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Artikel
1998
Minolta 9000
Kameras
Auf den zweiten Blick
Im "sehr engagierten Hobby-Fotografen und Profi" sieht Minolta die Zielgruppe für die neue Minolta 9000. Nach meinen bisherigen Erfahrungen in der Praxis trifft Minolta damit genau ins Schwarze.
Man sagt, der erste Eindruck sei stets der richtige. Würde das stimmen, hätte ich in diese Kamera nichteinmal einen Film eingelegt. Da zeigt vor Jahren Konica mit der FS1 den Weg zu vernünftigem Kamerabau; Canon hat es mit der T-70 erfaßt und Minolta mit dem Modell 7000 perfektioniert: Motor eingebaut, Filmpatrone rein, Rückwand zu und der Film läuft automatisch - und ohne Fehlermöglichkeit! - zum ersten Bild vor. Ich hatte mir geschworen, nie mehr eine andere Kamera anzufassen, nie mehr einen Film in eine Spule zu fummeln und aufzupassen, ob er auch transportiert wird. Und da kommt Minolta mit dieser 9000, ohne eingebauten Motor, mit längst totgeglaubtem Schnellschalthebel und mit einer Filmaufwickelspule, ganz abgesehen von dem Druckguß-Gehäuse! Und trotzdem bin ich ihretwegen meineidig geworden! Der zweite Eindruck von dieser Kamera ist nämlich hervorragend in des Wortes wahrer Bedeutung. In einigen praktischen Details - nicht in technischer Spielerei! - übertrifft sie alles was sich bisher auf dem Weltmarkt zur Spitze zählte. Daß sie an Handlichkeit der Bedienungselemente die 7000 übertrifft, hat Herbert Kaspar in seinem ausführlichen Artikel in COLOR FOTO 10/85 bereits dargestellt. Das konventionelle Filmeinlegen nimmt man ihr nicht mehr übel, wenn man sich einmal mit den aufnahmetechnischen Möglichkeiten mit dem - konventionell - ansetzbaren Motor MD-90 vertraut gemacht hat. Selbstverständlich kann man die 9000 auch als "ganz normale" Kamera ohne Motor verwenden (Gehäusepreis ca. 1.500 DM), hat dann aber auch nur das halbe Vergnügen.
Der Motor Drive MD-90
Da das Griffstück (Inhalt 2 Batterien AA für die Kameraelektronik) am Gehäuse integriert ist, hat der Motor keinen Handgriff. Sein eigenes Zählwerk läuft entgegen dem der Kamera, also von 36 - 0. Nach dem Filmeinlegen stellt man es auf 36, kann damit aber auch die Anzahl der gewünschten Aufnahmen bei Serien einstellen. Er leistet wahlweise Einzelbild, 2, 3 und 5 Aufnahmen pro Sekunde. Stellt man den Wählschalter auf "FP" (Fokus Priorität!), fährt der Autofokus aller Objektive einem bewegten Motiv nach und hält es, mit ca. 4 Bildern pro Sekunde scharf auf dem Film fest. Ein 36er Film wird in 7 (sieben!) Sekunden voll zurückgespult und bleibt so stehen, daß der Anfang nicht in der Patrone verschwindet! Die Chancen, die dieser Motor dem Fotografen gibt, machen den Verlust des automatischen Filmeinlegens mehr als Wett. Sie können den Strom für diesen Motor auf zwei Arten liefern: entweder mit dem ansetzbaren Ni-Cd-Pack der mit einem Ladegerät geliefert wird, oder mit einem Batteriepack für 12 normale AA-Batterien. Letzterer ist als Reserve im Kofferraum empfehlenswert, der Ni-Cd-Pack ist leichter handlicher und 35 durchgezogene Filme reichen ja auch (50 mit den Batterien). Alles in allem sind über 1,2 kg am Hals ein ganz schönes Gewicht, das jedoch die Qualität der Aufnahmen zusätzlich steigert: die Minolta 9000 mit Motor liegt unwahrscheinlich gut und ruhig in der Hand.
Die Abblendtaste
Das Fehlen dieser Einstellhilfe wurde von manchen 7000-Besitzern bzw. Interessenten bemängelt. Die neue 9000 hat sie, die Abblendtaste, ausklappbar zwischen Griffstück und Objektiv, genau da, wo man sie braucht. Auch ihre Arbeitsweise ist bisher nicht erreicht: sie schließt die Blende auf den jeweils vorgegebenen Wert, ganz egal, welche Automatik Sie gerade gewählt haben! Freunde der Nah- bzw. Makrofotografie werden das besonders zu schätzen wissen.
Die Spotmessung
Sie ist für Fotografen, die eine gezielte Bildgestaltung über die bildwichtige Belichtungsmessung brauchen, schon längst zur Notwendigkeit geworden, und als solche auch nicht mehr neu. Aber wie Minolta das löst, ist wieder große Klasse. Nicht nur ist der Meßwinkel sehr klein (nur 2,7% der Bildfläche!), sondern sie bietet auch zusätzlich noch eine Korrekturmöglichkeit nach Hell oder Dunkel. (Die Olympus OM-4 hat das seinerzeit von Minolta übernommen nicht umgekehrt!). Allerdings wird man mit dieser Korrektur einige eigene Versuche machen müssen, um festzustellen, wo sie sinnvoll ist. Minolta geht dabei von folgender Überlegung aus: jede Integralmessung erzeugt einen Mittelwert, der ja auch für viele Motive völlig genügt. Jede Spotmessung erzeugt aber auch nur einen Mittelwert innerhalb der begrenzten Meßzone, und das heißt, daß sowohl reines Weiß, als auch reines Schwarz mehr oder weniger zu Grau werden muß. Will man eine weißgekleidete Blondine auf einer weißen Segelyacht wirklich weiß oder eine schwarze Lokomotive wirklich schwarz haben, korrigiert man die Spotmessung nach High Light (Hi) oder Shadow (S). In den meisten Fällen genügt bereits die "normale" Spotmessung, die sich obendrein speichern läßt. Die Umschaltung von einem System zum anderen erfolgt mit einem Drehschalter über der Rückspulkurbel, genau richtig für Zeigefinger und Daumen der linken Hand. Ein Symbol im Sucher zeigt die jeweilige Einstellung an. Eine ähnliche Wirkung können Sie auch über die "Plus/Minus"-Taste der Kamera eingeben, allerdings muß man dann richtig schätzen können.
Das neue Autofokus-Gefühl
Wer bereits mit der Minolta 7000 fotografiert, muß hier umdenken und umlernen. Bei der 9000 genügt es nämlich, die Auslösetaste nur zu berühren um das Autofokussystem zu aktivieren: die Schärfe läuft dann ständig auf den Punkt nach, den Sie mit der Kamera anvisieren. Eine Speicherung erfolgt erst, wenn Sie - wie bei der 7000 - den Auslöser halb durchdrücken. Dieser blitzschnelle Nachlauf macht Sie mit der 9000 unglaublich mobil, insbesondere bei Reportagen und Schnappschüssen. Das alles macht die Kamera allein, also auch ohne Motor. Das wird manchen Fotografen vollauf genügen. Selbst Sport ist damit zu erfassen, wenn sich der Fotograf mit Einzelbild und Schnellschalthebel begnügen will. Soll jedoch Bewegung wirklich eingefangen und dargestellt werden, kommt man um den Motor nicht herum. So kann man z. B. den Sprung eines Pferdes über die Hürde mit 5 Bildern pro Sekunde festhalten, entweder in einer beliebig langen Serie, die nur vom Filmende begrenzt wird, oder man rechnet vorher, daß drei Sekunden genügen stellt das Zählwerk am Motor auf 15 und hat dann, da es bei "ON stoppt, genau eine Serie von 15 Aufnahmen. Brauchen Sie jedoch Aufnahmeserien von schneller Bewegung auf die Kamera zu, oder von ihr weg stellen Sie den Motor auf "FP" und halten den Auslöser durchgedrückt. Damit bekommen Sie auch Bewegungsserien selbst von schnell bewegten Motiven mit sich änderndem Abstand.
Erwähnenswert ist noch die ebenfalls griffgünstig! - eingebaute Taste für Doppel- bzw. Mehrfachbelichtungen. Hierbei bleibt das Kamerazählwerk stehen, was ich für überaus wichtig halte, während das Motorzählwerk weiterläuft und so die Anzahl der Mehrfachbelichtungen registriert. Es kann anschließend wieder mit dem Kamerazählwerk zur Übereinstimmung gebracht werden.
Daß man die Dioptrien für Fehlsichtigkeit am Okular einstellen und dieses gegen Störlicht bei Stativaufnahmen über einen kleinen Hebel verschließen kann, erleichtert manchem die Arbeit mit dieser Minolta 9000.
Weitere Details
Die Rückspulkurbel verdient lobende Erwähnung: Die erste und bisher einzige, mit der man wirklich schnell "kurbeln" kann; einen Selbstauslöser gibt es auch. Die AE-Lock-Taste - an der gleichen Stelle wie bei der 7000 - ist mir a n der 9000 ebenso zu klein! Stanzen Sie aus einem alten Ledergürtel mit dem Bürolocher ein Scheibchen heraus und kleben Sie's drauf.
Sie können unter 5 Einstellscheiben wählen und sie selber - tatsächlich ohne sie dabei zu zerkratzen! - auswechseln; Programmverschiebung bzw. individuelle Steuerung von Blende und Verschlußzeit erfolgen über bequeme Schiebetasten leichter und einfacher als bei der 7000; Sie sehen alle wichtigen Einstellungen auf einem schmalen Display unterhalb des Sucherbildes, und bei Dunkelheit beleuchtet es sich automatisch selber. Zusammen mit dem Artikel von Herbert Kaspar in COLOR FOTO 10/85 wissen Sie nun so ziemlich alles über Minoltas Flaggschiff, das dem Kapitän einige Grundkenntnisse fotografischer Navigation nicht erspart.
Noch ein Praxistip
Nachdem das automatische Film-Einfädeln entfällt, empfiehlt sich eine alte und bewährte Profimethode: Knicken Sie den Film am Anfang in Richtung Schichtseite etwa 2-3 Millimeter scharf ab. Dann hält er auf Anhieb in der Spule, und außerdem wissen Sie hinterher immer daß der Film bereits in der Kamera war und (teilbelichtet ist)!
Blitzen mit der Minolta 9000
Beide Blitzgeräte, das zur 7000 entwickelte 2800 AF sowohl, als auch das neue 4000 AF, steuern weitgehend die Funktionen der Kamera, und mit beiden ist TTL-Messung auf dem Film möglich. Über diese Geräte, die evtl. in Verbindung mit dem Control-Grip auch dem Hobby-Fotografen eine studiomäßige Ausleuchtung erlauben, wird noch gesondert zu berichten sein. Auch die Programmrückwand Super 90 ist im Umfang dieses Artikels nicht zu beschreiben. Sie können mit ihr eigene Programme entwickeln; Sie können Testaufnahmen von -2 Blenden in halben Stufen bis +2 Blenden vorwählen: die 9000 bringt Ihnen dann mit neun Aufnahmen ein Optimum; Sie können aber auch Einzel- oder Serienaufnahmen zu einer bestimmten Zeit vorprogrammieren und darüber hinaus Daten auf den Film - endlich mal! - so einbelichten, daß sie auf der rechten Schmalseite der Aufnahme sichtbar werden und weder auf einem Papierbild, noch einem Dia stören.
Schließlich wird auch noch gelegentlich über ein Rückteil mit dieser Data-Wand zu berichten sein, das - über einen eigenen Filmlader - Film für 100 Aufnahmen faßt.
Daß Sie über den Minolta(Blitz)-Belichtungsmesser Flash-Meter-IV die 9000 auch noch kabellos, mit den nötigen Daten versorgt, fernauslösen können, ist eine Zugabe für Wissenschaftler und Spezialisten und zeigt hauptsächlich, wie universell und konsequent man bei Minolta ein neues System um eine Kamera aufbaut.
Fazit
Nach meinen bisherigen, ausgiebigen Praxistagen mit der Minolta 9000 ziehe ich folgende Schlüsse:
1.) Die Minolta 9000 ist eine völlig andere Kamera als die 7000 und wertet diese in gar keiner Weise ab! Es wird genug Hobby-Fotografen geben, die mit der 7000 bestens bedient sind oder gar entsetzt abwinken, wenn man ihnen die 9000 vergleichsweise anbietet.
2.) Dem wirklich ambitionierten Fotografen, auch dem Profi bietet die 9000 fotografische Möglichkeiten, wie er sie bisher noch nicht hatte. Sie ist jedem zu empfehlen, der von ausgefeilter Technik nicht verwirrt wird, sondern sie gestalterisch auszunützen versteht.
3.) Ein "Mischverfahren", also eine 7000 und zusätzlich die 9000 halte ich für unzweckmäßig: es hindert jeden Fotografen, der mit mehreren Gehäusen arbeiten will, daran, mit einer dieser beiden Kameras wirklich vertraut zu werden. Man sollte sich also entweder für zwei 7000er entscheiden oder für zwei 9000er, wobei es genügt, wenn eine davon mit dem Motor ausgerüstet ist.
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