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Artikel

1998

Kameras

Ricoh XR-20SP Contra Yashica FX-103

Zwei auf gleichem Kurs

Zwei Spiegelreflexkameras mit ähnlicher Ausstattung werben ab sofort um die Käufergunst. Die Entscheidung für eine wird zur Qual der Wahl.

Wer Ähnlichkeiten sucht, braucht bei den neuen Spiegelreflexkameras Yashica FX-103 Program und Ricoh XR-20SP Program nicht lange zu suchen.
Obwohl beide Kameras im Frühjahr 85 vorgestellt wurden und damit lange nach einer Canon T50 oder T-70, folgen die beiden Neuen der traditionellen Designlinie für Spiegelreflexkameras. Beide verzichten, und das ist bemerkenswert, auch auf die automatische Übernahme der Filmempfindlichkeit (DX Codierung).

Filmempfindlichkeit: knapp

Der Fotograf ist nach wie vor darauf angewiesen, den richtigen ASA-Wert von Hand einzustellen, wobei sich die erste Parallele zeigt. Die Filmempfindlichkeitsskalen beginnen beide bei ASA 12 und reichen bis ASA 3200. Bei keiner der Kameras besteht die Gefahr, daß die Filmempfindlichkeit versehentlich verstellt wird und zu falsch belichteten Bildern führt (Verriegelung).
Bei beiden jedoch steht zu befürchten, daß schon in wenigen Jahren die obere Grenze der Filmempfindlichkeitsskala zu eng bemessen ist: Schon heute sind Filme auf dem Markt, die sich bei erstaunlich guter Qualität auf ASA 3200 puschen lassen und es ist nicht anzunehmen, daß der Fortschritt in der Entwicklung neuer Filme abgeschlossen ist.
Die Belichtung wird sowohl in der Yashica wie in der Ricoh mittenbetont integral gemessen ob das die Technik der Zukunft ist, bleibt abzuwarten. Sicher ist, daß die Integralmessung für den größten Teil aller Motive präzise Ergebnisse bringt.
Bei beiden Kameras hört der Meßbereich bei Lichtwert 18 auf (das entspricht bei einem 100er Film Blende 16 und 1/1000 Sek.), wenn es hell ist, im Dunkeln aber mißt die Ricoh LW 0 (Blende 1,4 bei 2 Sek.), während die Yashica nur mehr LW 3 (Blende 1,4 und 1/4 Sek.) richtig verarbeiten kann.

Programm mit Variationen

Wie in der Belichtungsmessung sind auch (im Prinzip) bei der Belichtungssteuerung die Parallelen unverkennbar.
Dem Fotografen wird in beiden Fällen durch die Kombination von

Programmautomatik

Programmautomatik mit Kurzzeitdominanz

Zeitautomatik nach Blendenvorwahl und

Manuellem Belichtungsabgleich

die Wahl gelassen, sich ganz der Kamera anzuvertrauen, möglichst große Sicherheit vor Verwackeln anzustreben, durch die Wahl der richtigen Blende die Schärfentiefe zu beeinflussen oder letztlich zu tun und zu lassen, wie es ihm in puncto Belichtung beliebt.
Wie im Meßbereich liegt auch im Steuerbereich die Ricoh knapp vor der Yashica. Während der FX-103-Fotograf mit den Verschlußzeiten von 1 Sek. bis zur 1/1000 Sek. in ganzen Stufen bei manueller Einstellung auskommen muß, stehen dem XR-20SP-Benutzer noch die 2 Sek. und 4 Sek. am unteren und die 1/2000 Sek. am oberen Ende der Skala zur Wahl.
Bei automatischer Belichtungssteuerung schmilzt der ohnehin schmale Vorsprung der Ricoh fast ganz weg: beide Kameras bieten die stufenlose Steuerung des Lamellenschlitzverschlusses bis zu sechzehn Sekunden und nur die kürzesten Zeiten unterscheiden sich um eine Stufe, wie bei manueller Einstellung.
Gravierende Unterschiede in der Belichtung waren bei meinen Ektachrome 100-Dias nicht festzustellen.
Die Kurzzeitdominanz bei den Programmen "HP" (Yashica) bzw. "SP" (Ricoh) ist unterschiedlich gelöst, erfüllt aber beide Male ihren Zweck, durch möglichst kurze Verschlußzeiten die Verwacklungsgefahr zu mindern oder Bewegung möglichst scharf aufs Bild zu bringen.
Die Ricoh hat noch eine Variante der Programmautomatik anzubieten: Wird eine bestimmte Verschlußzeit eingestellt, während der Blendenring des Objektivs in der Automatikposition verriegelt ist, so versucht die Kamera die Belichtung so abzustimmen, daß die eingestellte Zeit nicht unterschritten wird. Damit kann der Fotograf z. B. sehr gut die Freihandgrenze des Objektivs (1 geteilt durch Brennweite) vorwählen, um vor Verwacklung sicher zu sein. Ist es nicht möglich, diese Grenze einzuhalten, so steuert die Ricoh auch eine längere Zeit, um die korrekte Belichtung zu gewährleisten, und zeigt dies dem Fotografen im Sucher durch ein Warnsignal an. Der kann dann entscheiden, ob er die Aufnahme zu verwackeln riskiert, ob er ein Stativ verwendet oder zum Blitzgerät greift. Die Variante der Belichtungssteuerung ersetzt in der Praxis die Blendenautomatik.

Blitzen mit Komfort

Die Zeitenbegrenzung bei Programmautomatik brachte der Ricoh einen Vorteil, den die Yashica wieder gut macht, wenn es ums Blitzen geht. Die TTL-Blitzsteuerung der FX-103 ist eben doch eine komfortable und sichere Sache, wenn auch die Programm-Blitzautomatik der Ricoh durchaus nicht zu verachten ist.
Vorteil der TTL- Blitzsteuerung:

Es wird wie bei der normalen Belichtungsmessung durch das Objektiv genau das Licht gemessen, das vom Motiv reflektiert wird.

Es kann jede Blende eingesetzt werden und damit hat der Fotograf die Wahl, ob er sich für große Blitzreichweite (offene Blende) oder große Schärfentiefe (kleine Blende) entscheiden will.

Sucher: Vorteil für Ricoh

Für Grenzfälle der Belichtung (Gegenlicht, hoher Kontrast zwischen Motiv und Hintergrund) bieten beide Kameras die Einstellung von Korrekturfaktoren im Bereich vom +2 Belichtungsstufen in Drittelschritten bei der Ricoh, in Halbschritten bei der Yashica.
Pluspunkt für die Ricoh: im Sucher wird die Korrektur durch ein blinkendes Zeichen signalisiert, der Benutzer der Yashica ist auf sein Gedächtnis angewiesen, um nicht einen ganzen Film lang mit Korrektur zu fotografieren.
Es ist allerdings fraglich, ob der Korrekturfaktor der Ricoh oft eingestellt wird, denn zur schnellen Beeinflussung der automatischen Belichtung ist die Meßwertspeicherung möglich. Sie wird über einen Knopf links am Bajonettkasten aktiviert und aktiviert gleichzeitig die Sucherbeleuchtung - zwei Dinge, die der Besitzer einer Yashica FX- 103 (selten zwar aber doch) vermissen wird.
Ebenfalls für den Sucher der Ricoh spricht, daß Blende und Verschlußzeit angezeigt werden (Yashica: nur Verschlußzeit) und daß ein Warnsignal auf fast leere Batterien aufmerksam macht.
Die Batteriekontrolle ist zwar auch bei der Yashica möglich, muß aber eigens vorgenommen werden.

System: Vorteil für Yashica

Beide Kameras sind in bestehende Kamerasysteme eingebettet, und hier ist es die Yashica, die mit "Familienhilfe" vorne liegt. Es steht für sie (fast) das ganze Zubehörprogramm des Contax/Yashica-Verbundes zur Verfügung, darunter Spezialitäten, die für bestimmte fotografische Aufgaben unabdingbar sind, wie Makroobjektive oder sehr lange Teles, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Natürlich steht auch die Ricoh nicht ganz ohne da. Das RK-Bajonett ist ein Abkömmling des K-Bajonetts und so stehen eine Vielzahl von Objektiven zur Wahl - allerdings ist bei vielen der Betrieb im Programm-Modus nicht möglich.
Auch an die Besitzer alter M-42-Objektive ist bei Ricoh gedacht, schließlich gehören Ricoh-Spiegelrellexe bis 1977 zur Schraubgewinde-Klasse. Durch einen Adapter können die alten Objektive, die ja mit den Jahren nicht schlechter werden, mit Arbeitsblenden-Zeitautomatik eingesetzt werden. Es entfällt also - im Gegensatz zur normalen Zeitautomatik - der Vorteil der immer offenen Blende.

Fazit

Beide Kameras konnten sich nur in Detailfragen Vorteile verschaffen, ein knapper Vorsprung bleibt für die Ricoh, wenn man das System, das die Yashica letztendlich vielseitiger macht, ausklammert. Für die Ricoh sprechen der Meßwertspeicher, die Zeitenbegrenzung bei Programmautomatik und die bessere Sucherinformation, für die Yashica die TTL-Blitzmessung. Der Preis wird für die Entscheidung kaum eine Rolle spielen. Er wird von Seiten der Vertriebsfirmen mit etwa 600 DM für die Yashica, mit etwa 650 DM für die Ricoh angegeben.
Ja nach Händlerkalkulation und Konkurrenzsituation werden diese Preise sich aber verändern und im ein oder anderen Fall kann der Preisvorsprung der Yashica sogar eingeholt werden.

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