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Artikel
1998
Marktübersicht
Autofokus-Sucherkameras
Die Grenzen des Wachstums
Autofokus-Kompaktkameras erlebten in den letzten Jahren geradezu einen Boom. Rege Käufernachfrage, die Aussicht auf zufriedenstellende Renditen bei Herstellern und Händlern ließen das Angebot sprunghaft wachsen. Immer neue technische Finessen perfektionierten den Bedienungskomfort und sichern ständige Schnappschußbereitschaft.
Warum sind Autofokus-Sucherkameras so beliebt in der Gunst der Hobbyfotografen? Sie kosten genausoviel wie eine Einsteiger-Spiegelreflex-Kamera, wenn nicht mehr. Sie bieten keine Wechselobjektive, sind in der Regel nahbereichsuntauglich und man sieht auch nicht genau das, was hinterher auf dem Film drauf ist. Ganz zu schweigen vom verpönten Knipser-Image, das die Autofokus-Kompaktkameras ihrem Benutzer verleihen.
Doch auf der Habenseite stehen handfeste Vorteile. Wohl keine andere Kameraspezies bietet eine so schnelle Schnappschuß-Bereitschaft wie dieser ausgesprochen populäre Typus. Besonders die gehobenen Ausstattungsvarianten der japanischen, koreanischen und taiwanesischen Produkte bieten einen automatischen Bedienungskomfort ohnegleichen, der erst jetzt auf die Spiegelreflexkamera ein wenig abzufärben scheint (Minolta 7000, 9000). Reaktionsschnelligkeit ist eine wichtige Voraussetzung, um dem Lieblingsmotiv der Autofokusfotografen, nämlich den Menschen, Rechnung zu tragen. Und dies scheinen die kleinen Kompakten gut zu meistern, sonst wären im Jahr 1984 nicht 660.000 Kameras dieser Gattung über die Ladentische der Fotohändler und Warenhäuser gegangen, von denen mehr als die Hälfte der AF-Gattung angehört. Sehr zum Wohle einer verschnupften Branche, die größere Gewinnspannen als bei den SLR-Kameras überaus zu schätzen weiß.
Perfekter Bedienungskomfort für gutes Geld
Wer den hohen Preis der Spitzenmodelle vom Schlage einer Nikon L 35 AF 2, Canon MC Ricoh AF-70 oder Yashica T-AF moniert - wobei diese willkürliche Auswahl noch erheblich erweitert werden kann -, darf die dafür gebotene Technik nicht außer Acht lassen. Für 400 Mark bekommt der Autofokus-Aspirant ein prall gefülltes Technikpaket. Nahezu alles, was das Bildermachen erleichtert oder, wie Zyniker sagen würden, die Fotografie zum simplen Knopfdruck degradiert. Das Filmeinlegen geschieht über eine Gummi-Andruckrolle automatisch. Die Filmempfindlichkeit liest die DX-Abtastvorrichtung. Sie ist für alle Neuerscheinungen dieser Kameragattung ein "Muß". Einzig Yashica Kyocera leistet sich bei der Neuheit Autofokus Motor II den Luxus, darauf schlicht zu verzichten.
Doch beim Leseeifer der kleinen goldenen Kontakte gibt es Unterschiede. Manche lassen es schon dabei bewenden, die Standardempfindlichkeit von Color-Negativfilmen, nämlich ISO 100/21xGRADx, zu identifizieren.
Andere geben sich weit mehr Mühe und unterscheiden differenziert. Jede Filmempfindlichkeit von ISO 50/18xGRADx bis ISO 1600/33xGRADx kann gelesen werden. Andere Kameras geben sich stur, sie schalten unerbittlich auf ISO 100/21xGRADx, wenn der Fotograf es versäumt einen DX-codierten Film einzulegen. Doch die bevorzugte Nahrung der Autofokus-Kompaktkameras, der Farbnegativfilm, präsentiert sich heutzutage - zumindest wenn er von den drei Filmriesen Agfa, Fuji und Kodak kommt - sorgfältig verschlüsselt. Ricoh geht bei der FF-70, einem Komfortmodell für höchste Ansprüche - wie es im Werbetext heißt - sogar noch einen Schritt weiter. Die informationsgierige Kamera registriert auch die Filmlänge.
Elektromotoren machen das Leben leicht
Filmrücktransport und Rückspulen überläßt der verwöhnte Autofokus-Fotograf getrost Elektromotoren, die diese Arbeit zuverlässig und schnell verrichten und vor allen Dingen die sofortige Aufnahmebereitschaft sichern helfen. Um Pannen zu vermeiden, sollte man die Energieversorgung stets durch mitgeführte Mignon- oder Microzellen sicherstellen. Meistens haben die Hersteller ihren Kraftzwergen eine Batteriekontrolle in Form einer LED mitgegeben. Die Olympus AFL-S quickflash besitzt sogar eine eingebaute Lithiumbatterie, die nach sechs Jahren allerdings vom Kundendienst erneuert werden muß.
Weniger energiehungrig verhalten sich die einfacher ausgestatteten Modelle, bei denen der Film noch per Hand bewegt werden muß. Leider sind auch die teuren Modelle allesamt mit NC-Akku untauglich. Es fallen im Laufe eines Kameralebens reichlich Altbatterien an, was Umweltschützern immer mehr zu denken gibt.
Die Sucherinformation beschränkt sich auf das Notwendige und will nicht verwirren. Ein Leuchtrahmensucher mit Parallaxmarken gehört ebenso zur Standardausrüstung wie die Anzeige des Autofokus-Meßfeldes. Als Plus fällt bei einigen Modellen eine Warnung vor Unterbelichtung, eine Batteriekontrolle sowie eine Entfernungsanzeige über Symbole ins Gewicht. Doch über eins lassen die Autofokus-Kompaktkameras den Fotografen generell völlig im unklaren. Er erfährt nicht, für welche Zeit-Blendenkombination sich die Programmautomatik in der jeweiligen Aufnahmesituation entscheidet.
Der gute alte Zentralverschluß beherrscht diese Kameragattung vollends. Kompakt wie er nun einmal ist, findet er als sogenannter Hinterlinsenverschluß bei den kleinen Scharfen Verwendung. Die für eine exakte Belichtung richtige Zeit-Blendenkombination steuert ein integrierter Schaltkreis oder ein Mikrochip. Eine Cadmiumsulfitzelle mißt das Licht und liefert die Grundinformation. Die Leistungsfähigkeit der Belichtungssteuerung spiegelt sich unter anderem im Meßbereich wieder. Teurere und besser ausgestattete Autofokus-Sucherkameras verfügen auch über den größeren Meßbereich, der mehr fotografische Möglichkeiten offeriert.
Manche unserer Kandidaten lassen sich von Gegenlichtsituationen nicht blenden. Der Fotograf kann über eine sogenannte Backlight-Taste beispielsweise bei der Pentax PC 35 AF oder bei der Nikon L 35 AF 2 die Belichtungszeit um 1,5 Blendenstufen verlängern.
Objektive: das Weitwinkel ist Trumpf
Das Gros der Kompakten in unserer Tabelle ist mit braven Vierlinser-Objektiven bestückt, wobei die elegante Yashica T-AF als Schlagobers sogar mit einem Adlerauge aufs Motiv blickt. Der Vierlinser lehnt sich an die berühmten Tessar-Konstruktionstypen von Carl Zeiss an und darf daher auch diesen renommierten Namen tragen. Die größte relative Öffnung von 3,5 stellt nicht gerade ein Optimum in dieser Klasse dar. Doch bemühte man sich bei Yashica/Kyocera insbesondere um eine hervorragende Abbildungsqualität. Die japanische Konkurrenz kann es in puncto Lichtstärke freilich einen Deut besser. Fünflinsige Konstruktionen von Nikon, Canon, Pentax, aber auch von Ricoh mit einem Öffnungsverhältnis vom 2,8 markieren den Standard in dieser Klasse. Wieder einmal markiert Canon mit der AF 35 ML den Weltrekord. Die größte Blende von 1,9 bedeutet beinahe Spiegelreflex-Standard.
Wie bei Kompaktkameras im allgemeinen üblich, entschieden sich die Autofokuskamera-Konstrukteure lieber für ein Weitwinkel als fürs Normalobjektiv. Das bringt viel auf's Bild, erweitert den Schärfentiefenbereich und erleichtert somit der Autofokus-Einrichtung die Arbeit. Als fixe Größe gilt 35 mm, manchmal darf es sogar etwas weniger sein. Kunststoff hat sich als Gehäusematerial bei den immer scharfen Kompakten durchgesetzt. Hin und wieder findet der prüfende Betrachter auch einmal eine Metallrückwand vor.
Kompaktheit als Konstruktionsziel
So vielseitig sich die Autofokuskameras in Ausstattungsvarianten auch geben, ihre Größe und das bisweilen stattliche Gewicht machen sie für die Hemdentasche untauglich. Eine Olympus XA oder eine Minox GT baut bedeutend zierlicher als das Gros der recht klobigen Fotografierautomaten. Canon MC und Minolta AF-C wissen in diesem Punkt zu gefallen. Canon spricht denn auch von einer Micro-Autofokuskamera und lobt sich den Weltrekord der Kompaktheit in dieser Kameraklasse mit über 500 Mark recht teuer bezahlen. Beide Kameras müssen freilich der Kompaktheit ihre Opfer zollen. Weder die MC noch die AF-C verfügt über ein eingebautes Blitzgerät. Bei der Minolta amputierten die Konstrukteure sogar den Motor. Von einer universellen, reaktionsschnellen "immer dabei Kamera" erwartet der Fotograf schon von der Philosophie herein eingebautes Blitzgerät. Viele Kameramodelle erfüllen diesen Wunsch, nur die preislich unten angesiedelten oder die Superkompakten verzichten auf dieses Extra, das bei Innenaufnahmen sehr geschätzt wird. Gerade die von AF-Kameras angesprochene Kameraklientel fotografiert besonders häufig zuhause oder auf Partys. Freilich soll man von den kleinen künstlichen Sonnen, die entweder bei schlechten Lichtverhältnissen von selbst aktiv werden oder aufgrund einer mahnenden LED vom Fotografen zugeschaltet werden, nicht zuviel erwarten. Die Leitzahl um 10 lobt Aufnahmeabstände bei 400er-Film nur bis etwa vier Meter zu. Wegen des geringen Abstands von Objektiv und Reflektor treten überdies häufig rote Augen bei Farbbildern auf. Ein Mangel, dem Revue durch ein spezielles Gehäusedesign entgegenwirken will.
Die AF-Kamera: Im Dienste der Schnappschußfotografen
Album- und Erinnerungsbilder erfreuen sich bei Autofokus-Fotografen besonderer Beliebtheit. Eng mit dieser Neigung verbunden ist der Wunsch, selbst mit aufs Bild zu kommen. Deshalb gehört ein Selbstauslöser in der gehobenen Klasse zu den Selbstverständlichkeiten. Zehn Sekunden Vorlauf mit akustischer oder optischer Anzeige, geben jedem die Chance sich selbst im Album zu betrachten, mit Datum und Uhrzeit.
Doch kommen wir nun endlich zu dem, was die Autofokuskamera so überlegen bedienungsfreundlich und reaktionsschnell macht und letztlich Taufpate ist, zum Autofokussystem. Konica, jener unscheinbare aber doch pfiffige Hersteller im Schatten der Großen Japans, brachte erstmals in einer Sucherkamera das Kunststück fertig, die Entfernung zum Motiv selbst zu messen und einzustellen. So geschehen 1977 mit der Konica C 35 AF. Sie verfügte damals noch über ein sogenanntes passives Autofokussystem, das auf eine gewisse Mindest-Lichtmenge angewiesen ist, weil es die Information direkt vom Motiv nimmt. Dafür bietet das sogenannte Visitronic-System den Vorteil, daß es durch Glasscheiben oder spiegelnde Flächen nicht irritiert wird. Doch vergessen wir dieses System ganz schnell wieder, es wurde von der Infrarot-Meßmethode bei diesen Kompaktkameras fast völlig verdrängt. Einzig Canon, der Vorreiter des Infrarot-Meßsystems, bietet mit der AF-35 ML den letzten Mohikaner dieser Gattung an. Als aktives Meßsystem verwendet das IF-System einen Infrarot-Strahl aus einer Leuchtdiode. Vom Motiv reflektiert gelangt er zur Kamera zurück, die nach der Auswertung mit einer entsprechenden axialen Verschiebung des Objektivs reagiert. Hauptvorteil: Selbst bei rabenschwarzer Nacht gelingen Aufnahmen mit dem Blitzgerät. Nachteil: Glänzende oder reflektierende Flächen lenken den Strahl ab und verfälschen das Meßergebnis. Da eine fließende Fokussierung aus konstruktiven Gründen nicht realisierbar ist, sahen sich die Entwicklungsingenieure gezwungen, den Einstellbereich in Stufen zu zerlegen. Die Schärfentiefe des Objektivs gleicht dabei Nahtstellen aus. Für die Distanz von 90 Zentimetern bis unendlich benötigt eine Kamera mit einem 2,8er Objektiv etwa 7-10 solcher Schärfenstufen.
Einfache Autofokuskameras wie die Canon Snappy 50 begnügen sich mit drei oder vier Schärfesegmenten. Einige aus unserer Gruppe - wie beispielsweise die Panasonic und die Nikon L 35 AF 2 besitzen einen Feststeller für die Entfernungseinstellung.
Richtung Zukunft: LCD-Display, Sprachsynthesizer, Teleobjektiv
Moderne Zeiten spiegeln sich in vielen Ausstattungsmerkmalen der jüngsten Autofokus-Kompaktkamera-Generation wieder Die Panasonics wagen mit einem LCD-Display auf, das allerdings nur für das Bildzählwerk zuständig ist, die Ricoh FF-70 schießt in dieser Beziehung den Vogel ab. Ein unübersehbar großes Display signalisiert dem Ricoh-Fotografen wichtige Informationen wie Filmlänge, Filmempfindlichkeit und Batteriezustand. Das unverdrossen blinkende Symbol einer Filmpatrone, weist den Benutzer dezent darauf hin, erst einmal einen Film einzulegen. Die Minolta AF-Sv mahnt dagegen mit lauter, synthetischer Stimme.
Daß die Phantasie der Autofokus-Kamerakonstrukteure so schnell nicht an ihre Grenzen stößt, beweisen Minolta AF-T und Konica MR. Ein gewissermaßen austauschbares Linsensystem verwandelt bei der Minolta das 38er Normalobjektiv in ein 64er Tele, wobei freilich der bescheidene Nutzen in erster Linie dem Porträtfotografen zu gute kommt. Die Grenzen des Wachstums scheinen zumindest in technischer Hinsicht noch nicht erreicht. Auch die Modellexplosion bei den Herstellern wirkt noch ungebrochen. Als nächster will Carl Braun, der altbekannte Projektorhersteller, die Autofokus-Phalanx verstärken.
Marion Knoche von der Nürnberger Gesellschaft für Konsummarkt und Absatzforschung, welche die Fotobranche mit Zahlen versorgt, kann von 1983 bis 1984 eine "überproportionale Steigerung dieses Kamerasegments feststellen." Für 1985 wird erneut eine Steigerung erwartet. Die Grenzen das Wachstums will die Branche durch
Innovation noch vor sich herschieben.
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