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Artikel

1998

Canon T80

Normtest

Das Männchen-Multi-Bildprogramm

Freiheit vom technischen Ballast verspricht Canon mit ihrer T80 und führt "Reizworte der Technik" auf die Anfänge der Schrift zurück - auf Piktogramme. Hält die Kamera, was die neue Symbolik verspricht?

Kann man sie die "Kamera der Zukunft" nennen? Es geht um das neueste Produkt aus dem Hause Canon. Mit ihm setzen japanische Erfinder und "Vermarkter" auf die Errungenschaften, die durch eine geballte Ladung Elektronik ermöglicht werden. Sie setzen aber auch auf das, was sich unter dem Oberbegriff "Philosophie" einordnen und wenn auch nicht in jedem, so doch in vielen Fällen durchaus auch verstehen lobt.
Mit der Canon T80 haben wir einen "Multiautomaten" vor uns, auch wenn die Kamera nicht mit dieser Bezeichnung belegt wird. Sie darf für sich in Anspruch nehmen, eine der ersten Spiegelreflex-Autofokus-Kameras zu sein und sie ist als Autofokus-SLR die erste und vorerst auch einzige, die auf Angaben über Zeit und Blende fast völlig verzichtet und das in bekannten Größen umschreibbare Leistungsspektrum hinter Piktogrammen versammelt.
Unbeschwerter Kreativität zugute, so wünscht es die Canon-Philosophie, gibt es fünf Programme, die nicht mehr nach Blenden- oder Zeitpriorität bezeichnet zum Nachdenken und damit möglichem Verpassen guter Aufnahmen verleiten sollen. Es gibt: Piktogramme. Ein Programm gilt als das Standard- oder Normalprogramm. Es ist das einzige Programm dieser Kamera, für das man keine geeignete Piktogramm-Übersetzung fand und somit den Schriftzug "Program" auf die Flüssigkristallanzeige plazierte. Die Charakteristik dieses Standardprogramms, das wie alle anderen auch als "Bildprogramm" bezeichnet wird, zeigt, daß bis zur 1/30 Sekunde ausgehend von langen Zeiten bei offener Blende nur die Zeit geregelt wird. Bei besseren Lichtverhältnissen wird an diesen Regelbereich anschließend sowohl Blende als auch Zeit praktisch gleichberechtigt nachgeführt.
Bei diesem wie auch bei allen vier weiteren Programmen läßt sich als Fazit der NORMTEST-Messungen feststellen, daß eine ausgezeichnete Übereinstimmung zwischen Soll- und Ist-Wert im Lichtwertbereich von EV 1 bis EV 19 (bei 100 ASA, Blende 1,4) besteht.
Alle weiteren Programme werden unter Piktogrammen, in einem Fall mit ergänzenden Informationen und Auswahlmöglichkeiten angeboten.

Vier Symbole zur Auswahl

Das "Drei-Männchen"-Symbol steht für maximale Schärfentiefe. Wer "von vorn bis hinten alles scharf" haben möchte wird wahrscheinlich keine Probleme haben, dieses Piktogramm zu verstehen, wenn es ihm nicht komplizierter als eben geschildert erklärt wird. Er wird unter Verzicht auf die Erklärung der Zusammenhänge zwischen Zeit und Blende natürlich nicht von den Auswirkungen befreit die nun einmal in der Natur der Sache liegen. In der Canon sieht es dann im Grenzbereich wie folgt aus: Muß die Kamera eine lange Belichtungszeit benutzen, so wird der Fotograf mit einem blinkenden Leuchtsymbol im Sucher auf die Gefahr der Verwacklung hingewiesen. Langsames Blinken ist mit der Gefahr einer Verwacklung gleichzusetzen, schnelles Blinken signalisiert drohende Unterbelichtung, während die Gefahr einer Überbelichtung durch schnelles Flackern des Symbols im Sucher angezeigt wird. Wird der Bereich der gerade ausgewählten Automatik verlassen, kommt es also zu Belichtungsdaten, die sich mit dem angeforderten Programm überhaupt nicht in Übereinstimmung bringen lassen, so fordert ein leuchtendes rotes Rautensymbol am rechten Sucherrand zum Programmwechsel auf.

Totale Schärfe: Kleine Blendenwerte bevorzugt!

Die Charakteristik dieses auch mit dem Begriff "Totale Schärfe" bezeichneten Programms: Es werden kleine Blendenöffnungen bevorzugt, um große Schärfentiefe zu erhalten. Ab der Dreißigstel Sekunde werden Blende und Zeit nachgeführt, wobei die Blende jedoch immer noch Vorrang hat.
Die nächste Bildautomatik wird mit einem "Sprintersymbol" beschrieben. Eine auch "Bewegungsstop" genannte Automatik, mit der schnelle Bewegung "eingefroren" werden kann. Ihre Charakteristik: Zwischen der Tausendstel Sekunde und Blende 22 und andererseits der Fünfhundertstel Sekunde und großer Blendenöffnung werden Zeit und Blende geregelt. Ist die offene Blende erreicht, so werden je nach den Lichtverhältnissen auch längere Zeiten eingesteuert, um die korrekte Belichtung zu gewährleisten. Die rote Leucht-Raute im Sucher signalisiert jetzt jedoch, daß der Sinn des Piktogramms, "eingefrorene" Bewegung abzubilden, nicht mehr garantiert ist. Abhilfe in diesem Fall: Einen höher empfindlichen Film nehmen, falls auch das Licht noch reicht und nicht bereits mit schnellstem Filmmaterial gearbeitet wird, darauf hoffen, daß als Zeit vielleicht erst die zweihundertfünfzigstel (die sicher oft noch reicht) benutzt wird - oder auf das Wunschziel verzichten. Zwei "graue Eminenzen" und ein "schwarzes Männchen" symbolisieren auf der LCD-Anzeige ein Programm, das auch mit dem Begriff "selektierte Schärfe" beschrieben wird. Soll das Hauptmotiv vor unscharfem Hintergrund scharf und plastisch hervorgehoben werden, so ist diese Auswahl richtig. Die Programmcharakteristik: Bis zur Fünfhundertstel Sekunde versucht die Automatik die offene Blende beizubehalten - vorausgesetzt, Licht und Filmempfindlichkeit erlauben dies. Nach diesem Bereich werden Blende und Zeit nachgeführt und die rote leuchtende Raute im Sucher signalisiert, daß der Belichtungsdaten wegen nicht mehr der über das Piktogramm angewählte Effekt garantiert werden kann. Abhilfe: Einen niedrig empfindlichen Film einlegen oder für eine Reduzierung des Lichts, beispielsweise durch ein Graufilter vor dem Objektiv sorgen. Korrekt belichtete Aufnahmen sind jedoch auch diesmal abgesichert.
Beide zuletzt genannten Programme haben somit zumindest große Ähnlichkeit, die Diagramme der Steuerung sind in beiden gleich - nur die Warnung (rote Raute) wird jeweils zu einem anderen Zeitpunkt angeschaltet. Unter identischen Lichtverhältnissen und ohne Filmwechsel ist jeweils nur ein Ziel zu erreichen und der Programmwechsel allein ist nicht die Garantie für einen erfolgreichen Wechsel der "Fotoaussage". Dieser Umstand ist völlig logisch - auch eine nach Zeit und Blende einstellbare Kamera müßte in diesem Augenblick passen. Doch gerade an dieser Stelle muß man die Frage aufwerfen, ob es sinnvoll ist, den einfachen Wunsch N Ich will scharfe Bildern (z. B.) mit einfachen Piktogrammen zu beantworten. Wer- und damit noch in völliger Übereinstimmung mit der Canon-Philosophie - sich mit der Piktogramm-Antwort zufriedengibt, der erwartet sicher noch genauso einfach den Erfolg, der erwartet genauso simpel, daß Canons Bildersprache hält was sie verspricht. Er will tatsächlich nur soweit nachdenken, wie Canon es - dokumentiert mit dieser Kamera - für notwendig hält und das Versprechen eingelöst sehen, er müsse sich nicht um Blende, Zeit oder andere fototechnische Kriterien kümmern. Wer vom Eintritt in das Computerzeitalter bei der Kameratechnologie spricht und darüber hinaus noch gute Beweise für die Leistung der Elektronik in seinen Kameras auf den Tisch stellen kann, dem sollte es auch möglich sein, den hohen Anspruch der sich unter der einfachsten Darstellung in der Bilder-(Progamm-)Sprache versteckt zu erfüllen. Vielleicht mit einem -"computergesteuerten Graufilter" zwecks Erreichen der selektiven Schärfe auch bei hellem Licht. Sein Kunde würde erhalten, was Symbolik verspricht ohne dem Grundsatz vom befreiten Nachdenken zum Trotz nun doch wieder Nachdenken und Lernen zu müssen, warum der Film gewechselt oder ein lichtschluckendes Filter verwendet werden muß. Auf diese einzelne konstruktive Kritik möchten wir uns an dieser Stelle beschränken, denn wer die Canon T80 nutzt und auf Informationen über Blende und Zeit verzichten kann oder (dank des dann ja doch vorhandenen Wissens um die Vorgänge) den Ausweg beschreitet, der kann sicher sein, eine qualitativ hochwertige Kamera zu besitzen.

Effektaufnahmen für "bewegte" Bilder

Ein letztes Programm erlaubt die Auswahl unter vier verschiedenen Zeiten. Es heißt "Bewegungseffekt" und fördert somit die Bildeffekte "Verwischen" oder "Mitziehen". Mit den eigens für diese Kamera geschaffenen Autofokusobjektiven, die von im Kamerabody vorhandenen Fähigkeiten der TTL-Autofokus-Messung und Steuerung (allein der Antriebsmotor sitzt im Objektiv) gelenkt werden, erlebt er eine neue Dimension der Fotografie ohne auf bereits vorhandene Objektive verzichten zu müssen. Allein die Autofokus-Automatik wird beim älteren Objektiv auf eine Einstellhilfe reduziert, was jedoch stets noch den besseren Kompromiß als eine komplette Neuanschaffung bedeutet.
Die Autofokus-Automatik erhielt bereits im Vergleichstest ein sehr gutes "Zeugnis". Im Zusammenspiel mit der Kamera wird jedoch auch hier eine Canon-Philosophie klar, die überdenkenswert scheint. Die Canon T80 ist eine Kamera, die dank des eingebauten motorischen Antriebs auch für Serienaufnahmen geeignet ist. Am Autofokus-Objektiv selbst kann über eine Taste zwischen manueller Einstellung, Servo (solange der Auslöser nur angetippt wird, stellt die Kamera die Schärfe nach) und "One Shot" (die einmal gefundene Schärfeeinstellung wird beibehalten, sofern man den Auslöser nicht wieder freigibt) gewählt werden. Sobald der Auslöser durchgedrückt wird, ändert sich an der Einstellung nichts mehr. Alle Funktionen sind berechtigt, doch wer die Scharfeinstellung beibehalten, den Bildausschnitt jedoch noch ändern will, der kann dies sowohl in der Stellung "One Shot" als auch in der Stellung "Servo" erreichen. Wer hingegen eine Bildserie wünscht, der muß für die Autofokus-Funktion den Auslöser zwischendurch immer wieder freigeben und auf das Signal (leider ausschließlich akustisch aber abstellbar) warten, bevor er die nächste Aufnahme machen kann. Dies führt in der Regel zu einer nicht förderungswürdigen Kameraführung, will man nicht auf bewegte Bildsequenzen verzichten oder Serien ausschließlich von "statischen", ihre Distanz zur Kamera nicht ändernden Motiven machen.

Fazit

Die einfachsten Mittel sind meist die besten - sagt ein Sprichwort, das Canons Konstrukteure zu realisieren versuchten. Canon verfolgte das Ziel ferner vom Resultat, vom Bildergebnis ausgehend und spricht folglich nicht von den Multi- sondern Bildautomatiken. Auch NORMTEST mußte sich in Grenzen dieser Philosophie anschließen und bewertet in diesem Test weder Zeiten noch Blenden sondern Ergebnisse, die Belichtungsgenauigkeit, die für alle Programme sehr positiv ausfiel. Trotzdem bleibt der Verdacht, daß das Ziel der Vereinfachung, daß die Vorstellung, unter Piktogramm-Programmtasten der Kreativität zum Nutzen Wunsch und Leistung auf den einfachsten Nenner gebracht zu bieten, nicht vollkommen erreicht wurde.

+ Sehr gute Belichtungseigenschaften 
+ Gute Autofokus-Genauigkeit und Schnelligkeit

- Serienaufnahmen mit Autofokus-Automatik sind nur unter erschwerten Bedingungen möglich.

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