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Artikel

1998

Marktübersicht

Kleinbild-Kompaktkameras

Nischenpolitik

Von den Autofokuskameras auf der einen und den preiswerten Spiegelreflexkameras auf der anderen Seite in die Zange genommen, bleibt den echten Kompaktkameras nur noch ein kleiner Biotop, um zu überleben. Dennoch haben sie aufgrund eines wesentlichen Vorteils das Recht dazu. Ihre zierliche Größe, verbunden mit einem Minimum an technischer Herausforderung, macht sie zu idealen Zweitkameras als Ergänzung zur Spiegelreflex-Ausrüstung.

Minox, seit jeher kompetent in Sachen Miniaturisierung machte sich 1974 daran, den Begriff "klein" bei Kleinbildkameras neu zu definieren. Das Modell 35 EL der Kameramanufaktur in Heuchelheim bei Gießen sorgte für einen neuen Weltrekord in Größe und Gewicht - ein Minusrekord - versteht sich. Von der Werbung als Kamera für die Hemdentasche apostrophiert, hielt sie tatsächlich, was sie versprach. Vollwertiges Kleinbildfotografieren hatte plötzlich eine neue Dimension bekommen. Die Rollei 35, bislang das Maß aller Dinge in Sachen Kompaktheit, war entthront. Erstaunlich, das gerüttelt' Maß an fortschrittlicher Elektronik, das die Minox-Konstrukteure ins kleine Gehäuse aus glasfaserverstärktem Kunststoff packten.
Immerhin wartet die Minox für reaktionsschnelles Schnappschießen sogar mit einer Zeitautomatik bei Blendenvorwahl auf. Der helle Leuchtrahmensucher imponiert mit einer deutlich sichtbaren Meßnadel-Zeitanzeige. Der revolutionäre Minox-Zwerg wurde inzwischen ganz im Sinne der Evolution behutsam weiterentwickelt. Als GL bekam er eine Gegenlichttaste spendiert, dem aktuellen Enkel GT implantierten die Heuchelheimer sogar einen Selbstauslöser. "Damit Sie den Menschen, den Sie am meisten lieben, endlich auf's Bild bekommen." (Minox-Werbespruch).
Doch damit nicht genug. Die Minox-Zwergenfamilie bekam unterdes kräftig Zuwachs. Nach dem Motto "für jeden etwas" werben nun gleich vier Modelle um die Gunst des Kompaktkamera-Interessenten. Die Abgrenzung geschieht dabei völlig unproblematisch: Als Spitzenmodell und Boß der Truppe fungiert die 35 ML. Es handelt sich bei dieser Kamera um eine konsequente Weiterentwicklung des Traditionalisten "GT". So gibt es beispielsweise als zusätzliches Bonbon die Meßwertspeicherung für diffizile Belichtungssituationen, denen die Kamera dank mittenbetonter Messung über eine reaktionsschnelle Siliziumzelle schon von vornherein gut gerecht wird. Eine Programmautomatik steht als Alternative für schnelle Situationen zur Verfügung.
Den Schnappschuß-Fotografen ohne gestalterische Ambitionen spricht das preiswerte Einsteigernmodell in die Minox-Familie, die 35 PL, an. Auf Gegenlichtschalter und Selbstauslöser braucht er dennoch nicht zu verzichten. Die gleiche Kamera mit fest angebautem Blitzgerät (LZ 14) heißt Minox 35 PE. Sie empfiehlt sich in erster Linie Leuten, die häufig in geschlossenen Räumen, auf Festen, Parties etc. fotografieren.
Heute bei Kompaktkamera gar nicht mehr so selbstverständliche Dinge wie Stativ- und Drahtauslösergewinde unterstreichen die Pfiffigkeit der Minox-Macher. Außerdem bestechen die Kameras durch das reichliche Angebot an Kleinzubehör, das vom Skylightfilter mit integrierter Faltsonnenblende bis zum Taschenstativ reicht. Bei der Konkurrenz muß man für solche Kleinigkeiten häufig den Hama-Katalog bemühen. Das Minox-Gehäuse besteht aus schlagfestem Makrolon-Kunststoff und benötigt eigentlich keine Tasche. Dank Frontklappe mit "Zugbrückenmechanismus " genießt das lichtstarke 2,8er Objektiv besten Schutz.
Dennoch werden insbesondere Fotografinnen von der edlen Leder-Gürteltasche beeindruckt sein, die sich auch lässig am Handgelenk tragen laßt. Zierliche Damenhände sind denn auch gerade prädestiniert dafür, die grazilen Einstellrädchen rund um das vierlinsige Color Minotar zu bedienen. Die Voigtländer- und Revue-Konkurrenz bietet hier bei fast gleichen Außenmaßen mehr Angriffsfläche. Das Minox-Konzept fand offenbar bei den Wettbewerbern großen Anklang. Nicht nur Voigtländer und Revue, sondern auch die renommierte Marke Contax, war sich nicht zu fein, es in wesentlichen Punkten zu übernehmen.
Die Contax T, das Flaggschiff dieser Kamera-Kaste, strebt nach größtmöglicher Perfektion. Dies wird schon beim Anblick des Ganzmetallgehäuses sichtbar, das nicht nur wegen seiner silbrigen oder wahlweise schwarz eloxierten Oberfläche edel glänzt, sondern auch durch die besonders sorgfältige Verarbeitung. Ein etwas snobistisches, elegantes Kleinod mit künstlichem Saphir als Auslöser, attraktiv im Porsche Design gewandet. Der schöne Schein trügt nicht, auch die Technik stimmt. Die Contax T darf sich Meßsucherkamera nennen und teilt diesen Ehrentitel auf dem Kleinbildsektor nur noch mit der Leica und der Olympus XA. Das lästige, oftmals vage Entferungsschätzen weicht somit einer präzisen Messung. Darin liegt zweifelsohne der Hauptvorteil der Kamera, von der böse Zungen behaupten, das NT" stünde für teuer. Immerhin wandern beim Kauf 1000 Mark über die Ladentheke des Händlers.
Eine perfekte Symbiose mit dem Mischbildentfernungsmesser geht das fünflinsige mehrschichtvergütete (T*) Sonnar von Carl Zeiss ein. Unterstützt durch die präzise Scharfeinstellung kann es seine ganze Leistung entfalten. Das Resultat: Selbst bei offener Blende - die Contax T ist ein Zeitautomat gelingen, die schärfsten und kontrastreichsten Bilder innerhalb der Vergleichsgruppe. Eine interessante Alternative zum Minox-Konzept schuf Olympus mit der XA-Serie. Hier wird der Objektivtubus nicht versenkt. Ein Schiebedeckel, im Olympus-Jargon "Kapsel" genannt, schützt die wertvolle gläserne Innerei. Das XA-Programm präsentiert sich acht Jahre nach seinem Debüt gestrafft und teilweise DX-modernisiert. Die Modelle heißen XA, ohne DX dafür aber mit E-Messer und lichtstarkem 2,8-Objektiv sowie XA-3 mit 3,5/35-mm-Objektiv und Entfernungseinstellung über Symbole. Neu und wegen ihrer ausgeprägten Weitwinkelcharakteristik besonders reizvoll ist die XA 4 Macro. Wie der Name schon sagt, erlaubt es ihr 3,5/ 28mm Objektiv, bis 30 cm an ein Objekt heranzugehen. Dies entspricht ungefähr der formatfüllenden Abbildung einer DIN A-4-Seite.
Störend an den XA-Kameras empfindet der Fotograf das primitive Rändelrad für Filmtransport und Verschlußaufzug. Eine Art Teleskop-Schnellaufzug in Verbindung mit der Kapsel a la Minox LX wäre hier zweifellos technisch eleganter. Beim Gestaltungsmittel Schärfentiefe muß der XA 3- und 4-Fotograf leider passen. Die Programmautomatik verschweigt ihm die Aufnahmedaten ebenso erfolgreich wie Rolls-Royce die Motorleistung seiner Autos.
Ebenfalls vollautomatisiert hinsichtlich der Belichtungssteuerung tritt auch das Voigtländer Trio Vito, Vito C und Vito CS auf. Die drei besonders leichten Kompaktkameras können gleich in einem Atemzug mit der Revue 35 XE genannt werden. Denn sie kommen alle aus dem gleichen Stall: Balda in Bünde baut die kleinen, verkauft aber keine Kameras unter eigenem Namen mehr. Die Vierlinge unterscheiden sich kaum voneinander. Sie differieren lediglich in Ausstattungsdetails: Selbstauslöser, Gegenlichttaste. Ein lustiges ok-Signal im Sucher zeigt ausreichende Lichtverhältnisse an. Vorteile der Minox- Plagiate gegenüber dem ehrenwerten Vorbild: Filmtransport mit nur einem Hebelschwung, Entfernungsanzeige im Sucher (C, CS) als Gedächtnisstütze für vergeßliche Spiegelreflex-Benutzer.

Fazit

Kompakte Kleine sind zweifellos eine reizvolle Alternative. Der Fotograf wird nicht durch zahllose Automatikfunktionen entmündigt, unbeschwertes Fotografieren fernab vom Spiegelreflexballast nehmen die zwölf Kameras wörtlich. Wer darüber hinaus noch Freude an der Bildgestaltung mit der Schärfentiefe hat, der sollte sich für die Minox-Kameras GT, ML oder für die Olympus XA entscheiden. Für den Weitwinkel-Fan, der gerne nah 'ran geht, ist die Olympus XA-4 Makro die geeignete Wahl, und wem es auf die Mark nicht ankommt, dem sei die Contax T wärmstens ans Herz gelegt. Auch auf die Gefahr hin, daß er seiner Spiegelreflex untreu wird. 

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