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Alexander Borell Kommentar

Die Mamiya ZE-X

Technik + Komfort praxisbezogen

Schwer zu beschreiben - einfach zu bedienen. So könnte der Titel eines Kommentars der Mamiya ZE-X auch lauten. Denn die komplizierte Technik dient der unkomplizierten Handhabung in der Praxis.

AIs ich sie im Frühjahr '81 zum ersten Mal auf der PMA in Miami sah, wurde sie von einem Japaner vorgeführt: er hielt eine Kamera in der Hand und während seines japenglischen Vortrags illustrierten Dias über einen Fernsehmonitor die Funktion dieser ZE-X. Das einzige, was ich mir damals dachte: Du lieber Himmel, wer soll diese Bedienungsanleitung so schreiben, daß sie irgend ein Mensch versteht. Inzwischen wurde diese Kamera von NORMTEST in CoFo 11/81 seziert, die Funktionen ihrer Organe wurden ausführlich und objektiv dargestellt, und ich habe mich gefragt, ob es sich Oberhaupt lohnt, diese neue und neuartige Kamera noch einmal zu kommentieren. Ich glaube es dieser Kamera schuldig zu sein, als subjektiv urteilender Praktiker ein zweites Mal über sie zu berichten.
Heute ist Sonntag, der 8.11.81. Hier in Oberbayern war zum ersten Mal eine Frostnacht mit -11xGRADx. Gestern abend stellte ich die ZE-X auf den Balkon, nachdem ich bereits 16 Filme mit ihr durchbelichtet hatte, und dachte: wenn schon immer von den Elektronikschwierigkeiten bei Kälte gesprochen wird, komme ich ihr vielleicht auf die Minuspunkte. Sie funktionierte heute morgen bei immer noch -10xGRADx mit sämtlichen Automatiken einwandfrei; auch dann noch, als ich sie ins Zimmer nahm, wo sie klatschnaß beschlug. Das spricht für die hohe Qualität der Innereien dieser äußerlich so schlichten Kamera.
Und nun zu ihrer - wie mir damals schien - so unerklärbaren Funktion mit vier Automatiken und zusätzlichem "Crossover".
Die Schwierigkeiten lagen offenbar am Erklärer in Miami, denn tatsächlich kenne ich keine andere Kamera, die soviel kann und so leicht durchschaubar zu bedienen ist.

1. Möglichkeit:

Sie wollen, z. B. für Sportaufnahmen, einen Blendenautomaten, damit Ihnen im Schatten die Verschlußzeit nicht zu langsam wird. Sehr einfach:
Sie verriegeln am Objektiv die Blende in Automatik-Raststellung und wählen die Zeit, die Sie brauchen, irgendwo zwischen 8 und 1/1000 Sekunden: so ist die ZE-X ein Blendenautomat.

2. Möglichkeit:

Sie wollen, z. B. um die nötige Scharfentiefe zu bekommen, mit einem Zeitautomaten arbeiten. Sehr einfach: Sie verriegeln das Verschlußzeitenrad in Stellung "A" und wählen die gewünschte Blende. Die ZE-X sucht sich die der Blende entsprechende Zeit irgendwo zwischen vollen 22 Sekunden bis zur 1/1000.

3. Möglichkeit:

Sie wollen sich um gar nichts kümmern, sondern nur enorm schnell schußbereit sein. Sehr einfach: Sie stellen den Blendenring, und Verschlußzeit auf "A", und schon haben Sie eine Programmautomatik, bei der sich die ZE-X eine Kombination aus vollem Blenden- und Verschlußzeitenprogramm aussucht.
Die vierte Automatik ist eine Blitzautomatik, die nur mit dem speziellen Mamiya-Blitzgerät funktioniert, das ich nicht habe; folglich nur den Hinweis des Herstellers: Bei aufgestecktem Blitzgerät wählt sich die ZE-X die synchrone Verschlußzeit (1/60 sec) selber, der Blitz wird korrekt über die jeweilige Entfernungseinstellung dosiert, und wenn es hell genug ist, daß sich Verschlußzeiten kürzer als 1/60 bilden, blitzt die Kamera nicht, sondern belichtet normal.
Selbstverständlich können Sie wahlweise auch manuell Ihre Zeiten- und Blendenwahl treffen, was Ihnen am unteren Sucherrand mit einem "M" gemeldet wird.

Ehe wir jedoch über den Sucher sprechen, noch einiges zur Technik und dem neuen "Crossover", das sich bei der ZE-X auch noch nach den verwendeten Brennweiten richtet. ie Übertragung der Objektiv-Funktionen auf die Elektronik der Kamera erfolgt über vergoldete Kontakte. Diese melden jedoch nicht nur die Blende, sondern auch die Brennweite des Objektivs. Bekanntlich verwackelt man mit kurzen Brennweiten weniger leicht, als mit langen. Die kluge ZE-X weiß das und verhindert verwackelte Aufnahmen, indem Sie es nicht zuläßt, daß Sie mit dem Standardobjektiv länger als 1/30 Sekunde belichten. Wäre dies jedoch nötig, ändert die Kamera selbständig die Blende, um nicht länger als 1/30 Sekunde belichten zu müssen. Die Grenzzeit steigt mit der Länge der Brennweite, und wenn Sie ein 200er Tele verwenden, beträgt die Grenzzeit nur noch 1/200, Sekunde. So korrigiert die ZE-X bei jeder Funktion, ob als Zeit- oder Blendenautomat, jeweils Blende oder Zeit. Stellen Sie jedoch auf Programm-Automatik ein, so leuchtet im Sucher ein rotes "P" auf; wird hierbei die Verschlußzeit länger als 1/30 Sekunde, wird sie ebenfalls im Sucher digital neben dem "P" angezeigt. So wissen Sie, daß Sie jetzt auch mit der Programmautomatik besonders ruhig halten oder die Kamera auflegen müssen. Der Arbeitsbereich aller Automatiken ist sehr groß, was von dem überdurchschnittlich weiten Meßbereich von EV -3 bis 18 kommt, den Sie selbst bei anderen Spitzenkameras nicht oft zur Verfügung haben. In der Praxis heißt das, daß Sie die Grenzen der ZE-X auch bei Nachtaufnahmen kaum zu spüren bekommen. Und nun zu den Informationen im Sucher, der ansonsten normal mit Schnittbild und Mikroprismen ausgerüstet ist und dessen Einstellscheiben sich leider nicht auswechseln lassen. Noch nicht?
Weder Zeiger noch Skalen schränken das Sucherbild ein, sämtliche Informationen erhalten Sie in roten Leuchtdioden unterhalb des Sucherbildes!
So erfahren Sie natürlich die Verschlußzeiten und die Blende. Bei "Crossover" erscheint hinter diesen Angaben ein kleiner Ring, der bedeutet, daß die Kamera nun Ihre Einstellung korrigiert. Das "M" bei Manuell haben wir schon erwähnt, ebenso das" P" bei Programm-Automatik. Korrigieren Sie aber die Meßwerte bzw. die ASA-Einstellung nach "+" oder "-", was um jeweils drei volle (!) Belichtungswerte möglich ist, erscheint ein "v"-Zeichen neben den Meßdaten. Die Blitzautomatik wird mit einem roten "EF" signalisiert, und falls irgendwelche Anzeigen schnell flackern, müssen Sie die beiden 1,5 Volt Knopfzellen wechseln, weil sie verbraucht sind.
Wenn Sie glauben, es besser zu wissen als die Automatik Ihrer ZE-X, so schalten Sie das "Crossover" ab. Hierzu liegt ein kleiner Schieber genau unter Ihrem linken Zeigefinger. Ein kleiner Tip nach vorn und schon können Sie im Sucher ablesen, was die Kamera nun nach den von Ihnen vorgegebenen Daten macht. Dann blinken entweder Zeit oder Blendenzahlen, wenn der Meßbereich überschritten wird; so können Sie zumindest überprüfen, ob Ihre Daten wirklich so gewollt sind. Man wird, auch wenn man mit einer Automatik arbeitet, immer mal schnell mit diesem Fingertip überprüfen, was die Kamera nun ohne "Crossover" machen würde. Wenigstens am Anfang tut man das. Es gibt Spezialfilme, die nur 6 ASA Empfindlichkeit haben. Nun suchen Sie mal bei den bisherigen Spitzenreitern die Möglichkeit, noch den Wert von 6 ASA einstellen zu können! Der Einstellumfang bei der ZE-X reicht von 6-3200 ASA.

Natürlich hat diese Kamera auch einen Selbstauslöser, den Mamiya zugleich zu einem "Griffstück" an der rechten Vorderseite gemacht hat: mittels Schieber können Sie 2, 6 und 10 Sekunden vorwählen; dann blinkt und piept es bis zur Auslösung, Das läßt sich wohl nicht mehr aus der Welt schaffen. Die zwei Sekunden aber sind recht praktisch, wenn Sie relativ lange Belichtungszeiten verwacklungsfrei aus der Hand auslösen wollen.
Einmal habe ich - bei 16 Filmen! den Selbstauslöser-Schieber versehentlich, wahrscheinlich beim Herausnehmen der Kamera, betätigt, und nur das Piepsen klärte mich auf und rettete die Aufnahme.
Links oben an der Vorderfront verdeckt ein Schieber einige feine Kontaktstifte: hier können Sie entweder einen Fernauslöser ansetzen oder einen zweiten Auslöser für Linkshänder. Den kleinen Schieber legen Sie sich derweil am besten unter die Zunge, um ihn nicht zu verlieren. Merkwürdig, daß es nicht möglich war, irgendwo an der Kamera ein Plätzchen für seine Aufbewahrung zu finden.

Und da ich nun gerade bei der Kritik bin: Es gibt auch einen Memoryschalter, mit dem man den Meßwert speichern kann, was ja für viele Aufnahmen eminent wichtig ist.
Dieser Schalter aber ist ein eingelassener Druckknopf, den Sie während der Belichtungsmessung - also bei leicht angetipptem Auslöser - kurz andrücken müssen. Wenn Sie zufällig ein rechtsspielender Geigenvirtuose sind, wird Ihnen das auch unschwer gelingen; ich brachte es nicht fertig. Dieses Knöpfchen sollte Mamiya schleunigst größer und deutlich weiter herausstehend machen, auch wenn der Designer dabei Krämpfe bekommt. Ich habe mir aus meinem alten Ledergürtel ein Scheibchen herausgestanzt und es draufgeklebt: machen Sie es ebenso, wenn Ihre ZE-X in diesem Punkt noch nicht geändert sein sollte.
Ein Schieber an der Kamerarückseite ermöglicht Mehrfachbelichtungen, ein kleiner Hebel schiebt den Okularverschluß vor, um direkt ins Okular fallendes Licht abzudecken. Zur ZE-X gibt es selbstverständlich auch einen Winder, der von vier Batterien oder NC-Akkus (!) gespeist wird. Freuen Sie sich, wenn die Batterien drin sind; um den Behälter zu öffnen, müssen Sie entweder Fingernägel opfern oder ein Stammeisen verwenden. Auch hier sollte Mamiya noch ein wenig "nachbessern". Drücken Sie, bei angesetztem und eingeschaltetem Winder auf den Auslöser, müssen Sie nach jeder Aufnahme sofort loslassen, sonst macht diese Maschine gleich eine Serie.

Es wird demnächst noch ein Zwischenstück zwischen Kamera und Winder geben, mit dem Sie dann den Film auch motorisch rückspulen können. Ach ja, Film: Er wird genauso unbedarft und phantasielos eingefädelt, wie bei anderen Spitzenkameras auch; also zwar kein Minuspunkt, aber bei dieser sonst so großartigen Kamera auch bestimmt kein Pluspunkt.
Ober die Sekor-Objektive ist nicht viel zu sagen: sie sind ausgezeichnet und haben bisher auch in allen Tests hervorragend abgeschnitten. Die vollen vier Automatikfunktionen erreicht man an der ZE-X aber nur mit den vier neuen "EF"-Objektiven: 2,8/35 mm, 1,4/50 mm, 1,7/50 mm, 2,8/135 mm.
Alle übrigen E-Objektive steuern ebenfalls alle Automatiken, ausgenommen die Blitzautomatik, und somit ist das Objektivprogramm vorerst ausreichend. Inzwischen aber kennt man Mamiya auch auf dem Kleinbild-Sektor gut genug, um sagen zu können, das hier mit aller Energie und ohne große Zeitverluste weitergearbeitet und weiter entwickelt werden wird. Es lohnt sich also durchaus, sich mit der ZE-X ein neues System aufzubauen, das nicht nur hervorragende Resultate bringt, sondern auch zukunftssicher ist und dem Besitzer obendrein das Gefühl vermittelt, alles zu können, was die anderen können, und - noch mehr.

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