← Zurück

Artikel

1998

Kameras

Minolta 9000

Der Autofokus-Profi?

Schon im letzten COLOR FOTO berichteten wir über die Gerüchte, die von einer Minolta 9000 sprachen. Inzwischen sind die Gerüchte Wirklichkeit geworden. Die Minolta 9000 wurde auf einer großangelegten Pressekonferenz im schweizerischen Gstaad-Saanen der Fachpresse vorgestellt, und es standen einige Vorabexemplare zum Ausprobieren bereit. Wie ist der erste Eindruck von dieser Neuheit - der ja oft entscheidet?

Wir sind zu zehnt - allesamt Fotofachjournalisten - und warten im „Gate 21" des Münchner Flughafens Riem auf den Flug LH 224 München-Genf, Abflug 17 Uhr. Auf uns wartet ein Wochenende in der Schweiz - ein langes Wochenende, das von Freitagabend bis Dienstagabend dauern und uns alle Annehmlichkeiten bieten wird, die das Fünf-Sterne-Hatel Steigenberger in Gstaad-Saanen bieten kann. Wer Küche und Bar eines solchen Hotels kennt, weiß, daß für sein leibliches Wohl bestens gesorgt sein wird. Wir wisse noch mehr. Obwohl Gastgeber Minolta höchste Geheimhaltung angeordnet hatte ist es uns nicht verborgen geblieben, daß eine neue Kamera ins Haus steht. Natürlich eine Autofokus-Spiegelreflex und daß sie über die Minolta 7000 angesiedelt sein wird.
Dennoch gelten die Gespräche nicht der neuen Kamera. Andere Fragen stehen im Vordergrund. Wird die relativ kleine, zweimotorige Propellermaschine nicht zu sehr schaukeln entlang der Alpen? (Sie schaukelte nicht!) Wird die Flugbegleiterin nett und freundlich sein? (Sie war mäßig muffelig!) Wie kommen wir von Genf nach Gstaad? Zwei noch kleinere Propellermaschinen standen bereit!) Und alle reden von der Familie, die wieder einmal hinter dem Beruf zurückstehen muß.

Kurzes Vorspiel

Am ersten Tag in der Schweiz ist nach dem Frühstück eine Konferenz anberaumt Wie es sich in solchem Rahmen gehört, ist alles vorbereitet: Block und Bleistift an jedem Platz, Getränke stehen bereit und wer sucht, findet auch den Flaschenöffner. Vorne, vor der Leinwand, steht ein kleiner Tisch und auf dem kleinen Tisch liegt etwas, verborgen unter einem weißen Tuch.
Um die Spannung auf einen Höhepunkt zu treiben bleibt die Kamera zunächst bedeckt. Man verliest Statistisches (die meisten Hobbyfotografen wünschen sich TTL-Blitzmessung für eine Spiegelreflexkamera), man lobt den Erfolg der Minolta 7000 (7888 Verkaufte Exemplare im Aprl/Mai 1985 gegenüber 6350 verkauften Canon T70), man stellt vier Herren aus Japan vor, unter ihnen Minoru Sekito der Vater der „9000") und man erläutert Preistabellen (nur 5 Prozent der verkauften Spiegelreflexkameras kosten mehr als 1000 DM - in diesem Segment wird sich die Neue tummeln).

Erster Akt

Dann endlich kommt das Gespräch auf die neue Kamera, die immer noch unter dem weißen Tuch liegt. Wer aber seine Augen vom Vortragenden abwenden kann, sieht das gute Stück in den Händen der japanischen Gäste, sieht, daß auch diese Kamera einen integrierten Handgriff hat, daß das Einstellrad nicht wieder ganz unter den Tisch gefallen ist und daß etwas (offensichtlich der Motor) unten angeschraubt werden kann.
Inzwischen ist offiziell bestätigt: die neue Minolta hört auf den Namen "Minolta 9000" und ist entgegen jeder Minolta Tradition, nach der zuerst das Spitzenmodell einer Kameraserie vorgestellt wird, tatsächlich über der "7000" angesiedelt.
Und darauf legt Minolta größten Wert: Die Minolta 9000, heißt es, sei eine Profikamera und allenfalls für sehr ernsthafte Amateure bestimmt.
Was kann die Neue, um diesem Anspruch gerecht zu werden? Zunächst hat sie etwas, das sie profi-like machen soll, nämlich ein Metall-Spritzguß-Gehäuse. Ist der hochwertige Kunststoff einer Minolta 7000 also doch nicht höchstwertig genug?
Und was sie kann? Sie bietet als kürzeste Verschlußzeit die 1/4000 Sekunde. Damit verbunden ist eine Synchronisationszeit von 1/250 Sek. des vertikal ablaufenden Lamellenschlitzverschlusses.
Die "9000" bietet außerdem Spotbelichtungsmessung als Ergänzung zur Integralmessung, und zusammen mit der Spotmessung ist es möglich, über die Tasten " H " (für High-Light) und "S" (für Shadow) Über- bzw. Unterbelichtungen herbeizuführen, die ganz weiße oder ganz schwarze Motive vor dem Vergrauen bewahren sollen. Dieses System - so ein Minolta-Mitarbeiter - erinnert nicht nur an das der Olympus OM-4, sondern es ist dasselbe System, das ursprünglich von Minolta entwickelt wurde. Die bei Olympus mit der Kamera allein mögliche achtfache Spotmessung mit Mittelwertbildung ist bei der Minolta 9000 nur mit der Rückwand "Program Back super 90" möglich, dafür aber ein bißchen ausgefeilter. Neben dem Mittelwert lassen sich Werte für die optimale Wiedergabe von Lichtern und Schatten ermitteln. Da das "Program Back super 90" in das 100-Bilder-Langfilmmagazin "EB-90" mit eingebaut ist, sind mit diesem bulligen Zubehör auch alle Möglichkeiten geboten, die der Superrücken bietet. Dazu gehört neben der Achtfachmessung Belichtungsprogramme nach Lust und Laune selber zu entwickeln oder automatische Belichtungsreihen auszulösen, die nach der bewährten "Schrotschuß-Methode" mit bis zu neun Bildern die richtige Belichtung einkreisen.
Nach diesem Abstecher zu zwei interessanten Zubehörteilen zurück zum Grund unserer morgendlichen Konferenz, die schon den Vormittag erreicht hat.
Was bietet sie uns noch, die neueste Minolta (die wohl nicht allzulange die neueste bleiben wird - man munkelt schon jetzt von einer "5000")?
Die Minolta 9000 verzichtet auf einen eingebauten Motor, der Schnellschalthebel feiert fröhliche Urständ und damit (sofern die Kamera ohne Motor verwendet wird) auch die Rückspulkurbel. Während der Schnellschalthebel den Aufbruch ins Autofokuszeitalter unverändert überstand, stellt sich die Rückspulkurbel in einem neuen Licht dar- bis man sich an Kameras der Schweizer Edelschmiede "Alpa" erinnert die schon ähnlich ausstaffiert waren. Der Rückspulknopf lobt sich nach oben ziehen und dient, über ein Parallelogrammgestänge mit der Rückwickelspule verbunden, als handlicher Griff, um den Film zurück in die Patrone zu befördern.
Mit dem eingebauten Motor fällt auch die motorische Blendensteuerung weg, die bei der (man ist geneigt zu sagen: guten alten) "7000" die Abblendtaste verhinderte. Die Minolta 9000 hat diese Taste, die von vielen gefordert und von wenigen wirklich genützt wird, um die Schärfenverteilung schon im Sucher zu überprüfen.
Mit dem eingebauten Motor fällt aber auch die automatische Filmeinfädelung weg, ein Komfort, an den man sich eben so schön gewöhnt hat. Leider wurde kein Versuch unternommen, das Filmeinlegen dennoch einfacher zu gestalten - mit der Umgestaltung des Displays völlig ausgelastet, griffen die Ingenieure in Osaka aufs Naheliegendste zurück, und sie belebten die Aufwickelspule der Minolta X-700 wieder, die weder einen Höchst- noch (Gottlob) einen Tiefstand in der Entwicklung dieser Spulen markiert.
Automatisch präsentiert sich dagegen wieder die Übernahme der Filmempfindlichkeit von DX-codierten Patronen, die aber den Fotografen nicht überstimmen kann. Er kann die Filmempfindlichkeit eingeben, die er für richtig hält.
Zur Einstellung der Filmempfindlichkeit nach eigenem Geschmack braucht man auch bei der "9000" drei Hände: eine um den ISO-Knopf zu drücken eine, um die Kamera zu halten und die dritte, um den Schiebeschalter zu betätigen, der anstelle der beiden oberen Tipptasten bei der "7000" getreten ist wie auch die Tipplasten links vom Bajonett durch einen Schiebeschalter ersetzt wurden. Man bewegt so einen Schalter in die eine Richtung, wenn die Werte steigen sollen, in die andere, wenn man kleinere Werte anstrebt. Ein Fortschritt: Die Zweihandbedienung a la "7000" ist zur Wahl der Betriebsart (Programmautomatik, Zeitautomatik, Blendenautomatik, manuelle Nachführmessung) nicht mehr nötig. Ein großer Ring dient der Einstellung dieser Werte.
Inmitten des Ringes liegt ein LCD-Display mit gegenüber der "7000" weniger Angaben. Alles, was der Fotograf wissen möchte (mit Ausnahme der Bildnummer) wird dagegen im aufgeräumten Sucher angezeigt. Und sonst? Die Abblendtaste gestattet auch bei Programmautomatik die Kontrolle der Schärfentiefe, die AEL-Taste zur Meßwertspeicherung klickt jetzt, damit man weiß, daß sie gedrückt wurde. Ach ja -unscharfe Bilder sind möglich. Und überhaupt - das Autofokussystem. Das Autofokussystem beginnt bei der "9000" zu arbeiten, sobald der Touch-switch Auslöser berührt wird und führt die Schärfe nach; sie wird gespeichert, sobald der Auslöser angetippt wird.
Wird der Auslöser durchgedrückt, erfolgt die Belichtung, Schärfe hin oder her. Die Schärfenpriorität, also Auslösersperre, solange keine Schärfe vom Autofokus attestiert wurde, ist allerdings möglich: Man braucht dazu den Motor MD 90, der in Focus-Priority-Modus bis zu 4 B/s durchzieht, ansonsten je nach Einstellung 5, 3 und 2 Bilder pro Sekunde. Er bietet Einzelbildschaltung und spult in 7 Sekunden einen ganzen 36er Film so in die Patrone zurück, daß die Lasche herausschaut.
Mit dem Motor sind wir wieder beim Zubehör gelandet: es wird das erwähnte Rückteil "super-90" geben, das normale "program back 90" (beide entsprechen, außer in den Abmessungen den Modellen zur Minolta 7000), es wird das Langfilmmagazin geben und den Blitzbelichtungsmesser "Flashmeter IV", dessen Meßdaten direkt" (kabellos) in die "9000" übertragen werden können. Ende des 1. Aktes.

Zweiter Akt

Die wenigen Modelle der "9000", Motoren und Zubehör werden ausgehändigt. Es beginnt das große Fotografieren. Niemand ist vor niemandem sicher, jeder fotografiert jeden, doch keiner, der rasch noch den Bauch einzieht, weiß, ob die Kamera, die man auf ihn richtet, überhaupt geladen ist.
Damit es nicht zu langweilig wird, beginnt Profifotograf Uwe Ommer, eigens aus Paris eingeflogen, seine beiden Modelle Michele und Nelly zu fotografieren, und alle dürfen mitmachen. Die Filme klicken in beängstigender Geschwindigkeit durch die "9000", und hier und da flucht einer. Die "9000" verweigert den Befehl und löst nicht aus, gerade jetzt, wo Michele zu verführerisch guckt - verdammte Technik. Des Rätsels Lösung: Über die ISO-Taste muß der Fotograf der Kamera die per DX automatisch eingestellte Filmempfindlichkeit als seinem Wunsch entsprechend bestätigen - und wer denkt angesichts des geballten Charmes der beiden Mädchen schon an so etwas.
Und dann dauert es eben ein bißchen länger, bis man nach dem Filmeinlegen anfangen kann zu fotografieren.
Während ich von diesem Mißgeschick verschont bleibe, verweigert meine motorisierte "9000" mitten im Film den Befehl, auszulösen. Der Fehler: Der Motor hat ein rückwärtslaufendes Zählwerk - und schaltet stur ab, wenn das Zählwerk bei "0" angelangt ist. Irgendwie habe ich vergessen, nach dem Filmeinlegen das Zählwerk auf die richtige Länge (36) einzustellen. Zu meinem Arger über mich kommt Ärger über Minolta: Da wird eine supermoderne Kamera gebaut, von der Möglichkeit die Filmlänge von der DX-Filmpatrone abzulesen aber noch kein Gebrauch gemacht.
Andere Kleinigkeiten, die bei den ersten Gehversuchen auffallen: Es ist zwar schön und gut, daß die Rückwand gegen versehentliches Öffnen geschützt ist, aber mußte der Entsicherungsknopf so klein ausfallen? Und warum hat man das Zählwerk nicht im Display gelassen - oder zumindest besser ablesbar gemacht? Und die Meßwertspeichertaste, die jetzt angeblich klicken soll - ich kann sie nicht hören, und sehr groß ist sie auch nicht.
In einer ruhigen Minute gelingt es uns, COLOR FOTO Chefredakteur Michael Tafelmaler und mir, den Deutschland-Chef von Minolta, Günter Seidel, zu befragen. Daß die "9000 eine richtige Profikamera" ist, steht für ihn fest, daß "kein Profi, der sich mit Sport- und Actionfotografie beschäftigt" an dieser Kamera vorbeikommt, ist für ihn ebenfalls außer Frage. Was er noch nicht so recht abschätzen kann, ist der Erfolg der "9000". "Irgendeine Stückzahl zwischen 5000 und 15000 ist richtig", das Orakel macht es sich leicht. Die "7000", von der er als Amateurkamera spricht, "wird dagegen immer so gefragt sein, daß wir immer Rückstände haben werden." Ende des kurzen Gesprächs und des zweiten Aktes. Mittagessen.

Dritter Akt

Nach dem Mittagessen werden wir flug-verwöhnten Journalisten in Trab gebracht. Auf dem Programm steht der Fußmarsch zum Lauenensee. Den ersten Teil vermiesen die Stechmücken, den zweiten Teil vermiest der steile Aufstieg, der mich nicht nur des Höhenunterschiedes wegen ins Schwitzen bringt. Ich bin nicht "bergfest", hefte meinen Blick auf den schmalen Pfad vor mir und verweigere den Blick ins Tal. Der Kampf gegen den Absturz nimmt mich so mit, daß ich es nur an zwei flachen Stellen wage, zur Kamera zu greifen. Weil ich mit dem 28er im 28-85-mm-Zoom fotografieren möchte, stelle ich auf Blendenautomatik und wähle die 250stel vor- die Programmautomatik hätte wie bei der "7000" aus der kurzen Brennweite abgeleitet, daß größte Schärfentiefe gewünscht wird und zugunsten der kleinen Blende eine längere Verschlußzeit gesteuert. Voller Stolz in dieser Situation noch klar denken zu können, drücke ich auf den Auslöser. Was ich vergessen habe ist, daß ich vor dem Aufstieg den Film zurückgekurbelt habe, ohne einen neuen einzulegen. Pech - und dagegen ist selbst die neueste Kameratechnik machtlos.
Der Fehler fällt mir am Ziel auf, eine Hütte, wo Alphornbläser die Truppe empfangen. Irgend jemand hat Sinn für Humor und organisiert einen Alphornblaswettbewerb, in den die Schweizer Kollegen mit Heimvorteil gehen - ohne die Deutschen deklassieren zu können. Beim folgenden Abendessen erzählt Uwe Ommer, der schon vor uns allen mit der "9000" arbeiten durfte, und der auch die 7000" kennt, ein bißchen aus dem Nähkästchen. Mit der Minolta 7000 fotografiert er nicht, sagt er, aber die Minolta 9000, die ist für ihn "die erste Profikamera von Minolta. Bisher konnte man sich mit Minolta beim Kunden gar nicht sehen lassen." Allerdings ist ihm nicht alles an dieser Kamera für seine Arbeit wichtig. "Auf den Autofokus kann ich im Studio verzichten, ich stelle sowieso lieber von Hand scharf. Aber ich kann die 4000stel brauchen und die Synchronisationszeit von 1/250 Sek." Den Motor lobt der deutsche Fotograf mit dem Studio in Paris und widmet sich dem Rösti.

Vierter Akt

Am nächsten Tag findet der vierte Akt auf dem Gletscher statt. Kleine Hubschrauber bringen die Gruppe grüppchenweise hinauf auf den "Les Diablerets" in 3243 m Höhen, wo die Minolta 9000 dank strahlenden Sonnenscheins nicht ihre Winterfestigkeit beweisen muß. Die Trickskifahrer, die Minolta eigens dafür engagiert hat, verlangen aber immerhin Leistung vom Autofokussystem der Kamera - die gebracht wird. Vier Bilder pro Sekunde (mit Fokus-Priorität) werden scharf.
Auch das Belichtungsmeßsystem überzeugt: der Schnee ist auf den Dias ebenso weiß, wie in natura, die High-Light-Taste - für Situationen gedacht, in denen sich das Motiv weiß in weiß präsentiert, - bringt Überbelichtung. Ich habe, um mit zwei Zooms in jeder Situation richtig ausgerüstet zu sein, eine "7000" mitgenommen und bin fast am Verzweifeln: Ich drücke den Auslöser der "9000" leicht nieder, weil ich das bei der "7000" eben so machen mußte, und speichere bei der "9000" eine Entfernung, die ich gar nicht haben will. Ich wechsle zurück zur "7000" und suche den angenehmen Schalter, um die Belichtungszeit zu ändern und merke erst jetzt, daß wieder Tastentippen angesagt ist. Wer die "7000" als billigere Zweitkamera zur etwa 1500 Mark teueren "9000" verwenden will sollte sich mit Geduld wappnen und üben, üben, üben...
Der Rückflug signalisiert das Ende des vierten Aktes, alle freuen sich auf den fünften, auch wenn früh um Viertel vor Fünf das Zimmertelefon klingeln und die allzu kurze Nacht beenden wird.

Fünfter Akt

Ballonfahren steht auf dem Programm und alle, alle krabbeln aus den Federn, alle helfen mit, die Heißluftballons startklar zu machen, getreu der Devise: es gibt keine Passagiere, nur Mannschaft. Weil zu wenig Ballons zur Verfügung stehen, wird in zwei Etappen gefahren - ich gehöre zur zweiten Gruppe und darf erleben, wie eine Ballonfahrersgattin ihren entschwebenden Ehemann verfolgt: Mit Kleinbus und Anhänger wagt sie sich in engste Gassen und leichte Karambolagen mit Gartenzäunen und geparkten Anhängern nimmt sie nicht weiter wichtig. In mir wachsen Bedenken: Wenn ihr Ehemann ebenso Ballon fährt, wie sie Auto... Pierre zerstreut die Bedenken. Versehen mit einem frischen Vorrat an Gas und mit frischer Mannschaft startet er erschütterungsfrei, gewinnt zügig an Höhe und demonstriert uns die ruhigste Art, sich über die Schwerkraft hinwegzusetzen. Der Blick aus der Gondel wird nur dadurch getrübt, daß jedes Zünden des "Flammenwerfers" uns einen heißen Hinterkopf beschert - Ballonerfahrene fahren mit Mütze, nun gut, das nächste mal weiß ich's auch.
Was ich mehr vermisse, als eine Mütze, ist das angekündigte Zoom 75-300 mm. Denn "Tele" heißt die Devise aus unserer luftigen Warte. Wellblechgedeckte Schuppen, die ich unten wohl keines Blickes würdigen würde entpuppen sich von oben als tolle Motive, Sonnenschirme zeigen sich von einer neuen Seite und wirken wie riesige Blumen über dem grauen Untergrund der Hotelterrasse. Der Motor "MD-90" muß hier keine Höchstleistung bringen - er verrichtet seine Arbeit mit Einzelbildschaltung und - vorsichtshalber - Fokuspriorität. Allerdings versagt er kein einziges Mal der Aufnahme wegen mangelnder Schärfe seine Zustimmung, das Autofokussystem wird auch mit dunstigen Bergen in der Ferne fertig, mit dem grünen Flimmern einer Wiese unter uns... nur der Filmwechsel wurmt mich. Begierig, keinen Blick aus der Vogelperspektive zu versäumen, ärgert mich jeder Moment, den ich mich auf die Aufwickelspule konzentrieren muß.
Mit der Landung ist der Höhepunkt vorbei, die Premiere der Minolta 9000 kann nur noch ausklingen, und so ist es denn auch: Fondue auf einem Berggasthof, Rückfahrt über Montreux nach Genf, Rückflug nach München.
Vier Tage sind vorbei - die Minolta 9000 ist uns besser bekannt als vorher (und allen gleich gut, denn niemand konnte sich länger mit einer "9000" beschäftigen als die andere) aber wovon reden wir? Vom rasanten Landeanflug des Helikopters, vom Erlebnis des Ballonfahrens - aber über die "9000"?

Ausklang

Die neue Kamera kommt am nächsten Tag zu ihrem Recht, als die Kollegen wissen möchten: Was für eine Kamera ist denn die Minolta 9000 eigentlich? Eine gute Frage! Was für eine Kamera ist die "9000"? Ist sie besser als die "7000"? Sie hat vieles, was ich mir für die "7000" auch wünschen würde: Den nachführenden Autofokus und die Spotmessung, die Schiebeschalter anstelle der Tasten und das Betriebsartenrad, wenn ich's recht bedenke: eigentlich das ganze Gehäuse, das viel bedienungsfreundlicher ist. (Warum eigentlich? Sind "7000"-Käufer eine handliche Kamera nicht wert?) Aber ich wünsche mir auch Details der "7000" für die Neue: Das einfache Filmeinlegen beispielsweise und den kleinen, eingebauten Motor (man ist eben doch schnell verwöhnt). Ist die "9000" eine Profikamera? Nun ja, die 250stel als Synchronzeit und die Spotmessung, das Zubehör (besonders das Langfilmmagazin und der Flashmeter IV) und das Metallgehäuse - all das sind Einzelheiten, die die Profis ansprechen können. Aber reicht das? Ist sie dann eine Amateurkamera? Sicher nicht für den, der eine ganz einfache Kamera sucht und keine Ambitionen hat selbst etwas für sein Bild zu tun dafür bietet sie einfach zu viel. Sicher aber für den Hobbyfotografen, der viele Möglichkeiten sucht, schnell und sicher zu dem Bild zu gelangen, das er sich vorstellt- solange er bereit (und in der Lage) ist, für die Kamera etwa 1500 DM investieren.
PS: Während Sie diese Zeilen lesen, arbeitet Alexander Borell eine ganze Weile mit der Minolta 9000 und prüft sie "auf Herz und Nieren". Sein Bericht erscheint voraussichtlich im nächsten Heft.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}