgende Objektive mit Autofokus zur Verfügung, die unter der Bezeichnung "AC" angeboten werden:
AC 1,8/50 mm als Standard, es arbeitet im Bereich von Lichtwert (EV) 4-18, Zoom-AC 3,5-4,5/35-70 mm, das im Bereich von EV5-19 korrekt arbeitet, ebenso wie das Zoom-AC 4,5/75-200 mm, alle Angaben gelten für ISO 100-Film.
Der " Normalverbraucher", der zwar Ansprüche an seine Bilder stellt, sie jedoch ohne technische Belastung erreichen möchte, sollte das "kleine" Zoom 35-70 mm wählen, weil er damit einerseits mit 35 mm einen Weitwinkel zur Verfügung hat, andererseits mit 70 mm ein leichtes Tele.
Bemerkenswert: Das AF-System arbeitet nicht kontinuierlich, sondern in einzelnen Schaltschritten, die ein leises "Klack, Klack" von sich geben.

Die Einstellscheibe

Hier hat Canon nicht gespart: in der T-80 befindet sich - fest eingebaut - die wegen ihrer Helligkeit und Brillanz bekannte "Laser"-Scheibe, die ein vorzügliches Sucherbild liefert. Wer manuell einstellen will, oder wegen der schlechten Lichtverhältnisse dies tun muß, findet als Einstellhilfe zusätzlich einen Kreuz-Schnittbild-Indikator, der sich sowohl an senkrechten als auch an waagerechten Linien orientieren kann, und der erst ab Blende 8 abdunkelt.
Rechts neben dem Sucherbild signalisieren Ihnen einige leuchtende Symbole, wie und ob die T-80 funktioniert: ein rotblinkendes "M" meldet manuelle Funktion, ein grünes "P" sagt Ihnen, daß irgend eins der Programme gewählt wurde; es blinkt, wenn von zu langsamer Verschlußzeit Verwacklungsgefahr droht, und wenn es sehr schnell flackert, meldet es die Gefahr einer Fehlbelichtung. Eine rote Raute zeigt Ihnen an, daß ein gewünschtes Programm nicht erreichbar ist, und schließlich meldet ein grünes Blitzsymbol, wenn das entsprechende Canon-Blitzgerät blitzbereit ist.

Der Piep

Es gibt ja heute kaum noch eine Kamera, bei der nicht irgendwas irgendwann piept. Auch die T-80 piept, wenn die Schnittschärfe eingestellt ist, und das auch mit den FD-Objektiven. Jeder Piep unterliegt einem Gesetz: entweder ist er so leise, daß er nicht stört, dann hört man ihn auch meistens nur in einer leeren Kirche, oder er ist so laut, daß man ihn überall hört, dann bleiben sogar die Verkehrsteilnehmer während der rush-hour erschrocken stehen. Den T-80-Pieps hört schon bei normalen Umweltgeräuschen höchstens noch eine Katze. Die paar Yen für ein optisches Schärfesignal im Sucher hätte Canon nicht sparen sollen und sich somit ein paar mehr zufriedene Käufer einhandeln können. (Zum Glück lobt der Piep sich abstellen!)

Fazit

Mag es einige enttäuschte Canon-Fans geben, die sich unter der irreführenden Bezeichnung T-80 etwas ganz anderes erhofft hatten, so ändert das nichts an der Tatsache, daß diese Kamera für viele Fotofreunde eine hervorragende Lösung anbietet: eine echte Spiegelreflex mit fast allen fotografischen Möglichkeiten dieses Kamerasystems, aber zugleich so einfach zu handhaben - man braucht sie wirklich nicht zu "bedienen"! - wie eine der kleinen und beliebten Autofokus-Kompaktkameras. Wenn man auch von einer Kamera nur "korrekte" Aufnahmen (Schärfe und Belichtung) verlangen kann, weil "gute Bilder" immer noch der Fotograf macht, so führt die T-80 doch - dank ihrer leicht verständlichen Programme - fast zwangsläufig zum "guten Bild". Und daher spricht sie mit Sicherheit einen großen Kreis von "Amateuren" an wirkliche Liebhaber guter Aufnahmen. 

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