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Artikel

1998

Kameras

Nikon F-301

Fortschritt mit Vernunft

In einer Zeit hektischer Modellexplosion bei den japanischen Kamerariesen gönnte sich Nikon eine lange Atempause. Die ist jetzt beendet. Die neue Spiegelreflexkamera Nikon F-301 soll der Marke einen neuen Käuferkreis erschließen und gilt als Vorbote einer künftigen Kamerageneration des traditionsbewußten japanischen Herstellers.

Früher bestimmte in erster Linie die Technik, wann eine neue Nikon-Kamera zu erscheinen hatte. Unsere neue Nikon F-301 dagegen ist streng an den Wünschen des Marktes orientiert. So umschreibt der Leiter des Geschäftsbereichs Foto der Nikon GmbH, Kristof Friebe, den Sinneswandel in puncto Modellpolitik der Tokioter Mutter. Die neue Nikon kann in der Tat als Kamera-Wunschkind einer großen Konsumentengruppe gelten, die eine Kamera nicht als supermodernen Technik-Fetisch, sondern als möglichst unkompliziertes Werkzeug zum Bildermachen sieht.

Autofokus: Fehlanzeige

Wer jedoch bei der Nikon F-301 nach einem LCD-Display oder gar nach einer Autofokuseinrichtung Ausschau hält, der sucht vergebens. Sie ist vielmehr eine moderne kreuzbrave Kamera, die es möglichst vielen Fotografen recht machen will. Sie macht sich mit einem lauten Signal bemerkbar, wenn ein Anfänger sie falsch bedient. Sie tritt nicht mit dem hohen innovativen Anspruch auf, wie etwa die Canon T70. Nikon spricht von Fortschritt unter dem Gehäuse und verweist dabei in der Pressemappe auf "modernste Elektronik".
Nimmt man die F-301 in die Hand, so weckt sie mit ihrer beachtlichen Größe, dem etwas klobigen Design und dem eckigen Feeling kaum Sympathien auf den ersten Griff. Für beide Handling-Handicaps ist der integrierte Motor, der immerhin 2,5 Bilder pro Sekunde schafft, in erster Linie verantwortlich. Die Auslegung der Bedienungselemente folgt streng der Firmenphilosophie des sinnvollen Fortschritts. Es gibt keine Tipptasten. Nikon Begründung: Das Einstellrad ist schneller. Ein ebenso gewöhnlicher wie griffiger Verschlußzeiten-Einstellknopf versieht an der Kameraoberseite unerschrocken vom Fortschritt seinen Dienst. Doch er hat es in sich: Es gibt die 2000stel Sekunde, die neben dem vermeintlichen Profitouch auch Reserven für die neuen, noch empfindlicheren Filme bietet.

Auf Anhieb zu begreifen

Der Fotograf kann zwei Programmautomatiken einstellen. Eine normale und eine mit Kurzzeitvorzug für Aufnahmen mit dem Teleobjektiv oder für Action-Schnappschüsse. Ganz nebenbei funktioniert die Nikon F-301 auch als Zeitautomat nach Blendenvorwahl. Experimentierfreudigen Lichtbildnern wird selbst ein manueller Zeit-Blendenabgleich nicht vorenthalten.
Eine TTL-Blitzsteuerung sorgt in dieser Preisklasse beinahe selbstverständlich - für stets richtig belichtete Blitzaufnahmen. Die Filmempfindlichkeitseinstellung geschieht bei DX-codierten Filmen automatisch. Die Kontakte in der Kamera erlauben überdies dem Service im Falle eines Defekts die genaue Lokalisierung des Fehlers. Beim Blick durch den Sucher registriert der Fotograf erfreut Helligkeit und Brillanz. Selbst bei Blende 5,6 verdunkelt der Schnittbildindikator nicht. Die neue Brite-View (kein Schreibfehler!) - Einstellscheibe macht es möglich. Orientierungshilfe bei der Belichtungsmessung vermittelt die LED-Verschlußzeitenreihe rechts vom Sucher.
Das Fotografieren mit der neuen Nikon ist eine vergnügliche- und unproblematische Angelegenheit. Auch Anfänger kommen mit ihr auf Anhieb zurecht. Das fängt beim Filmeinlegen - automatisches Vorspulen bis Bild "1", neuartige Transportkontrolle an der Rückwand - an und hört beim schnellen, exakten Fokussieren auf. Kritische Belichtungssituationen wie Gegenlichtszenen oder Motive mit hohem Kontrast lassen sich dank einer Memory-Taste meistern. Nikons Antwort auf die "Spotwelle" der Konkurrenz. Nikon setzt große Hoffnungen auf sein jüngstes Kind. Es soll schon bald die Rolle des Verkaufsrenners im Programm übernehmen. "In den ersten sechs Monaten wollen wir 16000 Stück verkaufen". So optimistisch beurteilt Kristof Friebe die Marktchancen der neuen Kamera, die mit Normalobjektiv auf rund 750 Mark veranschlagt wird.

Fazit

Sie macht es vielen recht, die neue Nikon F-301. Denen, die von komplizierter Technik weitgehend befreit einfach nur gute Bilder machen wollen, und denen, die eine gut ausgestattete Kamera der oberen Mittelklasse mit vielen kreativen Möglichkeiten suchen. Die F-301 paßt zu beiden Gruppen, schließlich ist sie ein Marketing-Produkt. Diese Ausgewogenheit geht allerdings zu Lasten des Charakters. So mag sie dem einen oder anderen ein wenig fad vorkommen. Außerdem hätten ihr die Nikon-Designer ein feineres Antlitz geben und dabei vielleicht auch die Handlichkeit verbessern können. Doch wer sie will, wird nicht enttäuscht.

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