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Artikel

1998

Marktübersicht

Einsteigerspiegelreflexkameras unter 500 DM

Das einfache Leben

Sie kosten soviel wie Autofocos-Kompaktkameras, die Spiegelreflexen zum Einsteigen ins ambitionierte Fotohobby. Doch sie bieten ungleich mehr an kreativen Gestaltungsmöglichkeiten. Schon allein dadurch, daß der Fotograf Objektive wechseln und sich damit seiner gestalterischen Aufgabe besser anpassen kann. Spricht außer der Schonung des Geldbeutels im High-Tec-Zeitalter noch etwas für das einfache Leben? Diese Marktübersicht listet das Angebot auf und beantwortet die Frage.

Helmut Gruschke, Vertriebsleiter der Nürnberger Miranda Foto Video GmbH sieht die Sache ganz nüchtern: "Wir bieten unsere preiswerten Chinon- und Exakta-Modelle häufig von Haus aus mit einem 35-70mm Zoom an, damit der Kunde überhaupt erst einen Vorteil gegenüber den Autofocus-Kompaktkameras hat." Doch die Vorzüge des wohl überzeugendsten Kamerasystems der Welt nur auf den Brennweitenwechsel reduzieren zu wollen, wäre in der Tat etwas nihilistisch. Denn die vielen Vorzüge des Prinzips sind wohl allgemein bekannt.
Unsere Einsteigermodelle geizen - bis auf einige Ausnahmen - mit Bedienungskomfort. Das mag zuerst wie ein Nachteil klingen, doch hat die fehlende Bequemlichkeit einen wichtigen pädagogischen Nebeneffekt. Der fotografierende Anfänger lernt mit den Begriffen Zeit und Blende umzugehen und begreift deren Zusammenhänge und gestalterische Auswirkung. Am besten eignen sich Kameras mit dem schlichten Nachführsystem für Schulungszwecke. Die Cosinas und Exaktas, die Pentax K 1000, die Schraub- Prakticas und die Yashica FX-3, um nur einige zu nennen, verdienen hierbei das Prädikat "pädagogisch wertvoll". Man darf nicht vergessen, daß viele der heute engagiert und gut fotografierenden 25-30jährigen einst mit einer Praktica begannen. So taucht in dieser Liste gleich das ganze Programm der Dresdner Erfinderschmiede auf, die vor nunmehr 50 Jahren das Prinzip der einäugigen Spiegelreflex für Kleinbildkameras aus der Taufe hob.
Und auch heute noch sind die Sachsen allemal für einen Superlativ gut. Mit ganzen 198 Mark ist die Super TL 1000 das billigste SLR-Angebot auf dem deutschen Markt. Obendrein beweist sie, daß billig nicht primitiv heißen muß. Immerhin wartet sie mit einem Metallschlitzverschluß, der eine kurze Blitzsynchronzeit ermöglicht und mit einem scharf zeichnenden Tessar auf, dessen Lichtstärke mit 2,8 allerdings in Verbindung mit der etwas grobkörnigen Mattscheibe nicht für optimale Einstellbedingungen sorgt.
Seit Jahrzehnten bewährt, die praktische PL-Filmeinlegehilfe. Die größere Schwester MTL 5 hat im wesentlichen den Selbstauslöser und ein lichtstärkeres Objektiv mehr zu bieten. Sicherlich, die etwas umständliche Arbeitsblenden-Meßmethode erscheint antiquiert, kann jedoch als bewußte Antithese zur Knopfdruckautomatik verstanden werden.
Fotografen, die ihre Kameras gerne als Image-Maker oder Persönlichkeitsprothesen einsetzen, statt damit gelungene Bilder zu schießen, kommen in dieser Preisklasse allerdings nicht auf ihre Kosten.

Rückzug der Markenhersteller

Galt es noch vor ein paar Jahren als selbstverständlich, daß alle großen Japaner vertreten waren (Canon AV 1, Nikon EM, Minolta, Olympus und Pentax mit diversen Modellen) so haben inzwischen einige das Feld geräumt. Sinkende Gewinnmargen haben sicher dazu bei
getragen, das gerade unterhalb von 500 Mark heißumkämpfte Feld zu verlassen. Minolta stellt mit der X-300 noch einen Platzhalter, der günstig eingekauft mit dem MD 2/50 Objektiv noch so gerade in diese Kategorie rutscht. Dem Käufer dieses Economy-Modells kann dies nur recht sein, bekommt er doch für wenig Geld eine abgespeckte X-700 mit modernster Elektronik, Zeitautomatik nach Blendenvorwahl und einem brillanten Sucherbild, das zum Durchschauen geradezu einlädt. Das Pentax Brot- und Butter-Modell gibt sich dagegen charakterlich grundlegend anders. Die K1000, ein Methusalem im Programm, überzeugt durch hör- und fühlbare Solidität. Sie ist ein Mechaniker im Sinne der alten Tradition, das Gewicht verheißt großzügigen Umgang mit Stahl und Messing. Sie schert es nicht wenn die Batterien einmal ihren Dienst versagen. Die Basis-Pentax ist ein preiswerter Geheimtip für Kenner, die eine Kamera fürs Leben suchen.
Die Yashica FX-3 super glänzt mit ähnlichen Tugenden. Ihrer Kompaktheit und der LED-Anzeige im Sucher merkt man allerdings an, daß sie vom Konzept her viel jünger ist. Für FX-3Fotografen steht das gesamte Carl Zeiss-Programm für die Contax zur Verfügung. Mit dem Planer 1.7/50mm kommt die FX-3 noch unter 500 Mark. Interessenten erstehen damit einen Wolf im Schafspelz, der es hinsichtlich der Abbildungsqualität mit jeder sogenannten Spitzenkamera aufnehmen kann.
Viele sogenannte Handels- und Billigmarken tummeln sich in der unteren Spiegelreflex-Etage. Allein Miranda stellt ein Viertel des gesamten Angebots, wobei die Cosinas und die Exaktas untereinander baugleich sind. Die Exakta HS-2 bietet als Appetitanreger die 2000stel Sekunde, in dieser Klasse Weltrekord. Baugleichheit ist überhaupt ein Thema, auf das sich einzugehen lohnt. Es wird als offenes Geheimnis gehandelt. Die beiden Porst CR, kreuzbrave Kameras, kommen von Fuji.
Das Revue-Einsteigermodell ML kann den sächsischen Akzent nicht verleugnen. Revue schießt mit seinem Modell X-4M den Vogel ab. Soviel geballte Technik verbunden mit hohem Bedienungskomfort für nur 500 Mark. Dieser Falstaff unter den Spartanern hieß ehedem Mamiya ZE-X. Die sogenannte Crossover-Automatik läßt keine Wünsche offen. Zeitautomatik, Blendenautomatik, Programmautomatik und manuelles Nachführsystem, das sind sonst Zutaten der 800 Mark-Klasse. Die Revue X-4M ist der beste Beweis dafür, daß auch in der Economy-Klasse der Technik-Freund auf seine Kosten kommt.

Automatik - kein Fremdwort in der Economy-Klasse

Einen weiteren technischen Leckerbissen serviert Olympus mit seiner OM-10. Abgespeckte OM-2-Technik macht autodynamische Messung möglich. Die Kamera mißt die Belichtung nachdem der Spiegel hochklappt. Zeitautomatik und LED-Anzeige gehören bei der Junior-Olympus zum Standard. Daß der technische Fortschritt bei Spiegelreflexkameras unter 500 Mark nicht stehenbleibt, beweist die Konica TC-X. Als erste Kamera mit DX-Abtastsystem sorgte sie für Aufsehen. Ihre Unkonventionalität setzt sich im Kunststoffgehäuse wie in der Technik fort. Die mechanisch gesteuerte Blendenautomatik weist auf die Abstammung von der Konica Autoreflex-Serie hin.

Fazit

Wer weniger als 500 Mark für eine Spiegelreflexkamera auf den Tisch des Händlers blättern will muß sich nicht zwangsläufig mit Primitivität abfinden. Im Gegenteil, er hat reiche Auswahl unter verschiedenen Kamera-Charakteren, die gerade hier so vielfältig sind, wie sonst in keiner anderen Kameraklasse. Ob Zeitautomat, Blendenoutomat, Mechaniker, Multiautomat, Economy-Modell oder knapp kalkulierte Handelsmarke, hier tummelt sich munter die bunte Vielfalt der Branche. Von Uniformität also keine Spur.

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