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Artikel
1998
Kameras
6x7 Modelle im Vergleich
Idealformat: Fünf Kameras - fünf Charaktere
Kräftig sind sie, sie geben sich athletisch durchtrainiert, in Profi-Form. Wollte man sie in eine Kategorie des Boxsports einteilen, so markierten sie das Halbschwergewicht. Sie setzen auf Format und beweisen ideale Größe: Die fünf 6x7 Kameras, mit denen wir uns in einem praktischen Vergleich beschäftigen.
Das von Zeitschriften-Layoutern und Art-Directoren häufig beschworene Idealformat 6x7 lockt viele engagierte Hobbyfotografen. Doch die Lorbeeren der gepflegten Mittelformatfotografie hängen hoch. Weit über 2000 Mark wandern bei unseren fünf Kandidaten Mamiya RB 67, Mamiya RZ 67, Pentax 6x7, Plaubel 670 und Zenza Bronica GS-1 allemal im Falle eines Kaufs über den Ladentisch. Darüber hinaus belastet das Zubehör die Geldbörse des formatbewußten Aufsteigers auf lange Sicht. Idealformat nur für Idealisten oder für Snobs mit dicker Brieftasche? Wir gingen dieser Frage nach und fanden fünf Antworten.
6x7 das magische Format?
Zuerst gilt es, mit einem Vorurteil aufzuräumen. 6x7 bedeutet nicht 60x70 mm Bildformat. Real bleiben im Schnitt- je nach verwendeter Kamera - nur ca. 56x68 mm übrig. Das entspricht aber immer noch einer etwa viereinhalb Mal so großen Fläche wie beim Kleinbild-Dia oder -Negativ Klare Sache, daß Abzüge über 18x24 cm brillanter, feinkörniger und schlichtweg schärfer sind, als vom Kleinbildfilm. Außerdem entspricht das günstige Seitenverhältnis von 1:1,21 vielen gängigen Papierformaten. Der Genuß einer farbsatten 6x7 Diaprojektion läßt sich leider nur über den kostspieligen Weg eines Götschmann-Projektors erleben.
Handling und Durchblick
Doch nun zu den Kandidaten. Beim "in die Hand nehmen" und beim Blick durch den Sucher fällt das "Kuckucksei" Plaubel Makina aus dem gesteckten Rahmen. Während die vier Konkurrenten allesamt dem Spiegelreflexprinzip huldigen, schwört die deutsch japanische Koproduktion namens Makina auf das Meßsucherprinzip. Es garantiert ein helles übersichtliches Sucherbild, das sich im Zentrum über einen Mischbild-Entfernungsmesser leicht und sicher, auch bei schlechten Lichtverhältnissen, scharfstellen läßt. Doch müssen diese Vorteile, verbunden mit einem leisen, unaufdringlichen Auslösegeräusch, frei vom Spiegelschlag, durch Parallaxneigung unter 2 m und durch eine weitgehende Nahbereichsuntauglichkeit erkauft werden.
Von ganz anderem Charakter sind die beiden Mamiya-Schwestern RB 67 und RZ 67. Beide können, dank eingebautem Balgen, bis auf 53 cm (RZ) oder gar 20 cm (RB) mit dem Normalobjektiv fokussiert werden. Die modernisierte RZ brilliert überdies mit einem besonders hellen Sucherbild. Außerdem überzeugt die Mamiya-Familie durch das Drehrahmenrückteil. Ein Wechsel von Hoch- auf Querformat wird durch einfaches Drehen des Magazins um 90 Grad realisiert. Bei der RZ ist die damit verbundene Ausschnittsveränderung sogar im Sucher sichtbar und nicht nur mit Hilfslinien angedeutet, wie noch bei der alten RB. Allzu leichtfertigem Umgang setzen die beiden Mamiyas ihr vergleichsweise hohes Gewicht und ihre Größe entgegen. Ein Handgriff tut not, insbesondere dann, wenn der RZ das schwere AE-Prisma montiert wird, das den Schwerpunkt der Kamera ungünstig verändert.
Der serienmäßige Faltlichtschacht will ganz und gar nicht zur Charakteristik der Pentax 6x7 passen. Zumindest ein Elternteil muß eine Kleinbildkamera gewesen sein, denn die 35mm-Erbmasse hat sich beim Design als dominant erwiesen.
Form, Masse und Feeling der Pentax 6x7 animieren zum Durch- nicht zum Reingucken. Das TTL-Pentaprisma machts möglich und enthält als Zugabe noch einen Belichtungsmesser.
Das Ebenbild einer klassischen Mittelformatkamera
Die Zenza Bronica GS-1 erinnert an klassische einäugige Mittelformatkameras für das Bildformat 6x6. Der Zentimeter mehr in der Breite macht sich - verglichen mit der Hasselblad - nur durch ein leichtes Plus an Größe und Gewicht bemerkbar. Sowohl die Bronica GS-1 als auch die Mamiya RZ 67 können zum Zeitautomaten mit Meßwertspeicher nachgerüstet werden, wenn man sich für den AE-Prismensucher entscheidet. Die RZ 67 bietet in dieser Kombination noch eine Umschaltung von selektiver auf integrale Messung. Leider verzichten alle Wechselsucherkameras dieser Klasse in der Serienausstattung auf ein Belichtungsmeßsystem. Daß es auch möglich ist, den Lichtschachtsucher mit einem TTL-Belichtungsmesser zu kombinieren, beweist seit zehn Jahren die Rolleiflex SLX.
Die 6x7 Kaste bekennt sich zum Zentralverschluß. Die beiden Mamiyas, die Zenza Bronica und die Plaubel setzen auf das altbewährte Prinzip, das noch lange nicht ausgereizt ist, wie die modernen elektronischen Varianten in der RZ und in der GS-1 beweisen. Der Hauptvorzug des Zentralverschlusses liegt in der freien Wahl der Blitzsynchronzeit. Bei Aufnahmen mit Aufhell- und Studioblitzen wünscht sich der Fotograf diese Eigenschaft. Die Pentax 6x7 spielt in ihrer Klasse die Rolle der Ausnahme, die die Regel bestätigt. Bei ihr gibt es wiederum aus "genetischen" Gründen einen Schlitzverschluß. Die kurze tausendstel Sekunde und die riesige Objektivpalette, deren Konstruktionen von einem integrierten Zentralverschluß unbelastet sind, stehen auf der Habenseite dieses Prinzips.
Systemverzicht bei Plaubel
Apropos Palette. Wie schaut es denn mit dem Zubehörprogramm unseres Fünfer-Clubs aus? Auf den ersten Blick tanzt die Plaubel wieder einmal als schwarzes Schaf aus der Reihe. Es gibt keine Wechselobjektive, geschweige denn ein Wechselmagazin, und auf Wechselsucher muß der geneigte Fotograf ebenfalls verzichten. Doch die äußerlich liebenswert antiquiert wirkende Scheren-Spreizkamera zielt auf eine andere Marktlücke. Sie will unbeschwerte Freude am großen Mittelformat ohne viel Ballast vermitteln, was durchaus zu gelingen vermag.
Die Makina wiegt vergleichsweise wenig, ist dank einklappbarem Balgen kompakt und lobt sich nicht zuletzt wegen ihrer spartanischen Ausstattung leicht bedienen. Ein gekuppelter, eingebauter Belichtungsmesser diktiert per grüner LED die korrekte Zeit-Blenden-Kombination. Schade nur, daß die Einstellringe für Zeit und stufenlose Blende so schmal und leicht zu verwechseln sind. Architekturfans und Weitwinkelanhängern sei der Zwilling Makina W 67 mit dem fest eingebauten Nikkor 4,5/55 mm ans Herz gelegt.
Das Mamiya-Duo und die Zenza-Bronica geizen dagegen nicht mit Zubehör. Sie können als echte Systemkameras gelten. Wechselbare Sucher, Objektive und Magazine garantieren, daß der Fotograf für jede Aufnahmesituation gewappnet ist. Dazu gibt es jede Menge Nahaufnahmezubehör. Die Bronica kann mit Recht als Formalvirtuosin gelten. Als echte Vielformatkamera verdaut sie im entsprechenden Magazin sogar Kleinbildfilm, im originellen Bildformat 24x69 mm.
Die Pentax zeigt sich in punkto Zubehör von der eher knauserigen Seite. Eine Wechselkassette sucht man vergebens. Dafür entschädigt sie mit einem Objektivprogramm von sage und schreibe achtzehn Brennweiten. Ihre Schnelligkeit, gepaart mit einem 500er- oder 1000er-Objektiv macht sie zur Nischenkamera, zum Geheimtip.
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